Gentrification: (k!)ein ordnungspolitisches Problem Teil 2

Die Beantwortung der Stadtrats-Anfrage zur AG Stadtentwicklung des Kriminalpräventiven Rates, die seit über einem Jahr zur Gentrifizierungs-Problematik in Connewitz arbeitet, macht Befürchtungen wahr: es soll keineswegs um die Auseinandersetzung mit Stadtentwicklungs-Fragen gehen, sondern um Ordnungspolitik.

In Leipzig beschäftigt sich der Kriminalpräventive Rat, ein gemeinsames Gremium von Stadt Leipzig und Polizei, seit Ende 2011 mit (Protesten gegen) Gentrification im Stadtteil Connewitz.  Mit einer Anfrage wollte die Stadtratsfraktion DIE LINKE Transparenz über die Zielrichtung der Arbeit der AG herstellen. (zur ausführlichen Vorgeschichte)

Im Rahmen der Stadtratssitzung am 17.4.13 wurde die Anfrage durch die Stadtverwaltung beantwortet. Zuerst stellte der Ordnungsbürgermeister klar: „[…] nach Einschätzung des KPR [sind] keine Gentrifizierungsprozesse in Leipzig zu erkennen„, um dann zur Aufgabenstellung der AG Stadtentwicklung auszuführen: „Die Arbeitsgruppe „Stadtentwicklung“ des KPR wird mit der Analyse der Ursachen der zunehmenden Gewaltbereitschaft in Connewitz sowie der Entwicklung von geeigneten Lösungsstrategien beauftragt.“
Die ursprünglich auf der Website des KPR nachzulesende Zielstellung „aktuelle Stadtentwicklungsprozesse in Connewitz zu untersuchen und Lösungsansätze für problematische Entwicklungen zu erarbeiten“ ist nunmehr vom Tisch und wurde von der Website getilgt. Was als Aufgabenstellung bleibt ist das Vorgehen gegen Sachbeschädigungen.
Fraglich ist was mit den zahlreichen Maßnahmen geschieht, die dem Kriminalpräventiven Rat im Zwischenbericht der AG vom Februar 2013 (download als pdf) vorgeschlagen wurden. Neben polizeilichen Alltagsaufgaben (z.B. „die konsequente Durchführung strafverfolgender Maßnahmen“) tangieren diese überraschenderweise eher Fragen der Stadtentwicklung/ Wohnungspolitik, z.B. „Stärkung und Förderung der Aktivitäten der Alternativen Wohnungsgenossenschaft“, „Prüfung und Schaffung von städtebaurechtlichen Rahmenbedingungen a la Milieuschutzsatzungen“. Von diesen „weichen“ Maßnahmen scheint nur die „Einrichtung eines Quartiersmangements“ übrig geblieben zu sein, das nunmehr „Kommunikationsplattform“ genannt wird und von einem „Freien Träger“ betrieben werden soll. Dieser hat dafür auf Grundlage eines eigenen Konzeptes Gelder beim Landesprogramm „Weltoffenes Sachsen“ (WOS) beantragt. Dieses Förderprogramm ist originär auf die Schaffung eine diskriminierungsfreien, demokratischen Kultur ausgerichtet. Es dürfte der sächsischen Landesregierung allerdings gut inden Kram passen, polizeiliche Vorfeldarbeit gegen vermeintlichen Linksextremismus zu finanzieren anstatt die Projekte zu sichern, die wie das Netzwerk für Demokratie und Courage (NDC) gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit arbeiten. (1)
Proteste gegen Gentrifizierung werden seit geraumer Zeit bundesweit als politisch (links) motivierte, staatsbedrohende Aktivitäten beobachtet und geahndet. Dazu passt, dass die Beschäftigung mit den Prozessen in Connewitz im Rahmen der AG Stadtentwicklung explizit von der Polizei eingebracht wurde und dass zivilgesellschaftliche Akteure aus dem Stadtteil weitestgehend außen vor blieben. Die Arbeit der AG wurde durch Gremien von Polizei und Stadtverwaltung bestimmt. Nur punktuell wurden Akteure aus Wissenschaft, lokaler Kirchgemeinde und der Immobilienfirma Hildebrand und Jürgens hinzugezogen. Dass die Interessengemeinschaft Connewitz, die einige gesellschaftliche Akteure und BewohnerInnen aus dem Stadtteil bündelt,  in der AG mitgewirkt hat, ist schlicht und ergreifend falsch, was die Verwaltung nicht davon abhält, dies trotzdem zu behaupten.
Die Antwort der Stadtverwaltung verdeutlicht, dass Befürchtungen und Ängste vor Verdrängung durch städtebauliche Aufwertung und Mietpreissteigerungen nicht ernst genommen werden. So wurde auch die Anregung aus dem wissenschaftlichen Bereich, eine detaillierte Analyse möglicher Verdrängungsprozesse vorzunehmen, bisher nicht aufgenommen.
Wie vor dem Hintergrund einer mehr als 1 Jahr währenden intransparenten Erarbeitung eines Masterplans gegen „Gewalt in Connewitz“ die Etablierung einer „Kommunikationsstruktur“ (aka Quartiersmanagement) zum Erfolg führen soll, ist mehr als fraglich, zumal sich deren Arbeit nach Vorstellung des Kriminalpräventiven Rates nicht auf die Behebung von sozialen Problemlagen richten soll, sondern faktisch auf Kriminalitätsprävention.

>>> die vollständige Antwort der Stadtverwaltung als download

(1) Das NDC muss aufgrund abgesenkter Mittel aus dem WOS vermutlich sein Leipziger Büro schließen. Siehe auch hier

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