Rede in der Haushaltsdebatte des Leipziger Stadtrates zum Antrag der Linksfraktion „Erhöhung des Etats zur Förderung freier Träger der Jugendhilfe“
Erinnern wir uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, an die eigenen Jugendzeiten zurück – bei manchen liegt sie länger, bei manchen kürzer zurück. Der Übergang vom Kind- zum Erwachsensein bedeutet eigene Wege ohne elterliche Fürsorge zu beschreiten, sich zunehmend selbstständig zu orientieren. Und es sind Drucksituationen und zahlreiche oft überfordernde Eindrücke und Anforderungen die dann auf jungen Menschen einbrechen.
Vielfältige Angebote der Jugendhilfe geben Jugendlichen in dieser spannenden wie komplizierten Lebensphase Orientierungen, Anregungen, Freiräume oder Halt und tragen zur Ausbildung von Persönlichkeit, Kritikfähigkeit und Werteorientierung bei.
Und mehr noch: den überwiegenden Teil des Wissens und Könnens erlernen Kinder und Jugendliche außerhalb der Schule, verschiedene Studien, z. B. auch der UNESCO, besagen sogar dass an die 70 % aller menschlichen Lernprozesse durch informelles Lernen vonstatten gehen. Es sind Familie, Freundinnen und Freunde und insbesondere Angebote der Jugendhilfe, die einen DejaVu Sans erheblichen Beitrag zur Entwicklung von mündigen, selbstbewussten und demokratisch denkenden jungen Menschen leisten. Dies räumt selbst der 3. Kinder und Jugendbericht der CDU Sozialministerin Clauß ein.
Ob Jugendbildung, Übernahme von Verantwortung in Jugendverbänden, das Erweitern des Erfahrungshorizontes bei internationalen Jugendbegegnungen, in Medien- oder Kulturprojekten, aber auch das „einfach nur sein dürfen“ in Offenen Treffs oder die konkrete Hilfe gegen soziale Benachteiligung oder individuelle Beeinträchtigung wie sie Jugendsozialarbeit bietet – das Leistungsspektrum der Kinder und Jugendarbeit als Bestandteil der Jugendhilfe ist in seiner Breite immens. Und dabei immens wichtig, gerade in Zeiten zunehmender sozialer Verwerfungen, Entsolidarisierung und wachsendem Leistungsdruck.
Allerdings: die Rahmenbedingungen für Angebote der Kinder und Jugendhilfe verschlechtern sich sukzessive. Mit der Absenkung der Jugendpauschale um 30 % seit dem vergangenen Jahr hat die sächsische Landesregierung die dramatischste Kürzung in diesem Bereich seit der Wende 1990 vollzogen. Vehemente Proteste haben schwarz-gelb nicht beeindruckt. Auch als Kommune haben wir diesem Kürzungsvorhaben widersprochen, erfolglos. Und nun stehen wir – nehmen wir Landes- und kommunale Kürzung zusammen – vor einem Finanzloch von über 700 000 Euro. Der erweiterte Finanzausschuss empfiehlt uns zumindest 250 000 drauf zu legen, mit der Auflage die beiden zur Schließung vorgesehenen Freizeittreffs Halle 5 und BAFF zu finanzieren und damit zu erhalten. Auch für den Offenen Treff ESSE 74, ebenfalls Schließkandidat, bahnt sich eine Lösung an. Dies stimmt unsere Fraktion zwar zufrieden, doch wir sehen längst keinen Grund sich entspannt zurückzulehnen. Schließlich bleibt eine Pauschal-Kürzung über alle freien Träger der Jugendhilfe in Höhe von mindestens 4 %. 4 % sind dabei eine optimistische Zahl, denn außer Acht bleiben die kontinuierlich steigenden Kosten – für Personal und Sachkosten. Die Kürzungen müssen vor allem die Beschäftigten im Bereich der Kinder und Jugendhilfe kompensieren – die Auswirkungen dürften hinlänglich bekannt sein: verkürzte Öffnungszeiten, Wegfall von Projekten, sinkende Fachlichkeit der Arbeit. Können wir das wollen? Mit den Einschnitten, die heute vor uns liegen, leiten wir die Erosion zahlreicher Angebote von freien Trägern der Jugendhilfe ein.
In der Grillenseeerklärung der sächsischen Kinder- und Jugendhilfe vom 1.12.2010 heißt es „Der Hinweis auf knappe Kassen ist keine zureichende Erklärung für eine Tendenz, die befürchten lässt, dass an die Stelle einer fachlich begründeten Weiterentwicklung ein quantitativer Abbau und eine Dequalifizierung der Kinder- und Jugendhilfe treten wird. Vielmehr gibt es Anzeichen dafür, dass Jugendpolitik nicht länger als zentraler Bestandteil einer zukunftsorientierten Gesellschaftspolitik verstanden, sondern als ein nachrangiges, weniger bedeutsames Politiksegment betrachtet wird.“
Dieser mahnenden Analyse kann sich meine Fraktion anschließen und fordert gleichsam einen dringenden Kurswechsel ein. Es reicht nicht sich über steigende Geburtenzahlen zu freuen oder StudentInnen mit Zuzugsboni anzuziehen. Wir müssen Sorge für eine umfassende und anspruchsvolle Begleitung einer mehrere Jahre währenden Entwicklungsphase von jungen Menschen tragen. Und die Herausforderungen werden größer statt kleiner.
Wir bitten sie dem Antrag auf Erhöhung des Jugendhilfeetats um 300 000 Euro zuzustimmen und damit 50.000 auf den Kompromiss -Vorschlag des erweiterten Finanzausschusses draufzulegen. Ca. die Hälfte des Geldes soll den Erhalt von Halle 5 und Treff Bachviertel sichern, die andere Hälfte soll die Kürzungen über alle Träger der Freien Jugendhilfe abmildern bzw. gänzlich vor dem Aus stehende Projekte sichern. Auch dieser Betrag wird das Grundsatz-Problem der Unterfinanzierung nicht lösen. Es gilt den Druck auf den Freistaat aufrecht zu erhalten und erhöhen.
Und um ihren hämischen Kommentaren vorzubeugen: meine Fraktion hat fast 40 Änderungs-Anträge zum Haushaltsplan gestellt, beantragten Mehrausgaben wurden Vorschläge für Mehreinnahmen gegenübergestellt. Es ist unredlich uns immer wieder entgegenzuhalten, dass wir Geld ausgeben, das nicht da ist.
Denken sie an die Kinder und Jugendlichen in dieser Stadt und stimmen sie für unseren Antrag.
Rede zum Haushaltsantrag A 33, Ratsversammlung Leipzig, 4.3.2011
Also ich befürworte diesen Antrag schon mal! Gerade für die Jugend sollte mehr getan werden!