Rede zum Haushaltsantrag der Linksfraktion zur Erhöhung der Mittel für Projekte gegen Neonazismus, Rassismus, Diskriminierung OHNE Extremismusklausel
Der Antrag wurde mit den Gegenstimmen von CDU, FDP, Bürgerfraktion und SPD abgelehnt. Einige SPD-StadträtInnen enthielten sich. Stimmergebnis: 26/ 26/ ?
„Menschenfeindlichkeit darf bei uns in Sachsen keinen Platz haben.„ so der neue Leipziger Polizeipräsident Bernd Merbitz aus Anlass der Vorstellung des Operativen Abwehrzentrums Rechtsextremismus, mit dem der Freistaat Sachsen seine Bemühungen im Kampf gegen Neonazismus verbessern will. Wiewohl das Agieren der Behörden tatsächlich enormer Verbesserungen bedarf, sind es nicht die Behörden, die für eine lebendige demokratische Kultur sorgen und schon gar nicht mit Repressionsmaßnahmen. Es braucht vor allem eine starke und engagierte Zivilgesellschaft, die sich rassistischen, antisemitischen und anderen diskriminierenden Einstellungen und Taten erwehrt, die Aufklärungsarbeit leistet, Betroffenen zur Seite steht und Protest auch auf die Straße trägt.
Wie sieht es nun in Leipzig aus? Zu gern gibt sich die Stadt das Label der Weltoffenheit. Und sicherlich spricht der sachsenweit bzw. sogar ostdeutschlandweit höchste Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund an der Stadtbevölkerung dafür, dass Leipzig für diese Menschen ein lebenswerter Ort ist. Sicherlich kann Leipzig auch auf eine positive Tradition des Protestes gegen die Aufmärsche von Neonazis verweisen.
Nichts desto trotz gibt es in der Stadt seit 2008 ein NPD-Zentrum, nichts desto trotz hatte die NPD bei den Landtagswahlen 2009 in einzelnen Ortsteilen Stimmanteile von 7 – 9 % . Auch die Zahl von rechtsmotivierten und rassistischen Übergriffen zeigt, dass sich Leipzig wenig von anderen Landstrichen unterscheidet, in denen rechte Gewalt zum Alltag gehört – mit 36 Übergriffen lag die Stadt laut Jahresstatistik der Opferberatungsstellen der RAA Sachsen nach Dresden sachsenweit ganz vorn. Leipzig ist zudem die Stadt, in der seit 1990 sechs Menschen ums Leben kamen, weil sie nicht in das Weltbild von Neonazis passten. Zuletzt wurde der obdachlose Karl-Heinz T. im August 2008 am Schwanenteich von einem Nazi zu Tode geprügelt. Am 24.10.2009 traf es den erst 19 jährigen Kamal, der von 2 Rassisten in der Nähe des Hauptbahnhofes erstochen wurde.
Menschenverachtende Gewalt kann auch immer an Einstellungen der Mehrheitsgesellschaft anknüpfen. Kürzlich erst veröffentlichte die FES eine neue Ausgabe ihrer „Mitte Studien“, nach der wiederum ein Anstieg explizit ausländerfeindlicher Einstellungen bundesweit und besonders in Ostdeutschland ausgemacht werden. Demnach denken in Ostdeutschland, wo der Anteil von MigrantInnen sehr niedrig liegt, fast 39 % manifest ausländerfeindlich. Ein plastisches Beispiel für Skepsis bis hin zur aggressiven Ablehnung von Menschen mit Migrationshintergrund wurde uns im Frühling und Sommer diesen Jahres in Leipzig vorgeführt, als in einigen Stadtteilen ganz normale Leute gegen die Errichtung von Unterkünften für Asylsuchende mobil machten.
Wir können uns glücklich schätzen, dass es in Leipzig eine agile Zivilgesellschaft gibt, die immer wieder auf Problemlagen aufmerksam macht, die unermüdlich gegen Ideologien der Ungleichwertigkeit von Menschen und für eine tatsächlich offene und diskriminierungsfreie Stadtgesellschaft arbeitet. Auch die Stadtverwaltung selbst hat zahlreiche Projekte, Akteure und Beschlüsse, die in diese Richtung weisen. Ein zentrales Dokument ist die Kommunale Gesamtstrategie „Leipzig Ort der Vielfalt“, die wir im Dezember 2010 in dieser Runde beschlossen haben, ein Strategiepapier, das Maßnahmen für Demokratie und Vielfalt bündelt. Ein mit VertreterInnen aus Zivilgesellschaft, Verwaltung und Politik besetzter Begleitausschuss trägt Sorge für die Umsetzung der Gesamtstrategie – was v.a. mittels Projekten zivilgesellschaftlicher Akteure passiert.
Die Mittel, die die ambitionierte Kommunale Gesamtstrategie zum Ziel führen sollen, setzen sich aus einem kommunalen Anteil – seit 2011 35.000 Euro jährlich sowie Mitteln aus dem Bundesprogramm „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ und dem Landesprogramm Weltoffenes Sachsen zusammen. Die Mittel des Bundes sinken – von 40.000 Euro 2011 auf 30.000 im laufenden Jahr, 2013 werden es nur noch 20.000 sein. Und es kommt ein weiterer Problem-Aspekt hinzu. Seit 2011 verlangen sowohl Bund als auch Freistaat Sachsen von Vereinen und Initiativen, die entsprechende Fördermittel beziehen die Unterzeichnung einer so genannten Demokratieerklärung, landläufig auch Extremismusklausel genannt. Das damit verlangte aktive Bekenntnis zur Freiheit demokratischen Grundordnung wird seitdem massiv kritisiert, ist es doch ein Ausdruck von Mißtrauen und obrigkeitsstaatlicher Methoden. Nur Beamte und Menschen die eingebürgert werden wollen, müssen ein vergleichbares Bekenntnis ablegen.
Der Begleitausschuss hat sich auf Initiative von zahlreichen Akteuren des öffentlichen Lebens und der Zivilgesellschaft im Mai 2011 einstimmig gegen diese Klausel ausgesprochen. Im entsprechenden Beschluss hieß es „Die Einführung der Extremismusklausel gefährdet die bisherige vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Kommune und Initiativlandschaft sowie den seit vielen Jahren bestehenden demokratischen Konsens in Leipzig. Dieser wird ersetzt durch ein Klima von Unsicherheit und Misstrauen.“
Ergo ist nur der kommunale Anteil des Geldes, das für die Kommunale Gesamtstrategie bereit steht, frei vom Zwang die Extremismusklausel zu unterzeichnen. Wenn es diesen Anteil nicht geben würde, hätten in den vergangenen beiden Jahren einige Projekte nicht aktiv werden können.
Unser Antrag will nun zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen – einerseits die weiter sinkende Zuweisung des Bundes für die wichtige demokratiefördernde Arbeit kompensieren und andererseits den Anteil der Gelder erhöhen, die ohne Extremismusklausel ausgereicht werden. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag, Grund genug gibt es – leider – mehr als genug.
Rede zum Haushaltsantrag HP 027/13 „Erhöhung der Mittel für die Gesamtstrategie „Leipzig – Ort der Vielfalt“.