Ab- und Aufgang eines Polizeipräsidenten

Horst Wawrzynskis Tage als Leipziger Polizeipräsident sind gezählt. Dafür nimmt er den Weg an die Spitze der Stadt Leipzig auf sich. Eine Warnung vor einer antidemokratischen und repressiven Wendung der Leipziger Stadtpolitik.

Seit Samstag, 23.6. ca. 13 Uhr steht es fest. Die Leipziger CDU wird mit dem derzeit noch amtierenden Polizeipräsidenten Horst Wawrzynski in den OberbürgermeisterInnenwahlkampf ziehen. Die CDU-Mitglieder, die bei der Mitgliederversammlung ihre Stimme abzugeben hatten, konnten zwischen dem „Lokalkolorit“ Volker Lux, auch Vorsitzender der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU / CSU Leipzig, und dem aus Bayern stammenden Horst Wawrzynski entscheiden. Die Kandidatur des Polizeipräsidenten war am Sonntag vergangener Woche öffentlich geworden, kurze Zeit später töste er in der Bild-Zeitung, dass er auch zur Wahl antreten würde, wenn ihn die CDU nicht aufstellen würde, mit der Unterstützung eines Vereins und aus der Wirtschaft. Ein drohender Fingerzeig in Richtung CDU, in der es aufgrund dieser Ankündigung offenkundig zu brodeln begann. Gleichsam war diese Ankündigung, die Wawrzynski auf der CDU-Wahlversammlung dementierte, ein klarer Hinweis auf sein Demokratieverständnis. Denn mit verfassten Grundrechten, kommunaler Selbstverwaltung und Gewaltenteilung hat er es nicht so sehr.

So nutzte Horst Wawrzynski seine Position als Angestellter des Innenministeriums mehrfach um öffentlichkeitswirksam gegen die Politik der Kommune und des demokratisch gewählten Stadtrates zu polemisieren und das nicht ganz wirkungslos. Am bekanntesten ist wohl seine weit über ein Jahr andauernde Kampagne gegen die Drogenpolitik der Stadt Leipzig. Er diskreditiert(e) systematisch die Suchthilfeangebote als „Kuschelpolitik“ und führte die gestiegene Kriminalität im Bereich Einbruch/ Raub – ohne Belege vorzuweisen – auf Drogenabhängige zurück. Wenn es nach ihm ginge würden innovative, wirksame Projekte, die sogar im aktuellen Drogen- und Suchtbericht der Bundesdrogenbeauftragten lobend erwähnt werden (1), nicht mehr gefördert werden. Seine Verunglimpfung einer ausgewogenen Drogenhilfe zwang letztendlich sogar die Stadt in die Defensive. (2)
Dabei liegt klar auf der Hand, dass der Schlag gegen die Erfüllung bundesweit geltender Standards offensichtlich den Blick weg von der schlechten Polizeiarbeit in Leipzig lenken soll, denn Leipzig ist die Stadt mit der niedrigsten Kriminalitätsaufklärungsquote in ganz Sachsen. (3)

Als Mittel um die Realität zu verkleistern und den ganz persönlichen Wahlkampf voranzutreiben dienen auch die in den letzten Monaten regelmäßig stattfindenden so genannten Komplexkontrollen. Mit diesen lang (in der Regel acht Stunden) andauernden und flächenhaften Polizeikontrollen will der Polizeipräsident offenkundig den Eindruck erwecken „aufzuräumen“. Dabei ist die Ausbeute der Polizeikontrollen lächerlich. Statt den Drogengroßhandel oder Strukturen der organisierten Kriminalität lahm zu legen finden sich in jeder Auswertung der Kontrollen eine handvoll minderschwerer BtMG-Delikte, noch weniger Waffenfunde und hauptsächlich Ordnungswidrigkeiten (z.B. Fahrradfahren ohne Licht).
Die Schattenseite der Komplexkontrollen ist die Normalisierung von massiver und einschüchternder Polizeipräsenz, die Konformitätsdruck Vorschub leistet und den Weg in einen Kontrollstaat weist.

Auch in puncto Umgang mit Nazis, für den Wawrzynski angeblich auch von „Autonomen“ geliebt wird, zeigt sich die repressive Handschrift. So nutzte der Polizeipräsident in den letzten beiden Jahren zivilgesellschaftliche Kräfte als Manövriermasse um das Verbot von Nazi-Großdemonstrationen durchzusetzen. Gezielt wurden Gruppen, Vereine und Parteien zur Anmeldung von Versammlungen gegen die Aufmärsche angehalten – in massiver Zahl und übers Stadtgebiet verteilt – um damit polizeilichen Notstand erklären zu können. Zweimal, nämlich im Oktober 2010 und im August 2011 ging dieses Konzept auf. Als im August 2011 unter massivem Zutun Wawrzynskis ein Totalverbot von Versammlungen nach § 8 Grundgesetz (Versammlungsfreiheit) erlassen wurde, legten zahlreiche AnmelderInnen Eilantrag gegen das Verbot ihrer Protestveranstaltungen gegen die geplante NPD-Kundgebung am 20.8.2011 am Völkerschlachtdenkmal ein. Die Linksjugend betreibt zudem eine Fortsetzungsfeststellungsklage gegen das Verbot ihrer Kundgebung an jenem Tag, die der von Horst Wawrzynski geschwungenen Verbotskeule zum Opfer fiel.
Festzuhalten ist: wer die Akteure, die für Meinungsfreiheit, demokratische Kultur und Rechtsstaatlichkeit kämpfen, Instrumentalisiert und den Kampf gegen Nazis und Diskriminierung in die Amtsstuben verlegen und durch Verbote praktizieren will, handelt im Grunde gegen demokratische Prinzipien und zerstört eine demokratische Kultur. (siehe auch Beitrag Die Beschneidung der Demokratie als Mittel gegen die Feinde der Demokratie?, August 2011)

Erinnert sei am Rande auch auf den zähen Prozess zur Übergabe des Leipziger Fußball-Fanprojektes an einen neuen Träger. An der sinnlosen Verzögerung hatte auch der jetzige CDU-OBM-Kandidat seinen Anteil. Über zwei Jahre dauerte es bis sich die Stadt Leipzig mit Rückendeckung des Jugendhilfeausschusses und des DFB endlich gegen das Innenministerium und die hiesige Polizei durchsetzen konnte, die ihrerseits an dem fachlich zweifelhaften und intransparent arbeitenden alten Träger Sportjugend festhielten. Die Sportjugend hatte u.a. durch Distanzlosigkeit zur neonazistischen und gewalttätigen Fanszene „geglänzt“. Der Leipziger Polizei und deren Chefs im Innenministerium war dieses Konzept aber offensichtlich lieber als ein fachlich versierter Träger, der sich Prävention und Antidiskriminierung auf die Fahnen geschrieben hatte. Schlussendlich kam der Trägerwechsel doch zustande – mit der Auflage den Kopf des alten Trägers per Anstellung im Jugendamt der Stadt Leipzig in den Übergangsprozess zu integrieren. Interessengeleitetes Handeln per excellence. (nachzulesen u.a. hier)

Auch in der aktuellen Auseinandersetzung um neue Unterkünfte für Asylsuchende in Leipzig mischte sich der CDU-OBM-Kandidat ein. Allerdings nicht für die Belange der Asylsuchenden, sondern im Sinne von zum Teil menschenfeindlichen Einlassungen gegen Flüchtlinge. So wartete er in der LVZ mit der Gefahr von Neonazi-Übergriffen auf und prognostizierte dies vor allem für den geplanten Standort in Wahren, wo der Protest gegen den Plan der Stadt wohl am heftigsten ist (ein Schelm, der angesichts dieser Überschneidung und des Engagements der CDU insbesondere gegen die Asylunterkunft in Wahren Böses denkt…).
Klar ist eine solche Gefahr niemals auszuschließen oder gar zu unterschätzen, nur ist – anders als Wawrzynski bekundet – ExpertInnen der Naziszene in Wahren keine außerordentliche rechte Bedrohungslage bekannt.
Darüber hinaus nutzte er mit seinem Getöse um die Notwendigkeit verschärfter Sicherheitskonzepte für die Asyl-Unterkünfte eine Leerstelle, die das Konzept der Stadtverwaltung hat und auch haben muss. Denn das Konzept muss mitsamt Standorten erst demokratisch beschlossen werden bevor die Arbeit an konkreten Sicherheitskonzepten beginnen kann.
Doch anstatt in öffentlichen Wortmeldungen Sorgfalt walten zu lassen, heizt Wawrzynski die aufgeregte PolitikerInnenschelte an und badet volkstribunenhaftem im Meer aus Stimmungsmache gegen „die da oben“, wie es sich in den Versammlungen zum Unterbringungskonzept insbesondere in Wahren und Grünau zeigte. Und auch sonst führt er das Wort von den „kleinen Leuten“ deren Interessen er vertreten will, leicht im Mund, was auch immer diese Interessen auch sein mögen.

Seine übrigen programmatischen Schwerpunktsetzungen für den OBM-Wahlkampf unterscheiden sich kaum von denen anderer KandidatInnen und kommen eher dünn daher: Sanierungsstau in Kita- und Schulen beheben, Straßen erneuern, Schulden senken.

Seit heute ist zumindest eines klar: der OberbürgermeisterInnenwahlkampf in Leipzig wird noch weniger sachlich ablaufen als es sonst der Fall war. Es drängt sich der Verdacht auf, dass die CDU in Sachsen nicht länger gewillt ist, die größte Stadt Sachsens weiter einem eher liberalen, pluralistischem Zeitgeist zu überlassen.
Insbesondere eine emanzipatorische Szene, die sich für die OberbürgermeisterInnenwahl als sehr personalisierte Wahl sicherlich nicht sonderlich erwärmen kann, sollte sich des konservativen Paradigmenwechsels, der mit einem Wahlsieg des CDU-Kandidaten als Oberbürgermeister bevorsteht gewiss sein.

Nachtrag: Horst Wawrzynski wird in zahlreichen Medien die „Befriedung“ der „Silvester-Krawalle“ am Connewitzer Kreuz zugeschrieben. Dazu ist zu sagen, dass sich an der polizeilichen Strategie seit 2008, das Jahr, in dem Wawrzynski das Amt übernahm kaum geändert hat. Im Gegenteil griff die Polizei zum Jahreswechsel 2008/ 2009 rigoros durch. Zahlreiche Unbeteiligte, die am Kreuz den Jahreswechsel begehen wollten, wurden gewaltvoll zu Boden gerissen und z.T. verletzt. Auch zum vergangenen Jahreswechsel setzten sich ähnliche Szenen fort. Keinesfalls hat mit dem aktuellen Polizeipräsidenten eine Entkriminalisierung der Silvester-Feierlichkeiten oder anderer Aktivitäten am Connewitzer Kreuz, wie die traditionelle Schneeballschlacht zum Wintereinbruch, stattgefunden.

1) http://www.drogenbeauftragte.de/fileadmin/dateien-dba/Presse/Downloads/12-05-22_DrogensuchtBericht_2012.pdf, Seite 89

2) Um die heftige Debatte aus der Öffentlichkeit zu nehmen, bildeten Stadt Leipzig und Polizei im Juni 2011 eine Fachkommission. Deren Abschlussbericht, der im Mai 2012 vorgelegt wurde, redet eher polizeilich-repressiven Konzepten das Wort. Akzeptierende Ansätze der Drogen/Suchtarbeit kommen bspw. nicht vor. (Abschlussbericht als pdf)
Außerdem setzte die Polizei die Stadt Leipzig soweit unter Druck, dass das Projekt Drug Scouts mit massiv einschränkenden Auflagen belegt wurde.

3) Leipzig hat mit 50.8 % die sachsenweit niedrigste Kriminalitäts-Aufklärungsquote. Siehe Polizeiliche Kriminalstatistik 2011 www.polizei.sachsen.de/lka/dokumente/Jahresueberblick2011.pdf, Seite 19

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