Verbindliche kommunalpolitische Beteiligung von Jugendlichen auf den Weg gebracht

Nach mehr als drei Jahren Vorarbeit hat der Stadtrat heute gegen einige Stimmen aus der CDU-Fraktion die Einrichtung eines Jugendparlaments auf den Weg gebracht. Noch in diesem Jahr soll gewählt werden!

Meine Rede zur Vorlage „Einrichtung eines Jugendparlaments“ in der Ratsversammlung am 16.7.2014

Leipzig ist ein Ort demokratischer Bewegung. Hier gibt es eine ausgeprägte Tradition zivilgesellschaftlichen Protestes, eine reichhaltige Landschaft von Vereinen und Initiativen. Die Stadt schmückt sich seit geraumer Zeit auch mit einer zweijährlich stattfindenden Internationalen Demokratiekonferenz.

Vor mehr als drei Jahren wurde dieses Spektrum um die Initiative für ein Jugendparlament reicher. Und trotz zahlreicher Widrigkeiten, Skepsis und Steinen im Weg ist diese Initiative über die Jahre gediehen. Ziel ist es einer der gesellschaftlichen Gruppen, die strukturell von Entscheidungsprozessen ausgeschlossen ist, nämlich jungen Menschen, eine verbindliche Form der kommunalpolitischen Partizipation zu gewähren. Damit könnte in Leipzig eine gewisse „Normalität“ einziehen. In der Nachbarstadt Borna und zahlreichen anderen Orten in der Bundesrepublik sind solche Formen der institutionalisierten Mitwirkung von Jugendlichen gang und gäbe.

Die Verbindlichkeit und die stadtweite Form ist es, die das Jugendparlament, was wir heute auf den Weg bringen wollen, von kleinteiligen Beteiligungsprojekten unterscheidet.

Der Weg zu diesem Beschlussvorschlag war lang. Und auch heute sind aus der konservativen Ecke Störgeräusche zu vernehmen. Zuerst wurde die Beschlussvorlage zur Grundsatzentscheidung im Ausschuss Allgemeine Verwaltung zurückgewiesen. Im Jugendhilfeausschuss am Montag wurde erneut versucht die Vorlage von der Tagesordnung zu nehmen.

Liebe Damen und Herren von der CDU: bereits der Prozess zu einer Satzung war partizipativ ausgestaltet. Unsere Fraktion hat die Initiative und die zuständige Mitarbeiterin aus dem Büro für Ratsangelegenheiten eingeladen und diskutiert. Der Jugendverband meiner Partei hat sich ebenso eingebracht. Genau sie haben diese Möglichkeit ausgelassen. Nicht zuletzt darum erscheinen ihre Interventionen wie eine grundsätzliche Verhinderungstaktik.

Das Jugendparlament soll aus 20 gewählten Vertreter*innen bestehen. Acht der Gewählten werden dann in einem Jugendbeirat entsendet, der formal bei der Stadt Leipzig angesiedelt ist. Diese Konstruktion sichert das Antrags- und Rederecht im Stadtrat.

Natürlich könnte die Beteiligungsmöglichkeit einfacher gestrickt sein, indem Beteiligungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen in der Sächsischen Gemeindeordnung implementiert werden. Genau das hat allerdings die schwarz-gelbe Landesregierung in der zu Ende gehenden Landtagslegislaturperiode verhindert.

Und so wurde auf Grundlage des Möglichen in den letzten Monaten in enger Zusammenarbeit zwischen Initiative, pädagogischer Begleitung, dem Büro für Ratsangelegenheiten und dem Rechtsamt ein Satzungsentwurf gestrickt. Aufgrund des Drucks einer Fraktion ist nun in kürzester Zeit eine Wahlordnung hinzugekommen, die eigentlich gar nicht Bestandteil der heutigen Beschlussvorlage sein müsste. Genau durch diesen Druck wurde eine sachgemäße Beteiligung der Jugendlichen am Gesamt-Prozess geschmälert. Genau so soll Mitwirkung nicht aussehen.

Meine Fraktion wird der Vorlage zustimmen. Wir stehen explizit auch hinter dem modellhaften Versuch einer online-Wahl, die vielleicht auch beispielhaft für andere Direkt-Wahlen, wie der des Migrantenbeirates sein könnte. Sowohl das Jugendparlament als auch der Wahlakt haben einen experimentellen Charakter. Und das ist kein Makel. Gerade junge Menschen haben das Recht und auch den Drang, neue Wege zu gehen.

Wir sollten den jungen Leuten nach diesem Kraftakt unser Vertrauen aussprechen ihren Weg zu gehen und das Jugendparlament als bündelndes Instrument der Jugendbeteiligung in Leipzig auszutesten. Das Jugendparlament ist auch für uns eine Chance die Bedürfnisse von jungen Menschen stärker in unser politisches Handeln einzubinden. Denn es braucht dafür viel mehr als Kitaplätze und eine gute Beschulung. Ich bin guter Hoffnung, dass das Jugendparlament uns mit eigenen Ideen und Vorstellungen konfrontiert und Routinen infrage stellt.

Genau dafür ist es notwendig dass es eine gute stadtweite und basisorientierte Vernetzung der JugendparlamentarierInnen gibt. Nur wenn das Gremium keine NachwuchspolitikerInnen- Maschine wird, ist es aus meiner Sicht wertvoll. Und hier kommt der Träger der pädagogischen Betreuung ins Spiel. Der Stadtjugendring hat nicht nur dafür gesorgt, die vielen Hindernisse auf dem Weg zu diesem Beschlussvorschlag aus dem Weg zu räumen. Die dort angesiedelte Jugendbeteiligungsstelle vereint zwei Aufgabengebiete: einerseits die Begleitung des Jugendparlaments und andererseits Aufbau und Beförderung von Jugendbeteiligungsstrukturen an der Basis, in den so genannten Planungsräumen der Kinder- und Jugendförderung. Gerade letzteres zielt darauf junge Menschen zu empowern, zu organisieren und ihre Stimme in Konfliktsituationen hörbar zu machen. Genau diese Konstellation bedeutet die Vereinigung der konkreten Problemen vor Ort und die Lobbyarbeit auf der großen politischen Ebene. Aus meiner Sicht muss daraus aber auch eine gesicherte Finanzierung der Arbeit folgen und nicht ein jährlicher Kampf, wie wir ihn seit 3 Jahren kämpfen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

wagen wir heute den Schritt, jungen Leuten mehr Zugriff auf politische Entscheidungen zu geben.

Der Verwaltung möchte ich zum Schluss noch ins Stammbuch schreiben schnell alle Formalia auf den Weg zu bringen, um die Wahl noch in diesem Jahr zu ermöglichen.

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