Sächsische Aufnahmebereitschaft (oder auch nicht): Sammlung kommunaler Entscheidungen zur Aufnahme von Geflüchteten

Die Bundesrepublik hat nach massivem zivilgesellschaftlichen Druck die Zusage gemacht insgesamt 2750 Geflüchtete aus den EU-Elendslagern von den griechischen Inseln aufzunehmen, 1.553 Menschen aus 408 Familien, die durch Griechenland bereits als Schutzberechtigte anerkannt worden sind sowie ein Kontingent von 150 unbegleiteten Minderjährigen sowie 960, deren Aufnahme bereits im März zugesagt wurde.
Etwa 200 Kommunen in Deutschland haben sich zur Aufnahme von Geflüchteten aus den Elendslagern in Griechenland bereit erklärt, es könnten also wesentlich mehr Menschen kommen, was angesichts der sich immer weiter verschlechternden Lage vor Ort absolut notwendig wäre.
Die Bewegung von Städten, die in Not geratene Geflüchtete aufnehmen wollen, begann 2018 aufgrund der Blockadehaltung vor allem Italiens aus Seenot gerettete Menschen anlanden zu lassen und EU wie auch die Bundesrepublik zunächst untätig blieben. 
An dieser Stelle dokumentiere ich kommunale Entscheidungen Sachsen zu „sicheren Häfen“ und zur Aufnahme aus den EU-Hotspots:

 
0. Sachsen 
Sachsen nimmt nach Bekunden der Koalition 70 Menschen von den griechischen Inseln auf, nach dem Brand von Moria kamen nochmal 75 Personen dazu. Das entspricht gemessen an der Gesamtzahl der Geflüchteten, die Deutschland aufnehmen will, in etwa der Zahl, die nach Königssteiner Schlüssel sowieso nach Sachsen zugewiesen werden würden (5% von 2750). 
Den Antrag der Linksfraktion im Sächsischen Landtag ein Landesaufnahmeprogramm für 500 Geflüchtete aus den griechischen Elendslagern nach dem Vorbild von Berlin und Thüringen aufzulegen, lehnten Kenia-Koalition und AfD ab. 
 
1. Stadt Leipzig 
Die Stadt Leipzig hat sich mit einer Erklärung der Fraktionsvorsitzenden von LINKE, Grünen, SPD  CDU, Freibeutern und dem Oberbürgermeister im März 2020 zur Aufnahme von 20 Kindern aus den griechischen Lagern bereit erklärt: https://www.l-iz.de/politik/engagement/2020/03/Leipziger-Resolution-zur-Aufnahme-von-Kindern-und-Jugendlichen-aus-griechischen-Fluechtlingslagern-und-linke-Unterstuetzung-fuer-Mission-Lifeline-323861
Der Erklärung basiert auf dem Stadtratsbeschluss aus dem März 2019 , mit dem die Stadt Leipzig sich zum „sicheren Hafen“ und die Bereitschaft erklärte, jährlich 100 Menschen zusätzlich aufzunehmen. (zum Beschluss: https://ratsinfo.leipzig.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=1010695) 
 
2. Stadt Dresden 
Die Landeshauptstadt Dresden hat sich infolge eines Beschlusses des Jugendhilfeausschusses im März 2020 bereit erklärt 20 geflüchtete Kinder aus den griechischen Lagern aufzunehmen. 
Nachdem eine fraktionsübergreifende Initiative Dresden zum sicheren Hafen zu machen und die Seenotrettungs-NGO Mission lifeline zu unterstützen im November 2018 im Stadtrat scheiterte, steht am 26.11.20 eine neue Initiative zur Entscheidung.
 
3. Stadt Chemnitz
Der Stadtrat Chemnitz hat die OBM am 29.4.20 beauftragt „gegenüber der Sächsischen Staatsregierung und der Bundesregierung die Bereitschaft zu erklären, zunächst im Jahr 2020 je Quartal drei unbegleitete minderjährige Geflüchtete bis 14 Jahre aus Flüchtlingslagern in Griechenland zusätzlich in Chemnitz aufzunehmen und damit Aufnahmeprogramme des Bundes und/oderdes Landes aktiv zu unterstützen.“ (zum Beschluss: https://session-bi.stadt-chemnitz.de/getfile.php?id=7111540&type=do&)
Die Initiative Chemnitz zum sicheren Hafen zu machen, scheiterte dagegen im Oktober 2020. (zum Antrag: https://session-bi.stadt-chemnitz.de/getfile.php?id=7119520&type=do&)
 
4. Landkreis Erzgebirge 
Der Kreistag des Erzgebirgskreises hat am 24. Juni 2020 mit Stimmen von CDU/AfD/NPD den Antrag von LINKE/Grünen und SPD-Rat Sören Wittig abgelehnt, 30 Geflüchtete aus den griechischen Lagern aufzunehmen. (zur Information/ Antrag: https://www.dielinke-kreistagsfraktion-erzgebirgskreis.de/aktuell/detail/article/bericht-zur-kreistagssitzung-vom-24062020/)
 
5. Kreistag Bautzen 
Der Kreistag Bautzen lehnte Ende September 2020 den Antrag der Grünen zur Aufnahme von zusätzlichen 10 Geflüchteten aus den griechischen Lagern ab. (Information: https://www.saechsische.de/bautzen/politik/kreistag-bautzen-gegen-aufnahme-junger-fluechtlinge-5284475-plus.html)
 
6. Landkreis Nordsachsen
Die Linksfraktion hat einen Antrag in den Kreistag eingebracht, mit dem der Landkreis Nordsachsen seine Bereitschaft erklären soll, angesichts der prekären Situation in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln, speziell im Umfeld des zerstörten Lagers Moria auf Lesbos, temporär ein begrenztes Kontingent von maximal 20 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen oder maximal 20 Flüchtlings-Familien mit Kindern aufzunehmen. (zum Antrag: https://www.linksfraktion-nordsachsen.de/nc/presse/detail/news/pruefauftrag-zur-aufnahme-von-fluechtlingen-aus-griechischen-lagern-in-nordsachsen0/)
Der Antrag wurde am 14.10.2020 mit 9 : 40 : 13 abgelehnt.
 

7. Landkreis Leipzig
LINKE und Grüne haben im Kreistag beantragt zusätzlich Geflüchtete von den griechischen Inseln aufzunehmen (https://www.facebook.com/dielinke.westsachsen/posts/3844002742281912).
Status: unbekannt

8. Stadtrat Görlitz
Die LINKE hat im Görlitzer Stadtrat beantragt, dass die Stadt zusätzlich Geflüchtete aus Moria aufnimmt. (Info: https://www.linksfraktion-goerlitz.de/presse/aktuell/news/linksfraktion-will-dass-goerlitz-sich-dem-staedtebuendnis-staedte-sicherer-haefen-anschliesst/)
Status: unbekannt
Bereits im Januar 2020 hatte der Kreistag Görlitz den Vorstoß der Linksfraktion abgelehnt den Landkreis zum „sicheren Hafen für aus Seenot gerettete Geflüchtete“ zu erklären. (zur Initiative: https://m.dielinke-kreistagsfraktion-goerlitz.de/pressemitteilungen/article/katrin-cordts-landkreis-goerlitz-soll-initiative-seebruecke-unterstuetzen/)
 
>>> wer zusätzliche Informationen hat oder selbst kommunal aktiv werden will, möge sich melden.
 
Annex:
Kommunen und Bundesländer können nicht einfach nach ihren Wünschen Geflüchtete aufnehmen. § 23 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) ermöglicht die humanitäre Aufnahme von Geflüchteten auf Grundlage einer Aufnahmeanordnung durch die obersten Landesbehörden. Mit eigenen Landesaufnahmeprogrammen hatten in diesem Jahr Berlin und Thüringen beim Bund Druck gemacht über diesen Weg Geflüchtete aus Griechenland aufnehmen zu können. Laut zwei Rechtsgutachten entspräche es der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung, dass die Aufnahme von Flüchtenden aus den überfüllten Lagern auf den griechischen Inseln von der Bundesregierung nicht verweigert werden darf. Der Ermessenspielraum des Bundesinnenministerium zur Ablehnung des Einvernehmens mit einem Landesaufnahmeprogramm sei sowohl inhaltlich, als auch verfahrenstechnisch begrenzt. Landesaufnahmeprogramme seien demnach Zeichen gelebter Solidarität und Ausdruck der Eigenstaatlichkeit der Länder nach Artikel 30 des Grundgesetzes.
Bundesinnenminister Seehofer hat sein Einvernehmen für diese Programme allerdings versagt. Die Koalitionspartner*innen aus Berlin, Bremen und Thüringen kündigten dagegen rechtliche Schritte an.
Eine Gesetzesinitiative im Bundesrat das im Aufenthaltsgesetz vorgesehene „Einvernehmen“ des Bundesinnenministeriums durch ein einfaches „Benehmen“ zu ersetzen, war im September gescheitert. Auch Sachsen stimmte dagegen.

Von kommunaler Ebene wird ebenfalls Druck für die zusätzliche Aufnahme von Geflüchteten gemacht. Aus diesem Grund hat sich im Juni 2019 das Bündnis „Städte sicherer Häfen“ gegründet, das Lobbyarbeit für mehr Entscheidungsspielraum der Städte und Druck aufs Bundesinnenministerium macht. Aus Sachsen ist einzig die Stadt Leipzig seit Oktober 2020 Mitglied in diesem Bündnis.

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