LINKE-Politiker Bodo Ramelow darf ausspioniert werden

Unerwartet urteilte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 21.7. , dass die Beobachtung des Linkspartei-Politiker Bodo Ramelow durch den Verfassungsschutz rechtmäßig ist.  Der 6. Senat hob damit ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster auf, nach dem keine persönlichen, öffentlich zugänglichen Informationen über den ehemaligen Bundestagsabgeordneten und jetzigen Fraktionschef der LINKEN im Landtag Thüringen Bodo Ramelow gesammelt werden dürfen.

Das OVG Münster gab Ramelow 2009 persönlich Recht, betonte aber gleichzeitig, es gebe „tatsächliche Anhaltspunkte“ für eine Verfassungsfeindlichkeit der Gesamtpartei Die Linke. Diese dürfe daher weiter beobachtet werden. Beide Seiten riefen daraufhin die nächste Instanz an.

„Die Beobachtung der Partei die Linke durch den Geheimdienst ist ein Anachronismus. 20 Jahre nach dem Fall der Mauer sollte dieser seinen Kalten Krieg beenden.“ so kommentiert der nicht für eine Linken-Affinität bekannte Tagesspiegel zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes. „So ein bescheuertes Urteil! (…) Deutlicher als mit der Überwachung der Linken, kann man auch kaum zeigen, wie der Verfassungsschutz in den politischen Meinungskampf eingreift und ihn verzerrt.“ findet die taz deutliche Worte. In der Frankfurter Rundschau wurde der Sachverhalt an sich im Vorfeld eine ziemlich gut beleuchtet )Artikel „Unter Umsturzverdacht“ von Jörg Schindler).

Auch das Leipziger Uni-Radio Mephisto hat sich dem Fall gewidmet und auch mich befragt [Audio].

Hier der gesamte Beitrag (Mittwoch, 21. Juli 2010, http://mephisto976.uni-leipzig.de)

Linke unter Beobachtung

Seit 2003 ist bekannt, dass der Fraktionschef der Thüringer Linke Bodo Ramelow vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet wird. Der Grund dafür sind angebliche verfassungsfeindliche Tendenzen von Gruppen und Organisationen, die sich unter dem Dach der Partei Die Linke bewegen. Dazu gehören die Kommunistische Plattform, das Marxistische Forum und die Linksjugend. Deren Einfluss auf die Parteiführung sieht der Verfassungsschutz kritisch. Über Ramelow sammelte die Behörde allerdings nur Material aus öffentlich zugänglichen Quellen.

Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages sind nach Artikel 38 des Grundgesetzes „Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“ Nach dem heutigen Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes spricht das Gesetz nicht dagegen, dass Abgeordnete durch den Verfassungsschutz beobachtet werden.

Grundsatzentscheidung gewünscht

Bodo Ramelow hatte auf eine Grundsatzentscheidung gehofft. Auf seiner Internetpräsenz heißt es: „Es ist ein Verfahren mit besonderem Gewicht, das weit über die Person Bodo Ramelow hinaus geht. […] Jetzt muss das Bundesverwaltungsgericht entscheiden, inwieweit überhaupt eine Überwachung der Partei zulässig ist.“ In den bisherigen Entscheiden haben die Gerichte lediglich über den Einzelfall Ramelow geurteilt.

Gerichtsentscheide 2008/09

2008 hatte das Kölner Verwaltungsgericht festgestellt, „dass die Sammlung personenbezogener Informationen über den Kläger durch das Bundesamt für Verfassungsschutz rechtswidrig ist“. Darunter fielen für die Richter in Köln alle Informationen aus Ramelows Zeit als Landtags- und Bundestagsabgeordneter. Im Februar 2009 schloss sich das Oberverwaltungsgericht in Münster dem Urteil an: „Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf den Bundestagsabgeordneten Bodo Ramelow, Die Linke, nicht mehr beobachten.“ Dagegen ging das Bundesamt für Verfassungsschutz in Revision.

Verfassungschutz im Recht

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig widerlegte diese Urteile nun. Im Einzelfall Ramelow sei die Überwachung recht- und verhältnismäßig. Damit ging das Gericht nicht auf die Argumentation des Anwalts von Ramelow ein, dass für eine Beobachtung von Abgeordneten ein eindeutiges Gesetz notwendig sei. Der Schutz des freien Mandats stehe nicht über dem Schutz der Demokratie.
Aber auch was die Beobachtung der Partei Die Linke anbelangt, sei das Bundesamt im Recht. Bodo Ramelow kündigte nach der Urteilsverkündung an, sicht nicht mit dem Urteil zufrieden zu geben. Er will vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ziehen. (Mechthild Puhlmann)

mephisto 97.6-Redakteur Christoph Kotschate war bei der Verhandlung im Bundesverwaltungsgericht dabei und berichtet vom Urteilsspruch. Hier hören Sie das Gespräch und Interviews mit Bodo Ramelow vor dem Urteil und der Leipziger Stadträtin der Linken, Juliane Nagel, nach der Urteilsverkündung: Link

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