Keine Rechtsgrundlage für Polizeikontrollen im Leipziger Süden?

copsBasierend auf vielfältigen Erfahrungen mit verdachtsunabhängigen Kontrollen im Leipziger Süden habe ich eine Kleine Anfrage zu den Rechtsgrundlagen dieser Kontrollen gestellt. Laut Antwort der Sächsischen Staatsregierung ist der Leipziger Süden weder ein „gefährlicher Ort“ noch wurden hier in den letzten zwei Jahren Kontrollbereiche eingerichtet

Kontrollbereiche können durch das Innenministerium eingerichtet werden, um Straftaten nach § 100a StPO und § 28 Versammlungsgesetz (Mitführung von Waffen etc.) zu verhindern. Zudem definiert das Polizeigesetz so genannte „gefährliche Orte“, an denen sich „erfahrungsgemäß Straftäter verbergen, Personen Straftaten verabreden, vorbereiten oder verüben, sich ohne erforderliche Aufenthaltserlaubnis treffen oder der Prostitution nachgehen“.
In diesen (Kontroll)Bereichen ist es der Polizei per Gesetz erlaubt verdachtsunabhängige Kontrollen und Durchsuchungen vorzunehmen.

Massive Polizeipräsenz gehört insbesondere in Leipzig-Connewitz zum Alltag. Zu bestimmten Anlässen verstärkt sich die Kontrollpraxis, beispielwiese nach den Hausdurchsuchungen gegen vermeintliche Mitglieder einer vermeintlichen kriminellen Vereinigung im Jahr 2011, nach Ankündigung einer nicht angemeldeten Demonstration im März 2013 oder nach der Eröffnung des Polizeipostens in der Wiedebachpassage im Februar 2014. Auch aus der Südvorstadt erreichen mich des öfteren Erfahrungsberichte über verdachtsunabhängige Kontrollen.

Mit der Kleinen Anfrage wollte ich in Erfahrung bringen durch welche Rechtsgrundlagen diese Praxis gedeckt ist.  Im August/ September hatte die Polizei beispielsweise im Bereich Eisenbahnstraße im Osten öffentlich einen Kontrollbereich ausgewiesen. Für bundesweite Öffentlichkeit sorgte auch die Einrichtung von Gefahrengebiete in Hamburg Anfang des Jahres.

Die Antworten des Sächsischen Innenministers besagen, dass im Leipziger Süden seit Anfang 2013 keine Kontrollbereiche eingerichtet waren. Als „gefährlicher Ort“ war während der Fußball-WM im Juni/ Juli 2014 lediglich ein Stück der Kneipenmeile Karl-Liebknecht-Straße – zwischen Härtelstraße und Alfred-Kästner-Straße – definiert.

Ein zentraler Punkt bei der Einrichtung von Kontrollbereichen oder der Definition von „gefährlichen Orten“ ist die Frage der Transparenz. Wird Menschen, die sich in diesen Gebieten aufhalten, der Grund für Durchsuchungen genannt oder wird die Ausweisung dieser Orte vorher bekannt gemacht?
In Hamburg ist diese Praxis gängig und auch im Stadtstaat Bremen wurde unlängst eine bessere Informationspolitik angekündigt.
Die letzte Frage der Kleinen Anfrage betrifft eben jenen Punkt. Der sächsische Innenminister Ulbig verweist in seiner Antwort auf den „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“. Heißt: Hier will sich die Staatsregierung weder in die Karten gucken noch reinreden lassen.
Ich sehe das selbstverständlich anders. Wenn schon ein derartiger Generalverdacht gegen Menschen, die sich an bestimmten Orten aufhalten, ausgesprochen wird und derart tiefe Eingriffe in die informationelle Selbstbestimmung vorgenommen werden, muss die Öffentlichkeit auch informiert werden.
Viel besser wäre es allerdings, wenn diese verräumlichten und vorverlagerten Kontrollpraxen ad acta gelegt werden.

Mit der Antwort des Innenministerium gebe ich mich nicht zufrieden. Mit einer Nachfrage frage ich darum nach weiteren möglichen Rechtsgrundlagen für Kontrollen und Durchsuchungen nach Sächsischem Polizeigesetz (hier: „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ & § 28 Versammlungesetz Sachsen entsprechend § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SächsPolG bzw. Straßen von erheblicher Bedeutung für die grenzüberschreitenden Kriminalität im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SächsPolG).

Grundsätzlich ist natürlich denkbar, dass es sich bei den verdachtsunabhängigen Identitätsfeststellungen und Durchsuchungen um reine Polizeiwillkür handelt.
So oder so ist es wichtig, die Kontrollrealität nicht einfach hinzunehmen. Weder wenn sie rechtlich gedeckt ist (denn in den Kontrollbereichen, – stellen oder „gefährichen Orten“ sind Willkür und das Unterlaufen der Privatsphäre und Bewegungsfreiheit bereits eingeschrieben) und erst recht nicht, wenn sie nach Belieben der eingesetzten PolizeibeamtInnen exekutiert wird.

Die Initiative „Für das Politische“ hat darum einen Fragebogen erstellt, mit dem Kontrollen protokolliert werden können. Ziel ist es damit möglichst viele Fälle zu zählen, ggf. zu dokumentieren und auch rechtlich dagegen vorzugehen.

>>> Hinweise und Protokoll „Polizeikontrolle“

>>> Antwort auf die Kleine Anfrage: Ausweisungen und Einrichtungen von Kontrollbereichen im Stadtbezirk Süd der Stadt Leipzig (Drs-Nr. 6/22)

>>> Neu: Kleine Anfrage „Ausweisungen und Einrichtungen von Kontrollstellen und Straßen von erheblicher Bedeutung für die grenzüberschreitende Kriminalität im Stadtbezirk Süd der Stadt Leipzig“ (Drs.-Nr. 6/ 258)

2 Gedanken zu „Keine Rechtsgrundlage für Polizeikontrollen im Leipziger Süden?“

  1. Nee nee.. die haben das schon richtig gemacht. Ich frage nach 2 §§ (19,1,6 und 19,1,2) und habe in Frage 2 den falschen Paragraphen angeführt (Kontrollbereich, nach dem ich in 1 schon frage, anstatt „gefährlicher Ort“).

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