Razzien gegen Antifas sind ein politisches Manöver

Die Leipziger Antifa (LeA) kritisiert die jüngste Welle von Razzien in Sachsen und Südbrandenburg gegen linke und antifaschistische Strukturen.
Am Dienstagmorgen hatten Polizeibeamte im Auftrag des Landeskriminalamtes (LKA) 20 Geschäftsräume und Wohnungen durchsucht, darunter eine in Leipzig. Anlass dafür sind laufende Ermittlungen der Dresdner Staatsanwaltschaft gegen 17 Personen, die sich insbesondere in Dresden an Aktionen gegen Neonazis beteiligt haben sollen. Ihnen wird die „Bildung krimineller Vereinigungen“ nach Paragraf 129 des Strafgesetzbuches
vorgeworfen.

Welche konkreten Taten den Beschuldigten zur Last gelegt werden, ist unklar. Der zuständige Oberstaatsanwalt Lorenz Haase musste schon am Mittwoch gegenüber der Leipziger Volkszeitung (LVZ) und den Dresdner Neusten Nachrichten (DNN) einräumen, „keine Informationen“ darüber zu´ haben – offenbar stochern die Ermittler im Nebel. Der Paragraf 129 legitimiert dennoch umfassende Überwachungsmaßnahmen. Es ist davon auszugehen, dass im aktuellen Fall Telefongespräche und die Internetkommunikation der Betroffenen über Monate hinweg überwacht und ihr persönliches und kulturelles Umfeld dadurch ausgespäht worden ist.

Die Hausdurchsuchungen stehen im Kontext eines zunehmend repressiven Vorgehens gegen Anti-Nazi-Proteste: Bereits am 19. Februar 2011 wurden in Dresden die Vereinsräume des „Roten Baum“ und das „Haus der Begegnung“  durchsucht, weil von dort aus Proteste gegen einen Naziaufmarsch unterstützt worden sein sollen. Hier wird ebenfalls wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ ermittelt. Es war ebenfalls die
Staatsanwaltschaft Dresden, die im vergangenen Jahr die Aufhebung der Immunität des sächsischen Landtagsabgeordneten André Hahn (Die Linke) beantragt hat, um gegen ihn wegen eines angeblichen Aufrufs zur Blockade des Naziaufmarsches am 13. Februar 2010 ermitteln zu können. Mit der sächsischen Anti-„Extremismus“-Klausel schließlich gerät auch die Anti-Rechts-Zivilgesellschaft verstärkt unter Druck.

Während beispielsweise die Proteste gegen die regelmäßigen Naziaufmärsche in Dresden bundesweit durch Parteien, zivilgesellschaftliche Initiativen und Einzelpersonen unterstützt werden, kriminalisiert die sächsische Regierung das antifaschistische Engagement. Im Rahmen der jüngsten Hausdurchsuchungen ist die Polizei besonders martialisch vorgegangen: Bis zu 30 vermummte Beamte drangen gewaltsam in die Wohnungen der Betroffenen ein.

Im Rahmen des sächsischen Anti-„Extremismus“-Kurses gelingt es der Landesregierung seit Jahren nicht, Naziaufmärsche oder die alltäglichen Übergriffe von Nazis auf andere Menschen zu verhindern. Stattdessen widmet sie sich der Kriminalisierung des antifaschistischen Engagements und versucht damit, eine Spaltung zwischen antifaschistischen Gruppen, zivilgesellschaftlichen Initiativen und BürgerInnen zu forcieren. Dieses politische Manöver wird der konservativen sächsischen Regierung nicht
gelingen.

Antifaschismus lässt sich nicht verbieten!

Pressemitteilung, 15.4.2011

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LVZ-online am 15.42011, von Matthias Puppe

Kritik an Hausdurchsuchung in Leipzig-Connewitz – Staatsanwaltschaft hält sich bedeckt

Drei Tage nach den Hausdurchsuchungen im Leipziger Stadtteil Connewitz und in sechs weiteren Kommunen hält sich die ermittelnde Dresdner Staatsanwaltschaft weitgehend bedeckt. „Zu den Ergebnissen können wir nichts mitteilen“, sagte Sprecher Lorenz Haase am Freitag.

Zumindest Sachsens Polizeipräsident Bernd Merbitz rückte etwas aus der Deckung des schwebenden Ermittlungsverfahrens, zeigte sich auf Anfrage von LVZ-Online sehr erfreut über die Ergebnisse der Razzien: „Es konnte umfangreiches Material sicher gestellt werden, das nun gesichtet wird.“ Nach Angaben der Staatsanwaltschaft werden derzeit die beschlagnahmten Computer systematisch ausgewertet und die sicher gestellten Dokumente und Schlagwaffen kriminalistisch nach Spuren untersucht.

Derweil mehrt sich die Kritik am Vorgehen der Behörden. Vor allem der staatsanwaltliche Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung wird in Frage gestellt. „Der Paragraph 129 des Strafgesetzbuches, mit dem gegen die 17 betroffenen Personen ermittelt wird, ist hinlänglich als Gesinnungs- und Ermittlungsparagraph bekannt“, sagte Juliane Nagel, Stadträtin der Linken in Leipzig, auf Anfrage von LVZ-Online.

„Er wird überwiegend gegen links eingesetzt und verschafft den staatlichen Behörden weitreichende Ermittlungskompetenzen“, behauptet die 32-jährige Politikern. So sollen im Vorfeld der Durchsuchungen auch Telefone der Beschuldigten überwacht worden sein. „Wie weit die Kreise der Ermittler reichen, ist aber nicht auszumachen“, sagte Nagel.

In die selbe Richtung argumentiert auch das „Libertäre Netzwerk Dresden“ – ein Zusammenschluss verschiedener politischer Arbeitskreise in der Landeshauptstadt. In einer Stellungnahme verurteilt das Netzwerk die Maßnahme als „repressiven Angriff und Einschüchterungsversuch gegen linke Strukturen.“ Sowohl Juliane Nagel, als auch die Dresdner sehen die Durchsuchungen am Dienstagmorgen im Zusammenhang mit dem neuen Präsidenten des Landeskriminalamtes, Jörg Michaelis.

Dieser hatte bei seiner Amtseinführung am 1. April „linksmotivierte Kriminalität“ als neuen Arbeitsschwerpunkt ausgegeben. „Der neue LKA-Chef hat seine Linie mit den Razzien klar gemacht: Nicht Neonazis, deren Gewalttaten die Statistik politisch motivierter Straftaten anführen, sondern so genannte Linksextremisten sind sein Ziel“, sagte die Leipziger Stadträtin.

Dagegen erklärte Landespolizeipräsident Bernd Merbitz auf Anfrage von LVZ-Online, dass die Durchsuchungen schon lange vorher vorbereitet wurden und somit nicht mit Michaelis Amtseinführung zusammen hänge. „Die Ermittler haben monatelang Hinweise gesammelt“, sagte Merbitz.

Im Auftrag der Dresdner Staatsanwaltschaft hatte die Polizei am Dienstagmorgen Wohnungen und Geschäftsräume in Dresden, Machern, Grimma, Niesky, Senftenberg, Finsterwalde und im Leipziger Stadtteil Connewitz durchsucht. Das Ermittlungsverfahren richtet sich gegen eine Frau und 16 Männer im Alter zwischen 20 und 33 Jahren, denen vorgeworfen wird, „ansatzlos, gezielt und zum Teil äußerst brutal“ gegen Personen des politisch rechten Spektrums vorgegangen zu sein. Die Behörde geht davon aus, dass es sich um eine zusammenhängende Gruppe handelt, die über mehrere Städte hinweg kooperierte.

Im März vermeldet die sächsische Polizei einen Anstieg der politisch motivierten Gewaltdelikte in Sachsen. Gegenüber 180 Fällen 2009 wurden im Vorjahr im Freistaat 241 Straftaten in dieser Kategorie von den Beamten registriert. Die Zahl der Gewaltstraftaten aus dem politisch rechten Lager stieg dabei von 84 (2009) auf 98 (2010). Der linken Szene wurden im vergangenen Jahr von der Polizei 130 Gewaltstraftaten zugeordnet. Im Jahr zuvor waren es noch 89.

Opferberatungsstellen, wie die Regionale Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie e. V. (RAA), gehen allerdings von einer höheren Zahl Gewaltdelikte mit rassistischem und rechtsradikalem Hintergrund und einer Dunkelziffer nicht gemeldeter Übergriffe aus. Laut Statistik der RAA wurden in den Beratungsstellen in Sachsen im vergangenen Jahr 239 Angriffe auf Personen registriert.

2 Gedanken zu „Razzien gegen Antifas sind ein politisches Manöver“

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