Neue Wege im Umgang mit Graffiti

Unerwartet folgte der Stadtrat am 19.3. einem Änderungsantrag der Linksfraktion zum SPD-Antrag „Präventive Graffiti-Projekte“. Damit wird der im Ergebnis der Sicherheitskonferenz des Kriminalpräventiven Rates im Dezember 2013 eingeschlagene Weg eines Kurswechsels im Umgang mit Graffiti untersetzt

Meine Rede zum Änderungsantrag der Linksfraktion (hier klicken) zum SPD-Antrag „Präventive Graffiti-Projekte“ (hier klicken). Schon der Verwaltungsstandpunkt zu diesem Antrag war bemerkenswert (hier klicken).

„Als Linksfraktion begrüßen wir den Antrag der SPD und wir begrüßen den Paradigmenwechsel im Umgang mit Graffiti, der im Ergebnis 30. Sicherheitskonferenz des KPR im Dezember letzten Jahres angekündigt wurde.

Die Bekämpfung illegaler Graffiti war und ist schon lange das Leitbild der Stadt Leipzig. Mit dieser einseitigen Linie kann allerdings die Ambivalenz des Sprayens nicht erfasst werden. Denn: Graffiti bedeutet nicht nur Sachbeschädigung und Kräftemessen zwischen verschiedenen Sprayer-Crews, die hier und da ihre Spuren hinterlassen. Graffiti als künstlerische und jugendkulturelle Ausdrucksform hat eine lange Tradition und hat seine Beliebtheit unter jungen Menschen über Jahrzehnte nicht eingebüßt. Mit dem vorrangig repressiv ausgerichteten Ansatz ist es augenscheinlich nicht gelungen jungen und auch älteren Leuten die Lust auf Sprayen zu nehmen.

Auf der anderen Seite müssen auch Stadtverwaltung und Polizei eingestehen, dass die beiden im SPD-Antrag erwähnten Präventionsprojekte „Mein Bild von der Stadt“ und „spray today“ nicht in der Lage sind alle Zielgruppen zu erreichen, die sie erreichen wollen bzw die es nötig wäre zu erreichen. Dies ist aus sozialpädagogischer Sicht nachvollziehbar: der erhobene Zeigefinger und polizeiliche Gefährdeansprachen sind für Jugendliche, die vielleicht schon illegal aktiv sind oder waren, keine adäquaten Mittel. Die Verdammung von Graffiti führt eher zu Trotzreaktionen, was sich negativ im Stadtbild niederschlägt, aber auch Risiken gesundheitlicher Art und negative biografische Einschnitte bei jungen Leuten nach sich zieht.

Hier setzt die Linksfraktion mit ihrem Änderungsantrag an:

Wir unterstützen die Forderung der SPD neue Flächen für legale Graffiti-Betätigung einzurichten. In Antwort auf die Anfrage meiner Fraktion im Mai 2013 wurde lediglich eine legale Wand im Stadtgebiet aufgeführt, die Wall of fame am Werk II. Das ist für eine Großstadt für Leipzig lächerlich. Blickt man auf die rege genutzten Ausprobierflächen, die sich hier und da an Jugend- oder Kulturzentren – zb am Heizhaus in Grünau oder an der Gieszerstraße 16 in Plagwitz – finden, dürfte klar sein, dass wir hier aufsatteln müssen.

Der kleine feine Unterschied zur Formulierung im SPD-Antrag ist, dass wir neue Wände für legale Graffiti-Kunst nicht im Rahmen der polizeilichen Präventionsprojekte schaffen wollen. Erfolgversprechender ist es diese neuen Wände von sozialpädagogisch oder soziokulturell ausgerichteten Akteuren betreuen zu lassen.

Im CDU-regierten Dresden wurde dieser Tage die Einrichtung eines Graffiti-Parks ankündigt, das vierte Projekt dieser Art in der Landeshauptstadt. Auf 2000 Quadratmetern werden junge Leute sich hier ausprobieren und Kunstwerke gestalten können (hier klicken). Verwaltet und betreut wird das Projekt von dem Jugendverein SPIKE e.V., der auch auf der eingangs erwähnten Sicherheitskonferenz des KPR zu Gast war. Vertrauen in die Sprayer-Szene können die MitarbeiterInnen von SPIKE e.V. durch ihre lebensweltliche Nähe zu ihrem Klientel herstellen. Akzeptanz und nicht der Zeigefinger sind das Erfolgsrezept. Akzeptanz heißt dabei nicht illegales Sprayen zu befördern oder zu tolerieren, sondern legale Alternativen aufzuzeigen und den Weg in eine kriminelle Karriere abzuschneiden, bevor diese überhaupt zum Tragen kommt.

Wir nehmen uns im zweiten Punkt unseres Änderungsantrages diesen Ansatz zum Vorbild und schlagen vor, dass ein freier Träger der Jugend- und/oder Kulturarbeit mit der Erarbeitung eines nicht-repressiven Präventionskonzeptes beauftragt wird und gleichsam als zu Polizei/ KPR gleichberechtiger Ansprechpartner für – sozialpädagogisch ausgerichtete – Präventionsarbeit fungiert. Aufklärungsarbeit in Schulen und Jugendeinrichtungen, Zielgruppenansprache und die Suche nach und Betreuung von neuen legalen Flächen könnten zum Aufgabenspektrum dieser Stelle gehören.

Mit diesem Vorschlag wollen wir die angekündigte Kurskorrektur im Umgang mit Graffiti strukturell untersetzen. Ohne dass es verlässliche und auch finanzierte AnsprechpartnerInnen gibt, scheint uns diese Aufgabe kaum bewältigbar.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen sie uns den von der Sicherheitskonferenz des Kriminalpräventiven Rates gewiesenen neuen Weg im Umgang mit Graffiti untersetzen und uns damit als Stadtrat auch ein wenig mehr Einflussnahme auf diese Prozesse zurückgewinnen.

Der Antrag wurde unerwartet mit 26:22:1 (Punkt 1) und 25:24 (Punkt 2) angenommen.

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