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Die Aus­ein­an­der­set­zun­gen rund um den 13. Fe­bru­ar in Dres­den 2011 sind ge­lau­fen. Für Po­li­zei und Nazis war es wohl eher kein er­folg­rei­cher Event. Das Po­li­zei­kon­zept ging nicht auf und tau­sen­de Nazis konn­ten nicht mar­schie­ren. Dafür kann sich die an­ti­fa­schis­ti­sche Frak­ti­on um so mehr freu­en, wäre da nicht ein Über­fall von Nazis auf das Al­ter­na­ti­ve Pro­jekt „Pra­xis“ und die Raz­zia des LKA Sach­sen auf linke Bü­ro­räu­me in Dres­den.
Redebeitrag von AntifaschistInnen am 25.2.2011 auf einer Dresden-Soli-Kundgebung in Erfurt

Doch eins nach dem an­de­ren: Wie zu er­war­ten wurde der 19.​Februar ein Gro­ßevent an­ti­fa­schis­ti­scher Mo­bi­li­sie­rung. Der kleins­te ge­mein­sa­me Nen­ner, Nazis doof zu fin­den und die große Be­deu­tung des 13. Fe­bru­ar in Dres­den für die Na­zi­sze­ne, traf auf die Er­war­tun­gen der An­ti­fa­sze­ne, dass auch die­ses Jahr wie­der „was gehen“ wird. Diese Er­war­tun­gen wur­den er­füllt. Letzt­lich war es die flä­chen­de­cken­de Mi­li­tanz im Zu­sam­men­spiel mit den Blo­cka­den, die den Nazis den Event ver­sau­te und 4500 Po­li­zis­ten sicht­lich über­for­der­te. Der von Dres­den-​na­zi­frei vor­ge­ge­be­ne so­ge­nann­te Ak­ti­ons­kon­sens bla­mier­te sich an die­sem Tag. Viel­mehr müss­te es auch Ak­ti­ons­for­men-​Dik­tat hei­ßen, wel­ches von vie­len Leu­ten schlicht­weg igno­riert wurde. Wir fin­den es gut, wenn Leute ihre Ak­ti­ons­for­men selbst be­stim­men und fle­xi­bel nach den Ge­ge­ben­hei­ten vor Ort aus­rich­ten und selb­stän­dig han­deln. Der 19. Fe­bru­ar 2011 in Dres­den hatte eine Ven­til­funk­ti­on für eine An­ti­fa­sze­ne, die den Rest des Jah­res über­wie­gend in Wan­der­kes­seln aus Prü­gel­cops de­mons­trie­ren muss und manch­mal für Nich­tig­kei­ten schi­ka­niert wird. Dass dem einen oder an­de­ren Po­li­zis­ten an solch einem Tag auch mal das hä­mi­sche Grin­sen unter Helm und Vi­sier ver­geht, schafft Ge­nug­tu­ung.

Umso ab­stru­ser ist das Vor­ge­hen des Lan­des­kri­mi­nal­am­tes Sach­sen. Mar­tia­li­sche Son­der­ein­satz­kom­man­dos stürm­ten Bü­ro­räu­me der Lin­ken, Ver­eins­räu­me und eine Rechts­an­walts­kanz­lei, die fälsch­li­cher­wei­se für die Ter­ror­zen­tra­le und Ko­or­di­na­ti­ons­stel­le ge­hal­ten wur­den. Ge­ra­de jene, denen der ge­walt­freie Ak­ti­ons­kon­sens an die­sem Tag ent­glitt, wer­den nun für die Stra­ßen­mi­li­tanz ver­ant­wort­lich ge­macht. Die Po­li­zei-​Be­am­ten pro­je­zie­ren ihr ei­ge­nes au­to­ri­tä­res und hier­ar­chi­sches Ver­ständ­nis auf die linke Szene und ver­su­chen mit die­ser Pro­jek­ti­on nun die Or­ga­ni­sa­to­ren der Dres­dner Kra­wal­le ding­fest zu ma­chen. Mehr noch: mit der er­mitt­lungs­be­hörd­li­chen All­zweck­waf­fe §129 soll nun die linke Szene mal wie­der aus­spio­niert wer­den und dür­fen Staats­schutz­be­am­te un­ge­niert im Pri­vat­le­ben lin­ker Ak­ti­vis­ten her­um­schnüf­feln. Genau gegen diese ein­set­zen­de Re­pres­si­on eines hilf­los in Zug­zwang ge­ra­te­nen Po­li­zei­ap­pa­ra­tes gilt es sich mit den Be­trof­fe­nen so­li­da­risch zu zei­gen.

Drei As­pek­te soll­ten bei den nun ein­set­zen­den Dis­kus­sio­nen be­ach­tet wer­den:

1. sich jetzt in Ge­walt­de­bat­ten zu ver­zet­teln ist kon­tra­pro­duk­tiv. Meist geht es dabei eh nur um die stil­le Wie­der­her­stel­lung der Ak­zep­tanz des staat­li­chen Ge­walt­mo­no­pols und nicht um Re­flek­ti­on über ge­sell­schaft­li­che Ge­walt an sich. Die Staats­ge­walt prü­gel­te schließ­lich am 19. Fe­bru­ar un­ter­schieds­los auf fried­li­che wie mi­li­tan­te Pro­tes­tie­rer ein, ohne dass sich die Ge­walt­de­bat­tie­rer des po­li­ti­schen Main­streams darum scher­ten. Ge­walt­freie und mi­li­tan­te Ak­tio­nen kön­nen nach wie vor ne­ben­ein­an­der exis­tie­ren, auch wenn Teile der lin­ken Zi­vil­ge­sell­schaft dabei in Er­klä­rungs­nö­te ge­ra­ten. Ge­nau­so ist jedem Ex­tre­mis­mus-​Quatsch und Ein­schrän­kun­gen des Ver­samm­lungs­rechts ent­ge­gen zu tre­ten

2. Der An­griff auf das Al­ter­na­tiv-​Pro­jekt „Pra­xis“ ist nicht nur dem Ver­sa­gen der Pol­zei ge­schul­det son­dern auch dem des an­ti­fa­schis­ti­schen Spek­trums, wel­ches es ver­säum­te, sol­che Pro­jek­te an die­sem Tag aus­rei­chend zu schüt­zen. Ähn­li­che Vor­fäl­le gab es schließ­lich am 13. Fe­bru­ar 2010 am AZ Conni und das Pro­blem war be­kannt.

3. Bei aller ak­tu­el­ler Pro­ble­ma­tik der mi­li­tan­ten Aus­schrei­tun­gen und der nun fol­gen­den Re­pres­si­on rund um den 13. Fe­bru­ar in Dres­den darf die The­ma­ti­sie­rung des ge­schicht­re­vi­sio­nis­ti­schen Ge­den­kens der Stadt Dres­den und der Na­zi­sze­ne nicht hin­ten run­ter fal­len. Der deut­sche Op­fer­my­thos des 2.​Weltkrie­ges muss nach wie vor Thema lin­ker In­ter­ven­ti­on blei­ben.

Es bleibt dabei gegen jeden deut­schen Op­fer­my­thos – egal ob von Nazis oder re­ak­tio­nä­rer Zi­vil­ge­sell­schaft!


Quelle: http://sabotnik.blogsport.de/2011/02/25/bericht-dresden-soli-in-erfurt/

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