Vor 13 Jahren unterzog die rot-grüne Regierung das bis dato geltende „Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz“ einer grundlegenden Reform. Ursprünglich sollte mit dem neuen Staatsangehörigkeitsgesetz Mehrstaatlichkeit erlaubt werden, was für zahlreiche (Nicht-EU)MigrantInnen eine erhebliche Erleichterung gewesen wäre.
Denn viele wollen aus diversen Gründen ihre originale Staatsbürgerschaft nicht ablegen.
Doch CDU/ CSU feuerten damals in rassistischer Art und Weise gegen die doppelte StaatsbürgerInnenschaft. Mit einer breit angelegten Unterschriftensammlung wurde der rassistische Mob mobilisiert. Im Herbst 1999 gewann die CDU unter Roland Koch daraufhin die Landtagswahl in Hessen, wodurch die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat verschoben wurden. Rot-grün konnte so ihr Gesetzesvorhaben nicht wie geplant durchsetzen. Infolge dessen wurde mit der FDP ein Kompromis, die so genannte Optionspflicht, erarbeitet und in Gesetzesform gegossen.
Die Optionspflicht besagt im Kern, dass Zuwandererkinder mit der Geburt in Deutschland automatisch den deutschen Pass bekommen, wenn ein Elternteil zum Zeitpunkt der Geburt seit acht Jahren dauerhaft in Deutschland gelebt hat und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzt. Kinder aus nicht EU-Staaten müssen sich allerdings bis zum 23. Geburtstag für einen Pass entscheiden. Diese Regelung betrifft in diesem Jahr – 13 Jahren nach der Gesetzesregelung – die ersten jungen Menschen. Bundesweit sollen es 3300 sein. In den nächsten Jahren werden zehntausende Folgen, insgesamt sind fast eine halbe Millionen Menschen betroffen.
Das Problem besteht nicht allein in diesem fragwürdigen Kompromiss an sich, sondern auf Mikroebene auch darin, dass die Betroffenen rechtzeitig und aktiv ihre andere Staatsbürgerschaft ablegen müssen. Ansonsten verlieren sie die deutsche und müssen sich bei der Ausländerbehörde um eine Aufenthaltserlaubnis kümmern. Ausnahmen, die zur Beibehaltung beider StaatsbürgerInnenschaften führen können, sieht das Gesetz in einigen, wenigen Punkten vor, die allesamt harten Kriterien folgen und des Nachweises bedürfen.
Der deutsche Umgang mit Mehrstaatlichkeit ist ein Armutszeugnis und reiht sich ein in einen restriktiven Umgang mit Einbürgerung (Einbürgerungstest, Nachweis über Existenzsicherung …) und Zuwanderung (Asylpolitik). In zahlreichen europäischen Staaten ist die Einbürgerung ungleich einfacher, ebenso wie Mehrstaatlichkeit möglich ist.
Wer keine deutsche StaatsbürgerInnenschaft besitzt, ist von zahlreichen politischen Teilhaberechten ausgeschlossen, auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt und einer oft diskriminierenden Behandlung durch Behörden und Mehrheitsgesellschaft ausgesetzt.
In der Stadtratssitzung am 15.5.13 fragte die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen nach den Auswirkungen der Optionspflicht auf in Leipzig lebende Menschen mit doppelter StaatsbürgerInnenschaft.
Die Zahlen sind laut dem zuständigen Dezernat Umwelt, Ordnung und Sport äußerst gering, was für Ostdeutschland nicht ungewöhnlich ist. Im Jahr 2013 ist eine Person betroffen, in den nächsten 5 Jahren werden es voraussichtlich 15 sein.
Aufgrund der auftretenden Komplikationen und fragwürdigen integrationspolitischen Wirkung der Optionspflicht ist derzeit erneut eine Debatte um die Ermöglichung von Mehrstaatlichkeit entbrannt, die um einiges unaufgeregter geführt wird als Ende der 1990er Jahre.
DIE LINKE fordert die Abschaffung des Optionszwangs. Einbürgerungen müssen massiv erleichtert werden – im Grundsatz soll sie nach fünfjährigem Aufenthalt zu geringen Gebühren möglich sein – und die Mehrfachstaatsangehörigkeit muss generell akzeptiert werden.
>>> Antwort auf Stadtratsanfrage „Auswirkungen der Optionspflicht auf in Leipzig lebende Betroffene mit doppelter Staatsbürgerschaft“ (Mai 2013) download als pdf
>>> Themenpapier zu Staatsangehörigkeitsrecht der Fraktion DIE LINKE im Bundestag >>>