Erich Mühsam – Kein Lampenputzer

27.2. Conne Island Leipzig – Mehrere hundert Menschen wollen sich Erich-Mühsam-Gala mit Harry Rowohlt, Thomas Ebermann, Frank Spilker und Knarf Rellöm nicht entgehen lassen. Ein großer Wurf fürs Island, und für den indviduellen Kultur- und Bildungsgenuss.

Rowohlt mimt den Mühsam. Ebermann seine Gesprächspartner, Sterne-Sänger Frank Spilker und Knarf Rellöm begleiten die Szenerie musikalisch und rezitierend. Eine gelungene Szenerie, die nach der Pause an Fahrt gewinnt. Erich Mühsam, sein Leben lang politisch und schriftstellerisch tätig, opponierte gegen Autorität, gegen Reformismus, gegen Krieg. Er war zentrale Figur der Novemberrevolution und Wegbereiter der Münchner Räterepulik (1918). Als Anarchist scheute er die Nähe zu sozialistischen (z.B. USPD) und kommunistischen Organisationen (z.B. Rote Hilfe, KPD)  nicht, was 1925 zum Ausschluss aus der Konföderation Kommunistischer Anarchisten Deutschlands führte. Bereits 1933, kurz nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten, wurde Mühsam durch die SA verhaftet und im Juli 1934 im KZ Oranienburg ermordet.

Warum nun aber war Mühsam kein „Lampenputzer“? Selbst lesen:

Der Revoluzzer
(Der deutschen Sozialdemokratie gewidmet)

War einmal ein Revoluzzer,
im Zivilstand Lampenputzer;
ging im Revoluzzerschritt
mit den Revoluzzern mit.

Und er schrie: „Ich revolüzze!“
Und die Revoluzzermütze
schob er auf das linke Ohr,
kam sich höchst gefährlich vor.

Doch die Revoluzzer schritten
mitten in der Straßen Mitten,
wo er sonsten unverdrutzt
alle Gaslaternen putzt.

Sie vom Boden zu entfernen,
rupfte man die Gaslaternen
aus dem Straßenpflaster aus,
zwecks des Barrikadenbaus.

Aber unser Revoluzzer
schrie: „Ich bin der Lampenputzer
dieses guten Leuchtelichts.
Bitte, bitte, tut ihm nichts!

Wenn wir ihn‘ das Licht ausdrehen,
kann kein Bürger nichts mehr sehen.
Laßt die Lampen stehn, ich bitt! ­
Denn sonst spiel ich nicht mehr mit!“

Doch die Revoluzzer lachten,
und die Gaslaternen krachten,
und der Lampenputzer schlich
fort und weinte bitterlich.

Dann ist er zu Haus geblieben
und hat dort ein Buch geschrieben:
nämlich, wie man revoluzzt
und dabei doch Lampen putzt.

(1907)

Quelle: Erich-Mühsam-Gesellschaft e.V.

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