In der Josephstraße 7 in Leipzig-Lindenau lebten und arbeiteten bis zur Deportation durch die Nationalsozialisten die jüdischen Familien Reiter und Lotrowski. Beide Familien wurden in Vernichtungslager gebracht, die Reiters 1938, die Lotrowskis 1942. Keiner der überlebenden Familienmitglieder fand den Weg zurück nach Leipzig.1991 wurde das Grundstück an die rechtmäßige Erbin und Nachfahrin der Familie Reiter rückübertragen. 1998 verlangte die Stadt Leipzig von ihr die Begleichung von Grundsteuerschulden, was sie empört zurückwies. 2006 wurde das Haus schließlich abgerissen. Auf Initiative von AnwohnerInnen der Josephstraße in Leipzig-Lindenau entstand 2010 die Idee, das Grundstück Josephstraße 7 als Gedenkort zu gestalten. Die Initiative hat mittlerweile einen Verein gegründet, Kontakt zu den Nachfahren der Familie Reiter aufgenommen und einige Veranstaltungen und Workshops zum Vorhaben durchgeführt. Die Stadt Leipzig zeigte sich in diesem Prozess der Entstehung einer „Gedenkstätte von unten“ kooperativ.
Um den Stand der Dinge abzufragen richtete die Fraktion DIE LINKE in der Ratsversammlung am 27.6. eine Anfrage an den Oberbürgermeister. Die Antwort ist an dieser Stelle dokumentiert:
1. Wie weit ist die Umsetzung des Vorhabens „Gedenkort Josephstraße 7“ gediehen?
Nach ausführlicher Diskussion mit den Beteiligten konnte ein Verfahren entwickelt werden, dass sowohl den Forderungen der Stadt, den Belangen der Initiative Gedenkort Josephstraße 7 und dem Freiflächenbedarf im Gebiet einer Lösung zuführt. Im Bereich der Josephstraße, die als besonderer Bereich der Stadterneuerung mit kooperativen Verfahren entwickelt wird, bestehen Möglichkeiten für die Planung und Finanzierung für diesen besonderen Grünbereich.
Zur Gestaltung des “Gedenkortes Josephstraße 7“ wurde in Kooperation zwischen dem Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung, einem beauftragten Planungsbüro und dem Verein “Gedenkort Josephstraße 7“ eine Vorzugsvariante zur Gestaltung entwickelt. Das Konzept sieht eine reduzierte Grünfläche vor, die im vorderen Bereich im Bodenbelag an die Grundrissfigur des Gebäudes erinnert und im hinteren Bereich eine Wiesenfläche mit Brunnenplatz einrichtet. In einem Anwohnerworkshop wurde am 8.9.2011 dieses Gestaltungskonzept vorgestellt und traf auf Zustimmung der Teilnehmer. Kulturamt und Amt für Stadtgrün und Gewässer wurden einbezogen und unterstützen die Einrichtung des Gedenkortes in der entwickelten Form.
Vor der Umsetzung der Planung sind verschiedene Voraussetzungen zu schaffen: Die Eigentümer haben sich bereit erklärt, einen Gedenkort einzurichten. Zunächst ist mit dem Eigentümer des Grundstücks eine entsprechende Gestattungsvereinbarung abzuschließen. Die Gestattungsvereinbarung zwischen Stadt und Eigentümer liegt im Entwurf vor. Für die in Israel und den USA lebenden Eigentümer wurde der Vertrag ins Englische übersetzt und ihnen zugeleitet. Nach derzeitigem Stand beabsichtigen die Eigentümer, den Verein „Gedenkort Josephstraße 7“ für den Abschluss der Gestattungsvereinbarung und die Durchführung der Baumaßnahmen zu bevollmächtigen. Die notwendige dingliche Sicherung (Eintragung der Nutzung als öffentliche Grünfläche für 15 Jahre im Grundbuch) muss durch die Eigentümer notariell vollzogen werden und ist in Vorbereitung. Mit Vorlage der Vollmacht kommt es zum Abschluss der Gestattungsvereinbarung.
Das Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung, der Verein und ein beauftragtes Landschaftsplanungsbüro bringen die Vorzugsvariante zur Planreife. Die bauliche Realisierung erfolgt aus Mitteln/Einnahmen des Sanierungsgebiets Plagwitz in Höhe von ca. 50.000 € und soll im Herbst 2012 vollzogen werden.
Seitens der Stadt Leipzig besteht eine Zwangssicherungshypothek auf dem Grundstück wegen Grundsteuerschulden und den Ersatzvornahmekosten für den Abbruch des Gebäudes gegenüber den Eigentümern. Zum Umgang hiermit siehe Antwort auf Frage 3.
2. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit dem neu gegründeten Verein „Gedenkort Josephstraße 7“?
Die Zusammenarbeit zwischen dem Verein und dem Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung ist eng und abgestimmt. Aufgabenstellung und inhaltliches Konzept wurde von Vertretern des Vereins und des Amtes für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung erarbeitet und eine Vorzugsvariante zur Gestaltung des Gedenkorts aus Gestaltungsvarianten einer Landschaftsplanerin herausgearbeitet. Die Kommunikation mit den Eigentümern wird zwischen dem Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung und dem Verein besprochen, Schriftverkehr vorher abgestimmt. Der Verein hat einen direkteren Kontakt zu dem einen in Amerika lebenden Eigentümer. Der Verein „Gedenkort Josephstraße 7“ hat sich bereit erklärt, im Auftrag der Eigentümer die Betreuung für die Gedenkstätte in den nächsten 15 Jahren zu übernehmen – dazu gehört sowohl die inhaltliche Ausgestaltung (Veranstaltungen/ Informationen zu jüdischer Geschichte in Lindenau) als auch die Pflege der Grünfläche.
3. Wie beabsichtigt die Stadt Leipzig, mit der Belastung durch Schulden der Eigentümer gegenüber der Stadt auf dem Grundstück umzugehen?
Gegenwärtig ist die Vollstreckung eingestellt. Alle vollstreckbaren Forderungen sind mittels Zwangssicherungshypothek gesichert. Die laufenden Grundsteuern ruhen als vorrangige dingliche Last auf dem Grundstück. Entfällt dieser Vorrang (Zeitablauf 2 Jahre), wird die Stadtkasse die dann nicht mehr gesicherten Forderungen durch Eintragung einer weiteren Zwangssicherungshypothek sichern. Das ist jedoch gem. Zivilprozessordnung erst bei einer Forderungshöhe über 750,00 Euro möglich.
Die Sicherung der Forderungen bewirkt keinen Zahlungseingang. Erst die Verwertung der Zwangssicherungshypothek (en) würde zu Zahlungen führen, jedoch ist dieses derzeit nicht beabsichtigt.