Nach dem Todesfall in der Torgauer Straße: keine greifbaren Konsequenzen & Festhalten an der Massenunterkunft für Asylsuchende

Die schriftliche Antwort auf die Anfrage der Linksfraktion zur Massenunterkunft für Asylsuchende in der Torgauer Str. 290 liegt vor. Sie zeigt, dass es seitens der Stadt keine greifbaren Konsequenzen gibt, die nach der Medienberichterstattung im August von vielen Seiten eingefordert wurden.

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Einschätzung:

Die Fragen nach dem Todesfall von Hisham Yazbek, der im Mai 2013 in seinem Zimmer verstarb und dort etwa 5-6 Wochen unbemerkt lag, werden von der Verwaltung de facto nicht beantwortet. Dass der Ein- und Ausgang des Asylsuchenden aus dem Libanon nicht kontrolliert wurde, spricht nicht gegen die Betreiberfirma. Schließlich kann es nicht darum gehen, eine umfassende Bewegungskontrolle der BewohnerInnen zu fordern. Dass Hisham nicht vermißt wurde, spricht viel mehr Bände über das (nicht existierende) soziale Leben in der Unterkunft. Das ist angesichts der Lebenssituation von Menschen im deutschen Asylverfahren und der menschenunwürdigen Unterbringung kaum verwunderlich.

Die Antworten auf die Frage nach Konsequenzen, die aus dem Todesfall gezogen werden, bleiben nebulös. So sei „das Geschehen aufgearbeitet worden“ und „Inhalt und Umfang weiterer Schritte abgewogen“ worden. Im Ergebnis werde eine „überarbeitete Richtlinie“ geprüft und „ein Qualitätsleitfaden für die soziale Betreuung“ erarbeitet. Zu diesen abstrakten Informationen werde ich eine schriftliche Nachfrage stellen (dies ist laut Geschäftsordnung der Ratsversammlung möglich, wenn Anfragen schriftlich beantwortet werden).

Die Antworten zeigen weiterhin, dass die Finanzierung der Betreibung der Massenunterkunft im Dunkeln liegt und auch liegen soll. Nicht nur wurde den StadträtInnen und der Öffentlichkeit die detaillierte Aufschlüsselung einer Mehrzuwendung an die Betreiberfirma A&S LAVAL für die Erweiterung der Unterkunft im Dezember 2012 bisher vorenthalten (dabei handelt es sich um Kosten zur Inbetriebnahme von 3 Aufgängen im eigentlich geschlossenen Haus 1), zur wirtschaftlichen Betreibung werden A&S LAVAL im Jahr 2013 1,46 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Die Frage nach den genauen Ausgabeposten, bleibt unbeantwortet (und wird nachgefragt). Die Kommune bekommt vom Freistaat vierteljährlich 1500 Euro pro Asylsuchendem/r. Davon müssen sämtlich Kosten für Unterbringung, Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz, Verwaltungsaufwand sowie einen Teil der Gesundheitskosten getragen werden. Die Pauschale wurde im vergangenen Jahr aufgrund der durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 18.7.12 erhöhten Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz von seinerzeit 1.125 Euro erhöht. Mitte September 2013 wurde vom Sächsischen Innenminister erneut einer Erhöhung angekündigt.

Die Antwort auf die Anfrage fördert ausserdem zutage, dass die Stadt Leipzig selbst aus der Massenunterkunft in der Torgauer Straße 290 Einnahmen in Höhe von über 100.000 Euro (90.000 Euro Mieteinnahmen und 16.224 Euro Pachtzins) generiert.

Der dem Tod von Hisham Yazbek folgenden Forderung nach Verstärkung der sozialen Betreuung in der Unterkunft kommt die Verwaltung nicht nach. Sie führt an, dass die Stellenzahl Anfang 2013 um 25 Wochenstunden erhöht wurde. Doch seitdem ist die Zahl der Menschen, die dort leben, immens angestiegen. 2,2 VzÄ für die soziale Betreuung von ca. 250 Menschen sind ein Witz. Mit diesem Schlüssel kann kaum den Bedürfnissen und der notwendigen Unterstützung Rechnung getragen werden. Doch auch für die geplante Erweiterung der Torgauer Straße auf ca. 400 Plätze scheint keine Aufstockung der sozialen Betreuung geplant zu sein.

Übrigens stellt der Freistaat den Kommunen und Landkreise für genau diese Aufgabe gar kein Geld zur Verfügung. So gibt es beispielsweise im Landkreis Leipzig fast ausschließlich ehrenamtliche soziale Arbeit für und mit den Asylsuchenden, die in den dortigen vier Unterkünften leben müssen. Um diese Situation zu ändern hat die Linksfraktion im Sächsischen Landtag im August einen Antrag „Lebenssituation von Asylsuchenden im Freistaat Sachsen jetzt endlich spürbar und nachhaltig verbessern“ ins Verfahren gebracht. Mit diesem wird u.a. die Gewährleistung einer qualifizierten sozialen Betreuung im Verhältnis 1:50 sowie „ein schnellerer Zugang zu Sprache, Bildung, zu Arbeit und zur vollen rechtlichen Gleichstellung bis hin zur Einbürgerung“ gefordert. (zum Antrag

Schlussendlich bestätigen sich mit der Antwort auf die Frage nach Schließung der Massenunterkunft in der Torgauer Str. – wie sie am 18.7.2012 durch den Stadtrat beschlossen und auf einer Kundgebung am 18.9.2013 eingefordert wurde – die Befürchtungen, dass dieser Schritt auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben ist. Es scheint so als wenn das im Juli 2012 nach heftiger Debatte beschlossene Unterbringungskonzept für Asylsuchende in Leipzig, das eigentliche eine positive Trendwende zumindest in Sachen menschenwürdiger Wohnbedingungen einleiten sollte, gescheitert ist.

Dazu gibt’s in der nächsten Stadtratssitzung am 16.10.13 die nächste Anfrage an den Oberbürgermeister:

Anfrage-Nr.: V/F977/13, Fraktion DIE LINKE

Stand der Umsetzung des Konzeptes „Wohnen für Berechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Leipzig“, Patenschaftsmodell, Finanzierung

Am 18.7.2012 beschloss der Stadtrat das Konzept „Wohnen für Berechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Leipzig”. Demnach sollen Asylsuchende zukünftig in kleinteiligen Unterkünften, verteilt im gesamten Stadtgebiet, untergebracht werden. Nach dem Wegfall zweier geplanter Standorte, dem Hinzukommen zweier Standorte und der Eröffnung von zwei geplanten Häusern ist für das laufende Jahr die Eröffnung weiterer fünf Objekte geplant. Eine in der Vorlage zum Wohnen für Asylsuchende zudem geplante Maßnahme ist die Einrichtung eines Patenschaftsmodells.

Wir fragen vor diesem Hintergrund:

1. Wie ist der Stand des Ausbaus der geplanten Unterkünfte in der Georg-Schwarz-Straße, Georg-Schumann-Straße, Markranstädter Straße, Pittlerstraße, Bornaischen Straße sowie des Hauses 1 in der Riebeckstraße? (bitte einzeln auflisten, inklusive anvisiertem Eröffnungstermin)

2. Wie ist der Stand des Abschlusses von Mietverträgen mit den Gebäudeeigentümern?

3. Wie wurden AnwohnerInnen der neuen Standorte für gemeinschaftliches Wohnen von Asylsuchenden sowie Vereine und Initiativen bisher einbezogen? Gibt es bereits Zusammenschlüsse zur Unterstützung des solidarischen Zusammenlebens von Asylsuchenden und AnwohnerInnen, die der Stadt Leipzig bekannt sind? Wenn ja, welche? Gibt es juristische Schritte gegen die Errichtung von einzelnen Unterkünften? Wenn ja, in Bezug auf welche Standorte?

4. Welche zusätzlichen Standorte für gemeinschaftliches Wohnen von AsylbewerberInnen und Geduldeten wurden seit der Beschlussfassung des Unterbringungskonzeptes mit welchem Ergebnis geprüft (Beschlusspunkt 4 der Vorlage 1904)? Wie viele zusätzliche Objekte wären nötig, um zumindest die Sammelunterkunft in der Torgauer Str. 290 zu schließen (Beschlusspunkt 3 der Vorlage)?

5. In welchem Stadium befindet sich das Patenschaftsmodell? Wurde bereits ein Träger ausgewählt, der mit der Organisation der Patenschaftsvermittlung und der Beratung der Paten bei auftretenden Fragen beauftragt wurde?

6. Mitte September 2013 wurde in den Medien über eine geplante Erhöhung der finanziellen Zuweisung für die Unterbringung und Versorgung für Asylsuchende durch den Freistaat Sachsen berichtet. Gibt es inzwischen verbindlichere Informationen über Höhe und Zeitpunkt der Mehrzuweisung? Wie hoch müsste die Zuweisung an die Stadt Leipzig durchschnittlich sein, um die anfallenden Kosten zu decken?

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