Unterstützung von NachwuchsmusikerInnen durch Bandproberäume hat für den Leipziger Stadtrat keine Priorität

In der Ratsversammlung am 21.11.2012 wurde der Antrag der Fraktion DIE LINKE zu Bandproberäumen für Nachwuchs-/Amateurbands in Leipzig diskutiert und abgestimmt. Das Anliegen fand leider keine Mehrheit.

Es ist schade, dass die große Mehrheit des Stadtrates scheinbar kein Interesse für die Belange von NachwuchsmusikerInnen in dieser Stadt zeigt. Der Proberaummangel ist schon seit langer Zeit überaus dringlich und behindert die NachwuchsmusikerInnen, die sich in ihrer Freizeit selbst organisieren und zur kulturellen Vielfalt dieser Stadt beitragen, in ihrem Schaffen.

Der Antrag entstand Anfang des Jahres als wieder zwei private Vermieter großer Proberaumkapazitäten Kündigungen ausgesprochen hatten. Im Laufe des Jahres verloren weitere MusikerInnen durch die Schließung eines Fabrikgebäudes in der Pittlerstraße ihre Übungsräume. Bereits 2010 war mit der Insolvenz der Klavierfabrik Pianoforte im Hupfeldcenter in Böhlitz- Ehrenberg das damals größte Probezentrum, in dem 50 Bands Platz fanden, weggefallen. Weder die soziokulturellen Zentren, die wenige Räume vorhalten, noch das 2010 auf Initiative der Bandcommunity eröffnete Bandhaus in der Saarländer Straße können den Bedarf decken. Auch die jährlich von der Leisa gGmbH in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Musik und Theater herausgegebene Bandstudie beschreibt den Proberaummangel als dringlichstes Problem von NachwuchsmusikerInnen.

Mit unserem Antrag wollten wir die Stadt beauftragen, nach nutzbaren Räumlichkeiten in städtischen Liegenschaften zu suchen, die Schaffung von Proberaum-Kapazitäten in das entstehende Nutzungskonzept für das agra-Gelände einzuspeisen und private Initiativen zu unterstützen. Zwar beabsichtigt die Stadt Leipzig, in der Friederikenstraße 37 in Dölitz ein Kulturhaus zu schaffen, was die Linksfraktion auch mit einem Haushaltsantrag zur Einstellung von Planungsmitteln unterstützt. Jedoch ist hier vorrangig die Schaffung von Atelierräumen geplant, und dies ist nicht in jedem Falle mit Proberäumen kompatibel. Darüber hinaus ist nicht gewiss, ob die Liegenschaft nicht doch an private Bieter verkauft wird, und zu guter Letzt ist eine Nutzung der Räume erst 2014 realistisch. Wir brauchen allerdings schnelle und unkomplizierte Lösungen für Bands, von denen es in Leipzig zwischen 200 und 500 gibt. Bands sind laut und sie sind nicht die lukrativsten MieterInnen. Genau darum sind gerade sie immer wieder von Kündigung und Verdrängung bedroht. Und genau darum brauchen sie die Unterstützung der Kommune.

Die Fraktion DIE LINKE wird auch nach der Ablehnung des Antrages mit Vereinen und Betroffenen im Gespräch bleiben und nach Lösungen suchen.

Juliane Nagel, 26.11.2012

 

>>> Rede zum Antrag

Seit 2009 fertigt die Leisa GmbH in Kooperation mit der Hochschule für Musik und Theater in Leipzig jährlich eine Studie über die Förderung und die Situation von Musikbands an. Darin wird das recht unübersichtliche Feld der NachwuchsmusikerInnen aus dem Populärmusikbereich zu systematisieren versucht: was sind Bedürfnisse, Probleme von NachwuchsmusikerInnen in Leipzig, welche Genre bedienen sie, wie ist der Frauenanteil in den Bands,.
Die Studie stellt dabei jährlich heraus, dass der Musikunterricht an den allgemeinbildenden Schulen, insbesondere an Mittel- und Hauptschulen, kaum dazu beiträgt Kindern und Jugendlichen Inspiration und Lust auf Musik und musikalische Betätigung macht. Um so schöner ist es, dass es in Leipzig mehrere Hundert  Nachwuchsbands – die Zahl variiert zwischen 200 und 500 Bands, mit mit jeweils mehreren Mitgliedern– gibt. Zahlreiche Jugendliche und junge Erwachsene tun sich in ihrer Freizeit zusammen und machen Musik. Auch wenn die Qualität der self-made-Musik stark variiert, hat allein der Fakt des Zusammentreffens und der selbstbestimmten und kulturellen Freizeitgestaltung einen großen Wert. Wie beim Sport oder Engagement in gesellschaftlichen Initiativen oder Vereinen geht es hier um das Heraustreten aus einer reinen Konsumhaltung. Darüber hinaus ist Nachwuchsmusik ein wichtiger Bestandteil der kulturellen Vielfalt der Stadt Leipzig.
„Bandmusiker/innen sind […] wichtige Multiplikatoren für Meinungen
und das Lebensgefühl junger Menschen. Sie sind insofern relevante gesellschaftliche Akteure, die auch eine entsprechende gesellschaftliche Förderung erfahren sollten.“ heisst es in der Bandstudie von 2010.
Um einen Teilaspekt der Förderung, die Nachwuchs-Populärmusik braucht, geht es auch dem Antrag der Fraktion DIE LINKE. Nämlich um die infrastrukturelle Unterstützung von Bands in unserer Stadt. Neben der Förderung von musikalischen Kompetenzen und Auftrittsmöglichkeiten, ist die Frage der Proberäume für die Bands am prekärsten und dringlichsten.
Unser Antrag entstand bereits zum Ende des Jahres 2011. Damals waren wieder einmal große Proberaum-Kapazitäten in der Stadt weggefallen: mehr als 20 Räume in einem privat zur Verfügung gestellten Gebäudekomplex in Reudnitz und mindestens 20 Räume auf dem AGRA-GElände. Bereits  2010 hatten mindestens 50 Bands aufgrund der Insolvenz der Klavierfabrik Pianoforte ihre Übungsräume im Hupfeldcenter in Böhlitz Ehrenberg verloren. Auch die Schliessung eines Fabrikgebäudes in der Pittlerstraße wegen fehlender Brandschutzvorkehrungen in diesem Jahr  kostete einige MusikerInnen ihre Probemöglichkeiten. Genau so wenig wie die wenigen soziokulturellen Zentren, die wenige Räume für Musikbands vorhalten, kann das im Sommer 2010 auf Initiative der Bandcommunity eröffnetet Bandhaus in Leipzig Plagwitz mit seinen um die 30 Proberäumen den Bedarf bei weitem nicht decken. Mindestens eine Anfrage nach Proberäumen erreicht die Bandcommunity täglich, zitierte die LVZ die BetreiberInnen des Hauses Anfang des Jahres. Der Bedarf wächst vor allem dann, wenn wieder mal ein Privatvermieter Kündigungen ausgesprochen hat.
Denn Bands sind laut und sie sind nicht die lukrativsten MieterInnen. Genau darum sind gerade sie immer wieder von Kündigung und Verdrängung bedroht. Und genau darum brauchen sie die Unterstützung der Kommune.
Wir fordern mit unserem Antrag deshalb eine infrastrukturelle Unterstützung der vielfältigen Nachwuchs-und Amateur-Band-Szene. Einerseits geht es uns darum bei der Suche nach Liegenschaften zu unterstützen, das würde bspw. in Gebäuden der Eigenbetriebe der Stadt oder in alten Schulgebäuden, die nicht wieder in Betrieb genommen werden, funktionieren. Darüber hinaus denken wir, das in ein Nutzungskonzept für das Agra-Gelände auch die Nutzung von Gebäuden für Proberäum implementiert werden soll, genau diese Idee wurde von unserer Fraktion auch im entsprechenden Ideenworkshop vor ca. 1,5 Jahren eingespeist. Ein letzter Aspekt des Antrages fordert die Selbstverpflichtung der Verwaltung ein private Initiativen für ein vergleichbares Projekt wie es die Bandcommunity mit dem Bandhaus in der Saarländer Straße aufgebaut hat, zu unterstützen. Wir wissen, dass dies bereits passiert, wie in Bezug auf die Liegenschaft in der Friederickenstraße 37 in Dölitz, die für eine Nutzung als Kulturhaus anvisiert ist. Allerdings ist dieses Projekt einerseits vordergründig als Atelierhaus konzipiert, andererseits ist nicht gewiß, ob dieses Objekt nicht doch an private Bieter verkauft wird.
Wir wollen die Dienstleistungs-Funktion der Stadtverwaltung also festschreiben und für mögliche ProjektträgerInnen transparent gestalten.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen. Der vorliegende Antrag ist vor allem auch ein Ergebnis zahlreicher Gespräche und Problemanzeigen von betroffenen MusikerInnen und von Vereinen, die sich der Kulturförderung verschrieben haben. Wir nehmen den Proberaummangel in Leipzig als ziemlich drastisch wahr, sehen dass private Initiativen an ihre Grenzen stoßen und wollen mithilfe der Möglichkeiten, die die Stadt Leipzig hat, Abhilfe schaffen. Wir finden es nicht vertretbar, dass zumeist junge MusikerInnen, die im allerseltensten Fall mit ihrer Musik Geld verdienen, ihre Freizeit dazu nutzen müssen monatelang erfolglos nach Räumlichkeiten zu suchen. Das geht auch auf Kosten der eigentlichen musikalischen Betätigung. Wir wollen auch nicht, dass die jungen Leute sich zu vollkommen überteuerten Preisen in unzumutbare Räumlichkeiten einmieten müssen. Das hat nichts mit Rock n Roll oder jugendlicher Wildheit zu tun.
Wir wollen die künstlerische Betätigung von NachwuchsmusikerInnen in dieser Stadt honorieren und dort unterstützen, wo der Schuh wirklich drückt. Denn: die Musikstadt Leipzig besteht nicht nur aus Oper, Gewandhaus und Thomanerchor.

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