Stadtratsfraktionen DIE LINKE, Grüne und SPD reichen Antrag zum Erhalt des Techno-Clubs Distillery ein

Im Zuge der Planungen für den Stadtraum Bayerischer Bahnhof, die auf die Errichtung eines neuen Stadtviertels in der Südvorstadt gerichtet sind, ist die Debatte um die Zukunft der auf dem Areal angesiedelten Gebäuden entbrannt. Im Fokus steht dabei besonders der Techno-Club Distillery, der seit 1995 in der Kurt-Eisner-Straße 91 (ehemals 108 A) angesiedelt ist.

Bereits Ende 2011 richtete die Fraktion DIE LINKE eine Anfrage bezüglich der Zukunft des Standortes der „Distille“ an den Oberbürgermeister. Die Antwort war ernüchternd: der zu dieser Zeit amtierende Baubürgermeister Martin zur Nedden blieb in seiner Antwort nicht nur nebulös, sondern ließ in einem Nebensatz unter anderem sinngemäß fallen, dass es ja auch möglich sei, dass es die Distillery gar nicht mehr gibt, wenn die Pläne zur Errichtung des neuen Stadtviertels auf dem Gelände Bayerischer Bahnhof weiter gediehen sind.

Diese Reaktion war und ist bezeichnend für den Umgang mit kulturellen oder sozialen Einrichtungen. Wenn ertragreiche Investitionen in Sicht sind, werden solche Projekte ohne Wimperzucken zur Disposition gestellt. Dagegen regt sich verstärkt Protest, der mittlerweile auch auf Sadtratsebene angekommen ist. (siehe: Belange der Clubkultur und selbstorganisierten Kulturszene denen von InvestorInnen gleichstellen)

Da das Grundstück, auf dem die Distillery angesiedelt ist, sich im Eigentum der Deutschen Bahn befindet, können Stadtverwaltung und Stadtrat nicht einfach über die Zukunft des Standortes entscheiden. Allerdings könnten mit einer klaren Positionierung und durch ein kluges Planungsverfahren Weichen für den Erhalt des Standortes des Techno-Clubs gestellt werden.

Aus diesem Grund haben die Fraktionen Bündnis 90/ Die Grünen, DIE LINKE und SPD in der Ratsversammlung am 10.7.2013 einen gemeinsamen Antrag für den „Erhalt der Distillery am Standort Kurt-Eisner-Straße 91“ ins Stadtrats-Verfahren gegeben. Im Antrag geht es sowohl um ein Bekenntnis zur Kultureinrichtung als auch zum Standort in der Südvorstadt.

Der Antrag wird in der Stadtratssitzung am 18.9.2013 in die Ausschüsse des Stadtrates verwiesen, wenige Tage nach den Aktionen um den 20. Geburtstag des ältesten und wohl bekanntesten Clubs für elektronische Musik in Deutschland.

 

*Antrag*

Erhalt der Distillery am Standort Kurt-Eisner-Straße 91
1. Die Stadt Leipzig bekennt sich zum Club „Distillery“ als wichtigem Bestandteil der Kulturstadt Leipzig.

2. Die Stadt Leipzig bekennt sich zum Erhalt der „Distillery“ am Standort Kurt-Eisner Straße 91 und setzt sich dafür gegenüber dem Eigentümer des Geländes, der Deutschen Bahn AG, ein. Insbesondere soll im laufenden Planungsverfahren gesichert werden, dass ein Weiterbetrieb am Standort durch die angestrebte Umfeldbebauung ermöglicht wird.

Begründung:
Durch die Planung um das Baugebiet Bayerischer Bahnhof ist auch die Diskussion zu anliegenden Gebäuden und der Entwicklung eröffnet worden. In den Mittelpunkt der Diskussion ist die Leipziger Distillery gerückt. Der Leipziger Club Distillery ist seit 1992 zum wichtigen Bestandteil der Leipziger Szenekultur geworden, der weit über die Grenzen Leipzigs bekannt ist. Als ältester Club für elektronische Musik Ostdeutschlands ist die Distillery in der Region der erste Anlaufpunkt, wenn es um anspruchsvolle elektronische Musik geht. 2005 wurde der Club folgerichtig vom Kulturausschuss des Stadtrates als kulturell wichtige Einrichtung der Stadt Leipzig anerkannt. 2012 wählte das größte Fachmagazin im Spektrum elektronische Musik „DeBug – Zeitschrift für elektronische Lebensaspekte“ und dessen LeserInnen die Distillery unter die 10 besten Clubs der Bundesrepublik.

Entwicklung und Bedeutung der Distillery
Mit der Etablierung der Distillery am heutigen Standort im Jahre 1995 konnte durch Planungssicherheit mit einer nachhaltigen Clubarbeit begonnen werden. Diese beinhaltet zum einen den Aufbau von deutschlandweiten und internationalen Netzwerken, die Förderung unbekannter und das Buchen namhafter KünstlerInnen aus der ganzen Welt. Viele nationale und internationale KünstlerInnen waren bereits zu Gast – von Carl Craig, Laurent Garnier, Jeff Mills, Dave Clarke, Sven Väth und Richie Hawtin über Ricardo Villalobos, Paul Kalkbrenner, Louie Austen und Steve Bug bis zu LTJ Bukem, Afrika Bambaataa, DJ Vadim, Blowfly, DJ Krush, DJ Koze, Storm, Kool Keith oder Princess Superstar. Neben reinen DJ-Sets gibt es auch Liveacts und kleine Clubkonzerte. 1995 wurde aus der Distillery heraus das Magazin „100°“ gegründet, seit 2006 wird das Magazin „Drunk“ herausgegeben, welches 2007 den sächsischen Medienpreis für Design erhielt.

Weiterhin haben durch die Nachwuchsarbeit viele heute erfolgreiche KünstlerInnen ihre Karriere in der Distillery begonnen. Ein Ergebnis dieser Nachwuchsarbeit war 2001 die Gründung des Moonharbour Labels, das mittlerweile ebenfalls internationalen Ruf genießt und dessen Ursprung in der Distillery liegt. Der Distillery entstammt auch das Think Festival, das erstmals 1994 und seit 2010 wieder jedes Jahr am Cospudener See veranstaltet wird und Menschen aus ganz Deutschland nach Leipzig zieht.

Die Distillery hat eine enorme Anziehungskraft und trägt maßgeblich dazu bei, dass junge Menschen Leipzig attraktiv finden und sich dafür entscheiden, ihr Leben hier zu gestalten. Neben dem Effekt der Bereicherung des kulturellen Lebens der Stadt und dem nationalen Renommee, sind Einrichtungen wie die Distillery auch wichtige Wirtschafts- und Tourismusfaktoren. Die Distillery ist Arbeitgeber von zwischen 25 und 30 Festangestellten, FreiberuflerInnen und Teilzeitkräften mit einem aktuellen Jahresumsatz von 650.00 Euro. Nebenbei werden durch Gastronomie, Eintrittsgelder und Sponsoring zusätzliche Umsätze generiert. Eine Förderung seitens der Stadt gibt es nicht.

Die Distillery im Stadtraum Bayerischer Bahnhof
Mit der Erschließung und geplanten Bebauung des „Stadtraums Bayerischer Bahnhof“ ist die Befürchtung verbunden, dass die Distillery ihren bisherigen Standort verlassen muss. Bisher gab es weder seitens der Grundstückseigentümerin, der Deutschen Bahn AG, noch der Stadt Leipzig eine verbindliche Aussage über die Zukunft des Standortes. Die Distillery strebt aus mehreren Gründen an, den aktuellen Standort zu halten. Eine Standortverlegung birgt unkalkulierbare Risiken für den Club. Neben nicht unerheblichen Neuinvestitionen in Brandschutz, Fluchtwege, Gebäude und Infrastruktur kann sich eine falsche Standortwahl negativ auf die Akzeptanz durch das Publikum auswirken. In der Regel dauert es nach Neueröffnungen oder Umzügen mindestens ein Jahr, bis Musikclubs kostendeckend arbeiten. Nach Aussagen der Betreiber der Distillery sind keine ausreichenden finanziellen Rücklagen vorhanden, um die notwendigen Investitionen zu tätigen und den zu erwartenden betriebswirtschaftlichen Verlustzeitraum zu überbrücken. Aufgrund dieser Voraussetzungen und der Tatsache, dass die Distillery seit 1992 fest im Leipziger Süden verortet ist, wird ein Umzug als sehr kritisch und existenzbedrohend betrachtet.

Mit dem vorliegenden Antrag soll eine eindeutige Positionierung der Stadt Leipzig für den Erhalt der Distillery am Standort Kurt-Eisner-Straße erwirkt werden. Darüber hinaus wird die Stadtverwaltung beauftragt, gemeinsam mit der Bahn AG einen Bebauungsplan zu entwickeln, der so gestaltet ist, dass durch die Bebauung insbesondere keine unzumutbaren Lärmbelästigungen für Anwohnerinnen und Anwohner entstehen. Es sollte geprüft werden, ob sich die Standorte im Umfeld für eine Schule oder Büro- bzw. Gewerberäume anstelle von Wohnhäusern eignen. Mit einem Bebauungsplan, der den Erhalt der Distillery am Standort sichert, würde die Stadtverwaltung auch die Intention des im Stadtrat beschlossenen Antrags
„Sicherung von Standorten der selbstorganisierten Kulturszene, der Clubkultur und der Kultur- und Kreativwirtschaft“ aufgreifen.

Aus kultur- und tourismuspolitischen Gründen sollte es im ureigensten Interesse der Stadt sein, die Distillery an ihrem Ort zu erhalten. Die Distillery gehört aus Sicht der AntragsstellerInnen zu einem „lebendigen Stadtquartier“ Bayerischer Bahnhof.

>>> download Antrag als pdf

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