Revierleiter fordert zur Denunziation der Alternativen Szene in Connewitz auf | Bürgerinnen und Bürger sollen ihre „Erfahrungen“ der Polizei melden | Scharfer Protest der Connewitzer Kulturprojekte, Gewerbetreibenden und BewohnerInnen
Ganz offensichtlich überschreitet die Polizeidirektion Leipzig in Persona des Revierleiters Südwest Herrn Gurke derzeit ihre Kompetenzen. In einem öffentlichen Schreiben des CDU-Ortsverbandes rund um Stadtrat Karsten Albrecht wird von einem Treffen mit dem Leiter der Polizeidirektion Südwest, Herrn Gurke berichtet. Dort steht wortwörtlich, dass „Herr Gurke darum gebeten (hat), Erfahrungsberichte der Anwohner mit der links-alternativen Szene zu erhalten.“ Stadtrat Albrecht bot sich darüber hinaus an, die Berichte zu sammeln und „an Herrn Gurke weiterzugeben“.
Wir sind entsetzt. Nicht so sehr über das parteipolitische Gebaren von Karsten Albrecht. Dass sich die CDU-Fraktion ordnungspolitisch profilieren will, ist nicht neu. Vielmehr über die Kompetenzüberschreitung vom Revierleiter Gurke, der ganz in Stasi-Manier vollkommen willkürlich „Erkenntnisse“ über Connewitzer Bewohnerinnen und Bewohner sammeln will und dabei den Kernbereich der Polizei – die Aufklärung und Verhinderung von Straftaten – definitiv überschreitet.
Dass sich die Polizeidirektion Leipzig in die politische Bewertung von gesellschaftlichen Konflikten aktiv und parteiisch einmischt, wurde zuletzt in den Diskussionen um die Drogenpräventionsarbeit der Stadt Leipzig deutlich. Revierleiter Gurkes Aufruf, die Connewitzer Szene – was immer er darunter auch versteht – einem Klima der Verdächtigung auszusetzen und zu bespitzeln, geht jedoch weit über den politischen Streit kommunaler Akteure hinaus – ist zu Ende gedacht nichts weiter als ein Ausdruck einer Überwachungsgesellschaft, wie wir sie aus DDR-Zeiten kennen.
Wir fragen uns, wer in das Raster der „linksalternativen Szene“ fällt? Wie sollen diese Berichte aussehen und vor allem, was passiert mit ihnen? Welchen weiteren Institutionen werden die Berichte zur Verfügung gestellt? Wie kann man „informeller Mitarbeiter“ von Herrn Gurke werden?
Warum die Polizeidirektion zu dermaßen staatsautoritären und repressiven Mitteln greift, die allen demokratischen Umgangsformen zuwiderlaufen, erschließt sich uns nicht.
Seit Monaten sind Kulturzentren, zivilgesellschaftliche Initiativen und Einzelpersonen sowie politische VertreterInnen der Stadt sowie der Verwaltung bemüht, die derzeit akuten Probleme um Stadtentwicklung und Verdrängung im Leipziger Süden und Westen in einer breiten Debattenkultur in die richtigen Bahnen zu lenken. Im Werk 2, dem UT Connewitz und dem Conne Island fanden dazu mehrere Diskussionsveranstaltungen mit BewohnerInnen, WissenschaftlerInnen und PolitikerInnen statt. Der aktuelle konstruktive Dialog ist unübersehbar.
Mit dem Aufruf zur sozialen Kontrolle und Überwachung von BewohnerInnen durch BewohnerInnen diskreditiert die Polizeidirektion auch all diese Bemühungen. Sie hat damit in vielen Augen das Feld von demokratischer Streit- und Debattenkultur verlassen. Vereine und Einzelpersonen, die seit mehr als 20 Jahren das kulturelle, politische und alltägliche Leben in Connewitz fördern, sehen das Vertrauensverhältnis massiv in Gefahr, teilweise bereits zerstört.
Wir haben keine Lust auf diese Formen von „bürgerschaftlichem“ Engagement und fordern Revierleiter Gurke hiermit auf, seine fragwürdigen Aussagen schnellstens zu revidieren und sich bei der „Connewitzer Szene“ öffentlich zu entschuldigen. Wer in Stasi-Manier über die MitbewohnerInnen seines Viertels berichtet haben will, steht im eklatanten Widerspruch zum Anspruch der Stadt Leipzig, eine zivilgesellschaftlich engagierte und weltoffene Stadt zu sein.
Conne Island, Mai 2012
ErstunterzeichnerInnnen (Stand 29. Mai 2012):
Soziokulturelles Zentrum Conne Island, Fischladen e.V., Roter Stern Leipzig 1999 e.V., linXXnet – Abgeordneten- und Projektbüro, Könich Heinz, deli, Bäckerei Natur Backstube, Buchladen El Libro, Taka Tiki – Tätowiererei, Lazy Dog