Antwort auf Anfrage zu neonazistischen Bestrebungen beim 1. FC Lok

Die Erwartungen an die Beantwortung der Stadtratsanfrage zu (organisierten) Nazis beim Leipziger Fußballverein Lok waren nicht außerordentlich hoch. Das Ergebnis allerdings ist um so ernüchternder.

Das zuständige Dezernat bzw. ignoriert die aktuellen Informationen zur Beobachtung der von Neonazis angeführten Fangruppierung Scenario Lok vollständig. So heißt es auf die Frage wie die Stadt Leipzig mit den öffentlichen Verlautbarungen des sächsischen Innenministers, dass die dominierende Lok-Ultra-Hooligan-Gruppierung Scenario Lok vom Verfassungsschutz beobachtet wird und nach direkter Auskunft an die Leipziger Internetzeitung als „rechtsextremistisch“ eingestuft wird, lapidar: „Das Landesamt für Verfassungsschutz hat an die Stadt Leipzig bisher keine Erkenntnisse hinsichtlich beobachteter Fangruppierungen des 1. FC Lok übermittelt“.
Diese „Auskunft“ zeugt angesichts der angeführten öffentlichen Belege von ziemlich dicken Scheuklappen. Zudem wird die eigentlich gestellte Frage damit nicht beantwortet.

Noch verrückter wird es allerdings wenn auf die Frage nach Interventionsmöglichkeiten der Stadt gegen entsprechende Bestrebungen in Vereinen, die durch Sportförderung bedacht werden, geantwortet wird, dass es sich um „Fangruppierungen im Umfeld des Sportvereins 1. FC Lok, ohne aber zugehörig zu sein und ohne dass das Einverständnis des Vereins für diese einseitige Sympathie vorliegt“.  handelt. Auch der Stadt dürfte nicht entgangen sein, dass Scenario den Lok-Fanblock Spiel für Spiel dominiert. Beim Stadtderby gegen RB Leipzig am 2.9.2012 trugen Spieler und BetreuerInnen des Vereins darüber hinaus die T-Shirts von Scenario mit der Aufschrift „Leipziger Tradition“. Diese Shirts hatten ihr öffentliches Debüt zwei Wochen vorher bei einer Sommerparty der Gruppierung im Nazizentrum in der Odermannstraße. Im Zusammenhang mit dieser Veranstaltung wurden Menschen von Scenario-Nazis aktiv bedroht und sogar angegriffen.
Zwar bekundet die Stadt, dass die Vereinsspitze von Lok „extremistische Unterwanderungsbestrebungen“ nicht gutheißt noch mittelbar begünstigt, doch der Blick der Stadt endet wie der des Vereins am Ausgang des Stadions. So heißt es im O-Ton der Antwort auf die Anfrage: „die zuletzt bekannt gewordenen Ereignisse“ hätten „unabhängig von oder im Umfeld von Fußballspielen, nicht aber im Stadion“ stattgefunden.
Ist ihnen noch nicht aufgefallen, dass der Kapo von Scenario Lok, Marcus W., ein bekannter Neonazi ist, der bei zentralen Naziaufmärschen auch Funktionen übernimmt (z.B. als Ordner beim neonazistischen „Tag der Identität“ im August 2011 in Geithain, beim „Trauermarsch“ im Januar 2012 in Magdeburg und im Februar 2012 in Dresden und zuletzt bei einer Nazi-Kundgebung zum „Antikriegstag“ im September in Dortmund)? Warum darf Scenario für das benannte T-Shirt das Vereinslogo nutzen, Verkaufsstände bei Lok-Spielen machen und im Stadion ungestört zwielichtige Choreografien präsentieren?

Die Aktivitäten von Scenario enden nicht am Ausgang des Stadions und sind als Ganzes zu betrachten Ein bisschen mehr Weitsicht wäre hier wünschenswert.
Als die Fangruppe, die mit Gesängen und Choreografien, das Fanleben bestimmen, sind sie zentrale Identifikationsfiguren insbesondere für  junge Fans. Scenario beherrscht die Methode der Heranführung von Fans an die rechte Szene genauso wie sie die NPD propagiert. Allerdings hat Scenario  aus dem Umgang des Vereins mit der sich offen neonazistisch gebenden Fangruppierung Blue Caps, gegen deren Protagonisten Enrico B. Hausverbot erlassen und deren Symboliken im Stadion verboten wurden, eines gelernt: Nazibezüge werden nicht oder nur verschlüsselt ins Sportgeschehen eingespeist, das Wichtige passiert draussen und wenn möglich ohne direkte Bezüge zur Gruppe selbst. Dumm nur, dass einige Anhänger sich bei benannter „Party“-Nacht in der Odermannstraße 8 identifizierbar machten und das bestätigten, was kundige BeobachterInnen der Szene schon lange wissen: die Naziverbindung ist ungebrochen.

Die in der Stadtverwaltung Zuständigen wollen davon nichts wissen und nehmen den Verein aus der Verantwortung.
In der Antwort auf Frage 4 – nach Präventionsangeboten gegen Neonazismus und Diskriminierung für Fußballvereine –  wird unter Bezugnahme auf das seit einem Jahr von der Outlaw gGmbH verantwortete offizielle Fußballfanprojekt der Stadt zumindest eingeräumt, dass der 1. FC LOK „gegenüber diesem Träger skeptisch war und ist“. Das ist natürlich untertrieben, denn bekanntlich blockiert Lok die Zusammenarbeit mit dem explizit auf Antidiskriminierung und Gewaltprävention ausgerichteten Fanprojekt. Auch das entspricht der Linie von Scenario Lok, die in Choreografien im Stadion mehrfach gegen das vermeintlich „linke Fanprojekt“ agitierten.
Der 1. FC Lok setzt stattdessen augenscheinlich auf die fragwürdigen Kompetenzen des Leiters des ehemaligen Fanprojektes, das über Jahre gelinde gesagt mangelnde Distanz zu Nazis pflegte. Udo Ueberschär ist seit längerem als vereinseigener Fanbeauftragter im Gespräch. Mit einem Förderantrag für ein eigenes Fanprojekt wollte Lok ihm offenkundig auch eine finanzielle Basis verschaffen. Dies scheiterte glücklicherweise, der Antrag wurde abgelehnt.
Es bleibt zu hoffen, dass Verein und Stadt sich der Problemlage bewusst werden und intervenieren. Die Stimmen in Richtung Lok, die auf eine Kooperation mit dem Fanprojekt drängen, mehren sich zumindest. Das wäre ein erster richtiger Schritt und ein Signal an die Fans, die sich von Scenario distanzieren und darum z.T. auch unter Druck das Stadion verlassen haben.

>>> Antwort auf die Stadtratsanfrage: download als pdf (1,7 MB)

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