Warum deutsche Männer einen Zivilisierungsdienst brauchen. Ein Plädoyer von Anna Kow in der Jungle world Nr. 6, 10.2.2011.
Die schreiende Ungerechtigkeit hat bald ein Ende. Im Juli endet die Wehrpflicht und damit die letzte, oder sagen wir lieber: die einzige Benachteiligung von Männern gegenüber Frauen. Maskulinisten, ihr könnt aufatmen!
Aber auch aus feministischer Perspektive scheint die Gesetzesänderung erfreulich. Schließlich wurde der Grundsatz, dass Frauen nicht zum Dienst an der Waffe herangezogen werden dürfen, nicht aus reiner Nettigkeit ins Grundgesetz geschrieben. Die Festlegung diente auch dazu, klar zu machen, dass jeder Mensch entweder ein Mann oder eine Frau zu sein und sich auch dementsprechend zu verhalten hat. Zur Rechtfertigung der dem Gleichheitsparagraphen spottenden Regelung diente eine der säkularen Gesetzgebung offenbar übergeordnete »weibliche Natur« – eine zum Gebären geeignete Anatomie und eine dank jahrhundertlangem Training zur zweiten Natur gewordene Disposition zu grenzenloser Friedfertigkeit, liebevoller Fürsorge und unbezahlter Reproduktionsarbeit. Dass Frauen nicht dazu gemacht seien, durch den Schlamm zu robben, Waffen richtig herum zu halten und jenseits des Kinderzimmers Befehle zu erteilen, verstand sich qua Biologie von selbst. Folgerichtig bestand ihre Aufgabe darin, neue Männer zu produzieren, während die Männer ihr Land verteidigten – Gebärpflicht statt Wehrpflicht! –, und alle wussten, wo sie hingehören.
Jetzt, da Frauen in Deutschland schon seit zehn Jahren freiwillig Dienst an der Waffe leisten dürfen und die Wehrpflicht inklusive Zivildienst abgeschafft wird, gerät alles durcheinander. Noch bevor der schon 1978 von Alice Schwarzer geäußerte Vorschlag, eine Wehr- bzw. Zivildienstpflicht für alle einzuführen, in die Tat umgesetzt werden konnte, hat sich Deutschland selbst überholt: Als Nachfolger für den Zivildienst hat der Bund einen an die Struktur des Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ) angelehnten »Bundesfreiwilligendienst« für alle vorgesehen, für den nun niemand mehr verpflichtet werden kann.
Doch auf den zweiten Blick zeigt sich: Dass damit der Zivildienst abgeschafft wird, ist aus feministischer Perspektive bedauerlich. Statt gutgläubig auf freiwilliges Engagement der männlichen Jugend zu setzen, sollte die Regierung lieber eine Gebärpflicht für Männer einführen – das wäre wirkliche Geschlechtergerechtigkeit. Wem eine Schwangerschaft aufgrund anatomischer Gegebenheiten nicht möglich ist, der darf auch ein FSJ in der Kita ableisten. Und selbst die, die sich aus Gewissensgründen nicht in der Lage sehen, Ekelprüfungen an der Wickelfront zu absolvieren, müssen nicht totalverweigern: Es gibt eine Menge Ställe auszumisten, Wälder aufzuforsten und Essen auf Rädern auszufahren.
Denn was soll nach der Abschaffung der Wehr- bzw. Zivildienstpflicht aus all den pickeligen Jungs werden, die, sobald sie unbeaufsichtigt sind, ihre Zeit mit Komasaufen, dem Spielen an der Playstation und dem Gucken von Pornos totschlagen? Ein gesetzlich vorgeschriebener »Zivilisierungsdienst« für heranwachsende Männer mag libertären Geistern widersteben, doch ohne ihn könnten wir uns bald mit orientierungslosen, der Krise der Männlichkeit völlig ungeschützt ausgesetzten Jungmännern konfrontiert sehen. Und hatte nicht Bundesfamilienministerin Kristina Schröder bereits angekündigt, sich für Jungenförderung stark machen zu wollen?
Wenn also über eine Frauenquote in Wirtschaft und Politik diskutiert wird, dann bitte auch über eine Männerquote im sozialen Bereich. Und da die wenigsten gerne schlecht bezahlte Arbeit leisten – es sei denn, das nennt sich »Praktikum« und gilt als unverzichtbare Karrierevoraussetzung –, hilft hier einfach nur eins: Zwang.