Strukturelles Versagen ist auch Ergebnis der Sparpolitik – sachliche Aufarbeitung im Fall der so genannten Leipziger Kinderbande notwendig

Zur Debatte um die Arbeitsweise des Leipziger Jugendamtes fordern die LINKE-JugendpolitikerInnen Rüdiger Ulrich und Juliane Nagel Transparenz und eine fachliche Fehleranalyse anstelle von aufgeregten, populistischen Einlassungen und Schuldzuweisungen

Rüdiger Ulrich und Juliane Nagel fordern für die kommende Sitzung des Jugendhilfeausschusses eine lückenlose Aufarbeitung in Sachen „Kinderbande“. Dazu wurde dem Dezernenten Prof. Fabian ein Fragenkatalog übergeben.
„Als FachpolitikerInnen können wir uns nicht auf die verschiedenen Aussagen stützen, die in der Presse abgebildet sind. Wir benötigen eine handfeste Grundlage, anhand derer wir den Fall und das Verfahren im Amt für Jugend, Familie und Bildung eingeschlossen des Allgemeinen Sozialdienstes einschätzen können. Erst dann sind wir auch in der Lage, personelle Konsequenzen zu fordern – oder eben nicht.“
Ulrich und Nagel weisen darauf hin, dass das Amt sehr wohl tätig geworden ist, indem es die Kinder stationär in einer intensiv-pädagogischen Jugendhilfeeinrichtung untergebracht und sich schlussendlich für eine Trennung der Zwillinge und die Unterbringung außerhalb Leipzigs entschieden hat. Ob dies zu spät geschah, wird nach Sichtung der Antworten zu prüfen sein. Die Einlassung des Polizeipräsidenten Horst Wawrzynski, der in seinem Brief an den Sozialdezernenten Thomas Fabian „das Abwarten einer Entscheidung des Familiengerichts“ bezüglich einer geschlossenen Unterbringung der beiden Zwillinge als „keinesfalls sachgerecht“ bezeichnet hatte, weisen die beiden zurück. Alleine das Familiengericht kann eine solche Maßnahme final anordnen. Darüber hinaus kann und darf die geschlossene Unterbringung nur ein allerletztes Mittel in einer langen Reihe von Unterstützungsangeboten der Jugendhilfe sein.

Die beiden LINKE-PolitikerInnen, die für ihre Partei im Jugendhilfeausschuss der Stadt Leipzig sitzen, erinnern im Zusammenhang mit der aktuellen Debatte an den Druck, der seitens der CDU vor zwei Jahren wegen vermeintlich zu hoher Kosten bei den Hilfen zur Erziehung gemacht wurde. Dieser allgegenwärtige Druck zur Kostensenkung hat dazu geführt, dass Hilfen in Leipzig seltener gewährt werden, obwohl sie fachlich notwendig sind.
Anbieter von Hilfen zur Erziehung berichten in Bezug auf den ASD immer wieder von dessen sinkender Bereitschaft und viel zu langen Verfahrenswegen bei der Gewährung dieser Hilfemaßnahmen. Dies geschieht letztendlich zuungunsten des Wohles von Kindern bzw. Jugendlichen und auch der Allgemeinheit.
„Wir brauchen einen fachlich und personell gut aufgestellten ASD, der die zentrale Instanz bei der Feststellung der Kindeswohlgefährdung und der Vermittlung in weiterführende Hilfen ist. Eine umfassende kritische Überprüfung der ASD-Prozess- und Verfahrensstandards sowie eine bessere personelle Ausstattung und die Stabilisierung der Strukturen des ASD sind dafür dringend erforderlich. Seit dessen Umstrukturierung 2010 liegt hier einiges im Argen. MitarbeiterInnen leiden unter personellen Engpässen, mit der Folge von Vertretungen, wodurch es schwer ist, die Kontinuität der Fallbearbeitung aufrecht zu erhalten. Diese Probleme wurden von der Verwaltung in der Vergangenheit systematisch gedeckelt.“

Im Zuge der Aufarbeitung des Falls der verstorbenen suchtkranken Mutter und ihres Kindes in Leipzig-Gohlis hat das Amt für Jugend, Familie und Bildung den Weg einer fundierten Problemanalyse eingeschlagen. So unterbreitete der Erziehungswissenschaftler Prof. Reinhart Wolff dem Jugendamt in einer gutachterlichen Stellungnahme jüngst ernstzunehmende Vorschläge.

„Wir fordern vom Amt für Jugend, Familie und Bildung die Politik künftig selbstständig, frühzeitig und verlässlich zu informieren. Außerdem fordern wir im „Kinderbande“-Fall eine kritische Aufarbeitung des Handelns der zuständigen städtischen Institutionen und die Einleitung von konkreten Maßnahmen u.a. durch die Umsetzung der benannten Vorschläge von Prof. Wolff.

Wir hoffen, dass die weitere öffentliche Debatte um das Handeln des Jugendamtes weniger von aufgeregten, populistischen Einlassungen und Schuldzuweisungen geprägt wird. Das schadet allen Beteiligten und verhindert eine fachliche Fehler-Analyse.“

Pressemitteilung, 1.10.2012

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