Erklärung zur Kriminalisierung antifaschistischen Engagements

Am Abend des 19. Februar stürmte die Polizei das Info- und Pressebüro des Bündnisses „Dresden Nazifrei“. Im April und Mai folgten großangelegte Razzien in Sachsen und Brandenburg. 20 Wohnungen von Antifaschist_innen wurden durchsucht. Grundlage dafür ist ein Ermittlungsverfahren nach §129 des Strafgesetzbuches. 17 Personen werden darin beschuldigt, kriminelle Vereinigungen gebildet zu haben, die für Angriffe auf Nazis sowie Sachbeschädigungen verantwortlich sein sollen. Zu den Durchsuchungen mobilisierte die Polizei Großaufgebote und zum Teil schwer bewaffnete Spezialeinsatzkommandos. Das martialischen Auftreten soll linke und antifaschistische Strukturen einschüchtern und in der Öffentlichkeit deren vermeintliche Gefährlichkeit vor Augen führen. Großzügige (Vorab-)Informationen für Journalist_innen, Bildmaterial von verletzten Nazis und Interviews von LKA-Chef und Innenminister über die unterschätzte „Gefahr von links“ taten das Übrige für die erwünschten Schlagzeilen.

Diese Ermittlungen sind Ausdruck eines politischen Programms, dass die schwarz-gelbe Regierung Sachsens seit 2009 immer intensiver verfolgt. Auf der Grundlage einer Extremismus-Doktrin versuchen CDU und FDP antifaschistisches Engagement zu diskreditieren.

In einem Interview sprach Innenministers Markus Ulbig (CDU) vom Anstieg „linksextremer Gewalttaten“, von 89 im Jahr 2009 auf 130 im Folgejahr. Woraus der plötzliche Zuwachs resultiert, erörterte er nicht. Er beruht vor allem auf Großereignissen, wie den Protesten gegen die Naziaufmärsche am 13. und 14. Februar 2010 in Verbindung mit dem weit gefassten Gewaltbegriff der Statistik zur „Politisch motivierten Kriminalität“. So fällt hierunter bereits „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ – also zum Beispiel das aktive Stemmen gegen den Boden bei Räumung einer Sitzblockade.

Nach den auf Bundes- und Landesebene forcierten Warnungen vor dem unterschätzten „Linksextremismus“ mussten nun endlich „Tatsachen“ aus dem Hut gezaubert werden. Dieses Ermittlungsverfahren mit seiner medialen Begleitung soll Argumente für eine repressive Politik gegen linke Strukturen liefern. Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt (LKA) bemühen sich sehr darum, das öffentliche Bild der „linksextremen Schläger“ (SäZ) zu untermauern. Die Ermittlungen indes basieren auf einer fragwürdigen Grundlage. Der § 129 ist ein Gesinnungs- und Ermittlungsparagraf. Er wird nahezu ausschließlich im politischen Bereich angewendet, jedoch nur ausnahmsweise zur Anklage oder gar Verurteilung gebracht. Er gibt den Behörden weitreichende Instrumente an die Hand, etwa die Überwachung von Telekommunikation, Observationen oder den Einsatz verdeckter Ermittler. Dieses Repertoire kann großzügig auf nahezu beliebige Personenzusammenhänge angewendet werden. Es genügt ein geringer Anfangsverdacht. Im vorliegenden Fall ist dieser mit Telefonaten gegeben, in denen über Veranstaltungen von Nazis informiert wurde. Zusammenhänge zwischen den Beschuldigten und den vorgeworfenen Straftaten bleiben nebulös. Ganz real hingegen sind die empfindlichen Eingriffe in die Privatsphäre der Betroffenen und der materielle Schaden in Folge der Durchsuchungen, die neben vielen Privatwohnungen auch das „Haus der Begegnung“ betraf, in dem sich im Februar das Büro von „Dresden Nazifrei“ befand.

„Das ist sächsische Demokratie.“ (Wolfgang Thierse)

Politiker_innen oppositioneller, demokratischer Parteien von SPD über Bündnis ́90/Grünen bis hin zur Linkspartei wird immer wieder aufgrund ihres Engagements gegen Nazis zweifelhafte Verfassungstreue unterstellt. Die Staatsanwaltschaft Dresden ermittelte wegen der Teilnahme an Blockaden des Nazigroßaufmarschs gegen den Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei André Hahn und sprang auch für die Strafanzeige gegen Wolfgang Thierse (Bundestagsvizepräsident, SPD) aufgrund seiner Äußerungen zum Zustand der sächsischen Demokratie in die Bresche. Zivilgesellschaftliche Initiativen und Antidiskriminierungsvereine werden vom Freistaat immer stärker kontrolliert und an die Leine genommen. Sie sollen sich per Unterschrift zur FdGO bekennen und überprüfen, ob ihre Partner_innen „Extremisten“ sind. Hier wird auf Methoden autoritärer Regime zurückgegriffen. Schlussendlich wird repressiv gegen die außerparlamentarische Linke und Antifas vorgegangen.

Nicht mit uns!

Antifaschistisches Engagement ist und bleibt notwendig, solange diskriminierende und autoritäre Zustände existieren. Die Gleichsetzung von Links und Rechts, die mit der Extremismus-Doktrin behauptet wird, entbehrt jeder Grundlage. Rechte Gewalttaten auf Leib und Leben von Menschen, Naziveranstaltungen und diskriminierende Einstellungen sind das Problem, dem es zu begegnen gilt. Wir werden uns trotz staatlicher Diffamierung, Gängelung und Kriminalisierungskampagnen auch in Zukunft gegen Nazis und rechte Einstellungen in der Mehrheitsgesellschaft einsetzen. Wir werden auch in Zukunft unsere Demonstrations- und Meinungsfreiheit wahrnehmen, um ohne staatliche Reglementierung gegen Nazis zu protestieren. Ziviler Ungehorsam ist dafür notwendig und legitim. Wir solidarisieren uns mit Menschen, Vereinen und Initiativen die sich für eine offene, faire und gleichberechtigte Gesellschaft einsetzen.

16. Mai 2011 – Kampagne zum Zustand sächsischer Demokratie

Unterstützung

Wenn ihr diese Erklärung unterstützen wollt, schreibt an unterstuetzen@sachsens-demokratie.net

Unterstützer_innenliste (142, Stand 16.5.2011)

  • Jusos Sachsen
  • Henning Homann, MdL SPD Fraktion Sachsen
  • Ralf Hron, DGB Regionsvorsitzender Dresden Oberes Elbtal
  • Katja Kipping, stellv. Vorsitzende der Partei Die Linke
  • Bürgerinitiative „Pieschen gegen rechts“
  • Referat für politische Bildung im StuRa der TU Dresden
  • Laut gegen Nazis
  • audioscript.net
  • StipentiatInnengruppe Dresden der Hans Böckler Stiftung
  • Michael Sturm, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Strafrecht
  • Irie Révoltés
  • FSR phil – Fachschaftstrat der Philosophischen Fakultät der TU Dresden
  • Prof. Dr. Werner Ruf
  • Initiative gegen jeden Extremismusbegriff/ Inex Leipzig
  • chronik.LE – Dokumentation und Analyse faschistischer, rassistischer und diskriminierender Aktivitäten in und um Leipzig
  • Komitee für Grundrechte und Demokratie, Köln
  • JG-Stadtmitte Jena, www.jg-stadtmitte.de
  • Sächsischer Flüchtlingsrat e.V.
  • Alternatives Jugendzentrum Chemnitz e.V.
  • AK Antifa Dresden
  • Friedrich Burschel, Referent zu Neonazismus und Strukturen/Ideologien der Ungleichwertigkeit / Rosa Luxemburg Stiftung Berlin
  • Cornelia Ernst, Mitglied des Europäischen Parlamentes
  • Leipziger Antifa Gruppe [LeA]
  • Tobias Burdukat, Stadtrat der Stadt Grimma (parteipolitisch unabhängig) und Geschäftsführer des Fördervereins für Jugendkultur und Zwischenmenschlichkeit e.V.
  • Graeme Atkinson, European Editor, Searchlight magazine Berlin
  • Angela Marquardt
  • Prof. Dr. Micha Brumlik, Frankfurt
  • alias Dresden
  • Ulla Jelpke, MdB, Innenpolitische Sprecherin Fraktion Die Linke.
  • gruppe.cartonage Dresden
  • Juliane Nagel, Stadträtin in Leipzig/ linXXnet
  • HausundHof e.V. Görlitz
  • Jens Thoericht Die Linke Landesverband Sachsen
  • Julia Bonk, MdL Die Linke Sachsen
  • Akubiz Pirna
  • Michael Leutert, MdB Die Linke, Sprecher der Landesgruppe Sachsen der Linken im Bundestag
  • Ulrich Maurer, MdB, Stellv. Fraktionsvorsitzender Die Linke
  • Antifa Rechercheteam Dresden (ART)
  • Falk Neubert, MdL Die Linke Sachsen
  • Bündnis „Dortmund stellt sich quer“
  • Kerstin Köditz, MdL Die Linke Sachsen
  • Antifa Görlitz
  • AG HANS
  • Katharina König, MdL Die Linke Thüringen
  • Antifa Hochschulgruppe Dresden
  • Freya-Maria Klinger, MdL Die Linke Sachsen
  • Hausprojekt RM16
  • Antifa – Klein Paris [AKP] Leipzig
  • Heiderose Gläß, MdL Die Linke Sachsen
  • Berliner Vereinigung Der Verfolgten des Naziregimes- Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten.
  • Dr. Volker Külow, MdL Die Linke Sachsen, Vorsitzender Die Linke. Leipzig
  • Hubert Gintschel, Die Linke Stadtrat/ Fraktionsvorsitzender Chemnitz
  • Petra Weißfuß, Leipzig, Sprecherin AG Soziale Politik
  • Wolfgang Müller (Künstler, Autor, Musiker)
  • Jens Beier, Dresden
  • Wolfgang Denecke Die Linke Leipzig
  • Dr. Ilse Lauter, Linksfraktion Leipzig
  • Prof. Dr. Peter Porsch
  • Doris Liebscher
  • Katina Schubert, Parteivorstand Die Linke
  • Stefanie Graf, Parteivorstand Die Linke
  • Markus Bernhardt, Journalist, Berlin
  • Christiane Reymann, Journalistin, Berlin
  • Harry Eichhorn, Naunhof
  • Claudia Haydn, Mitglied im Vorstand der Europäischen Linkspartei
  • Wolfgang Ziller, Gewerkschaftssekretär Schweinfurt, Mitglied Landesvorstand Die Linke Bayern
  • Klaus Biedka
  • Thomas Hannich / Dresden
  • Thomas Zinke, Dresden
  • Dr. Ulrich J. Wilken, MdL Die Linke Fraktion im hessischen Landtag
  • Dima Thiele, Dresden
  • Hans-Jürgen Berg, Markranstädt
  • Michael Barthel, Göttingen
  • Andreas Brieger aus Göttingen
  • Dr. Barbara Höll, MdB, LINKE
  • Andrej Hunko, MdB, Die Linke
  • Halina Wawzyniak, MdB Die Linke
  • Jens Petermann, MdB, Die Linke
  • Michael Schlecht, MdB, Die Linke
  • Florian Schulze, MdB, Die Linke
  • Matthias W. Birkwald, MdB, Die Linke
  • Frank Tempel, MdB, Die Linke
  • Christine Buchholz, MdB, Die Linke
  • Harald Weinberg MdB, Die Linke
  • Kornelia Möller, MdB, Die Linke
  • Karin Binder, MdB Die Linke
  • Ralph Lenkert, MdB Die Linke
  • Dr. Alexander King, Referent für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Fraktion Die Linke. im Bundestag
  • Dr. Gerd Wiegel, Referent für Rechtsextremismus/ Antifaschismus Fraktion Die Linke. im Bundestag
  • Kai Lange, Berlin
  • Pia Zimmermann, MdL, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion in Niedersachsen
  • Helga Watzin-Heerdegen, Leipzig
  • Bierbaum, Heinz Prof Dr.
  • Peter Franz
  • Dr. Elke Reuter, Historikerin, Berlin
  • Stephan Noack(Presse/BTG)
  • Prof. Dr. Wolfgang Mietling, MdL Die Linke Mecklenburg-Vorpommern, Mitglied des Landesvorstandes VVN/BdA
  • Mario Schieck
  • Udo Frischmann
  • Helmut Windolph, Rustenfelde
  • Mike Nagler, Leipzig
  • Volker Schuster
  • Richard Gauch – Leipzig
  • Eva Mendl, Die Linke Bayern
  • Xaver Merk, Landessprecher, Die Linke Bayern
  • Cornelia Barth, Landessprecherin, Die Linke.Landesverband Bremen
  • Carlo Bleichert, Landessprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Rechtsextremismus/Antifaschismus, Die Linke.Niedersachsen
  • Anke-Grit Berghäuser, Krankenschwester aus Dessau-Roßlau
  • Geoffrey Summers, Die Linke, KV Landshut
  • Lothar Jösting-Schüßler, Fraktionsvorsitzender Die Linke in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg
  • Ulrich Boje, Die Linke, Berlin Charlottenburg-Wimersdorf
  • Azzoncao, ein Polit-Cafe, Bochum
  • Dr. Peter Strutynski, Kassel, Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag
  • Christian Oberthür, linksjugend [’solid] Hannover
  • Gabriele Tietz, Dessau-Roßlau
  • Bernard SCHMID
  • Björn Redmann, Dresden
  • Ruth Fritzsche Freiberg
  • Rolf Diez
  • Herbert Rubisch, Berlin
  • Ingo Zimmermann, Groitzsch
  • Nils Merten Mitarbeiter der innenpolitischen Sprecherin der Linksfraktion in Niedersachsen
  • Bianca Thiele, Sekretariat der Abgeordneten: Dr. Carolin Butterwegge MdL, Hamide Akbayir MdL, Ali Atalan MdL, Die Linke Fraktion im Landtag NRW
  • Anne Ames Fachreferentin für Sozialpolitik, Fraktion Die Linke im Landtag NRW
  • Hanni Ursula Augustin, Bennewitz
  • Josef Watzin, Leipzig
  • Constanze Werner, Torgau
  • Peter Pust, Chemnitz
  • Ates Gürpinar
  • Gabi und Matthias Eichner, Görlitz
  • Brigitte Ostmeyer, Holzgerlingen
  • Heike Gumpert
  • Su-Ran Sichling
  • torsten birne
  • Kay Krause, Neuburg / Donau
  • Rainer Lüttich, Neuburg
  • Bärbel Beuermann MdL, Fraktionsvorsitzende Die Linke NRW
  • Ali Atalan MdL Die Linke NRW
  • Gunhild Böth, MdL Die Linke NRW
  • Katja Kaba
  • Benny Cers
  • Irina Zeim

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