Am 31. Juli ist es wieder soweit: die Global Space Odyssey (GSO), eine kulturpolitische Demonstration, zieht durch Leipzig. Mit ihrem Aufruf fordert die GSO Freiräume für Kultur und richtet sich gegen die zunehmende Prekarisierung von Arbeits- und Lebensverhältnissen und gegen Kürzungen im sozialen, Bildungs- und Kulturbereich Seit mehreren Jahren wird die GSO jährlich von Kulturschaffenden und kulturpolitisch Aktiven organisiert. Sie fungiert darüber hinaus als organisatorische und Netzwerk-Plattform der nicht-institutionalisierten, selbstorganisierten Kulturszene in der Stadt.
In diesem Jahr richtet die Global Space Odyssey mit ihrem Aufruf den Blick auf aktuelle gesellschaftliche Problemlagen und richtet klare Worte gegen die fortschreitende Prekarisierung der Arbeits- und Lebensverhältnisse und gegen die von sächsischer Landesregierung und Bundesregierung geplanten Kürzungen im sozialen Bereich sowie bei Bildung und Kultur. Im Mittelpunkt steht außerdem die Forderung nach freier Entfaltung selbstorganisierter Kultur. Hier gibt es noch vielerlei Problemlagen. So sind die Veranstaltungsräume, die im Vorfeld der Global Space Odyssey 2009 auf Weisung des Bauordnungsamtes geschlossen wurden – die Gieszer 16, Damenhandschuhfabrik und Superkronik – ihre Probleme ein Jahr später immer noch nicht komplett los und müssen teilweise massive Einschränkungen in ihrem Veranstaltungsbetrieb hinnehmen.
Ungeklärt bleibt bis dato auch das Problem fehlender Möglichkeiten von Kulturveranstaltungen im Freien, die in den warmen Monaten immer wieder spontan und unangemeldet stattfinden. Zumeist werden solche Veranstaltungen polizeilich aufgelöst und gegen mutmaßliche VeranstalterInnen Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet. Die, die den Schritt in die Legalität gehen und ihre Freiluft-Veranstaltungen anmelden wollen, scheitern an zahllosen bürokratischen Hürden. Um dieses Problem anzugehen legte die Global Space Odyssey zum Jahreswechsel ein Konzept für selbst verwaltete Freifläche(n) für Kulturveranstaltungen in Leipzig vor und trat damit in Kommunikation mit den verantwortlichen Institutionen der Stadt. Das Ordnungsamt prüft den Vorschlag wohlwollend, nach über sieben Monaten gibt es allerdings immer noch kein Ergebnis.
In der Konzeption wird der Anspruch formuliert, in den Monaten April bis September mindestens eine Freifläche legal nutzen zu können. Diese soll von einem Verein verwaltetet werden, an den sich die an der Nutzung interessierten AusrichterInnen nicht-kommerzieller Kulturveranstaltungen wenden können. Der Verein würden gegenüber der Stadt Sorge für einen verantwortungsvollen Umgang der NutzerInnen mit Umwelt, AnwohnerInnen etc. tragen.
„Die Einrichtung von legalen Freiflächen ist eine originäre Forderung der Global Space Odyssey. Wir wollen damit bürokratiearme Freiräume für junge Kultur schaffen. In so vielen anderen Bereichen hat sich erwiesen, dass Verbote die falsche Antwort auf gesellschaftlich etablierte Praxen sind. Warum lenkt die Stadt in Sachen Kultur-Freiflächen nicht endlich wohlwollend ein?
Das von uns vorgeschlagene Modell würde zudem zivilgesellschaftliche Strukturen stärken, die sich selbst organisatorisch, kooperativ und ehrenamtlich um ihre Belange kümmern. Einer Stadt wie Leipzig, die so großen Wert auf bürgerschaftliches Engagement und demokratische Traditionen legt, stünde ein solches Projekt gut zu Gesicht.“ so Frank Ulrich, Jan Stern und Juliane Nagel, die das Konzept im Namen der GSO verfasst haben.
-> Konzept als pdf
-> Über die trügerische Freiheit, sich selbst zu verwirklichen – Zur Global Space Odyssey 2010 in Leipzig – Interview, MoMa, Radio Corax am 27.7.2010 als mp3
-> und der Aufruf zur Global Space Odyssey 2010 – 24/7 Kultu(h)r tickt anders
Schneller, höher, weiter – das Tempo zieht an. Jederzeit erreichbar, jederzeit abrufbar, flexibel, energetisch und voller Ideen. Die Grenzen zwischen Arbeitswelt, Freizeit und Hobby verschwimmen, dagegen sinken die Chancen auf ein gesichertes Einkommen. Mit der trügerischen Freiheit, sich selbst zu verwirklichen, geht mehr und mehr Unsicherheit einher. Schließlich bleibt jeder und jede darauf angewiesen, die Früchte seiner bzw. ihrer Tätigkeit zu verkaufen. Die Freiheit der selbstbestimmten Kreativität endet dort, wo es um die materielle Existenz geht.
Im Übergang von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft sind traditionelle Lebensabläufe unter die Räder gekommen, doch die neue Welt der ungeraden Lebenswege geht mit einem enormen Leistungsdruck einher, dem viele nicht standhalten. Wer sich und seine Fähigkeiten nicht gut verkaufen kann, kommt aufs Abstellgleis und muss sich mit schlecht bezahlten Jobs oder Hartz IV arrangieren. Gleichzeitig spart der Staat an allen Ecken und Enden bei der sozialen Fürsorge, der Bildung und der öffentlichen Infrastruktur.
Ist das die Freiheit, die wir meinen? Die Freiheit, 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche leistungsfähig, besser als die anderen und abhängig vom wirtschaftlichen Marktgeschehen und staatlichen Zugeständnissen zu sein?
Unser Spaß sieht anders aus!
Wir leben rund um die Uhr – 24/7 – für unsere Kultur und damit für einen alternativen gesellschaftlichen Weg. Die Freiheit, die wir meinen, ist verbunden mit der Idee von Gerechtigkeit und Solidarität. Denn Gesellschaft kann auch anders funktionieren. Wenn Menschen ihre Fähigkeiten frei entfalten könnten, wenn der Druck des kapitalistischen Diktates, der Druck, sich und seine Arbeitskraft für so viele überflüssige Dinge zu Markte zu tragen, verschwinden würde, könnte das Leben einfacher und schöner sein. Denn die Kreativität und Schaffenskraft, die uns erfüllt, ist kein sinnloses Randprodukt, sondern ein wertvoller gesellschaftlicher Beitrag.
In der Realität unterliegen die Freiräume, in denen viele von uns leben und wirken, einem Kommerzialisierungsdruck oder aber staatlichem Normierungswahn. So meinen die städtischen Ämter und Behörden in Leipzig, unsere Kultur-Veranstaltungen immer wieder be- und verhindern zu müssen. Darauf haben wir keinen Bock mehr! Denn kulturelle Freiräume bereichern den Alltag vieler Menschen in dieser Stadt – egal, ob sie deren Konsument(innen) oder Produzent(innen) sind. Das muss die Stadt endlich anerkennen!
Unsere Kultur bietet schließlich auch einen Raum ohne Diskriminierung und Abwertung. Erscheinungen, deren Anwachsen wir mit Besorgnis beobachten.
Die Global Space Odyssey 2010 richtet den Blick auch auf die drastischen Kürzungen im sozialen Bereich. Im laufenden Jahr hat die sächsische Staatsregierung hier 25 Millionen Euro eingespart. Und für die kommenden Jahre werden noch krassere Einschnitte erwartet. Auch im Bildungsbereich, zum Beispiel bei Kitas, soll „der Gürtel“ enger geschnallt werden. Hinzu kommt, dass die sächsischen Hochschulen unterfinanziert sind, dass Mitspracherechte von Studierenden zu Gunsten stärkerer Einflussnahme der Privatwirtschaft kleiner werden.
Mit dieser Kürzungs- und Privatisierungspolitik wollen die Regierenden die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise kompensieren. Und zwar auf Kosten derer, die sie nicht verursacht haben!
Wir entgegnen: Wer bei Bildung, Jugend oder in anderen sozialen Bereichen spart, vergeht sich an den Grundlagen UND an der Zukunft dieser Gesellschaft.
Mit der diesjährigen Global Space Odyssey wollen wir unser Lebensgefühl und unsere Vorstellung von Kultur und Gesellschaft auf die Straße tragen.
Wir demonstrieren für mehr Toleranz und Akzeptanz, gegen Rassismus und Stumpfsinn, für mehr Leben und kulturelle Freiräume in unserer Stadt – und das 24 Stunden am Tag und 7 Tage in der Woche!