Leipziger Migrantenbeirat wird künftig direkt gewählt – echte Beteiligung ist landesweites Vorbild

no-one-is-illegalAm gestrigen Mittwoch beschloss der Leipziger Stadtrat, den Migrantenbeirat ab sofort in direkter Wahl durch die in Leipzig lebenden Migrantinnen und Migranten besetzen zu lassen. Damit ist Leipzig nach der Landeshauptstadt Dresden die zweite sächsische Stadt, in der die Beteiligungsspielräume von Migrantinnen und Migranten erweitert werden.

Die Leipziger Abgeordnete Juliane Nagel, zuständig für Asyl- und Migrationspolitik und selbst Stadtratsmitglied, freut sich über diese Entscheidung:

Der Sächsische Migrantenbeirat fordert seit geraumer Zeit die Änderung der Sächsischen Gemeindeordnung, um die demokratische Partizipation der Migranten am gesellschaftlichen und politischen Leben klarer zu regeln. Dies wäre durch die Verankerung der MigrantInnenbeiräte als von den Migrantinnen und Migranten direkt gewählte Vertretungen in der Gemeindeordnung möglich. Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen und Hessen machen es vor. Auch auf der Landesebene ist eine Forcierung der Beteiligung von Migrantinnen und Migranten überfällig. Schließlich verfügen die Betroffenen, zu denen auch Eingebürgerte und EU-BürgerInnen gehören, auf der institutionalisierten landespolitischen Ebene de facto nicht über Beteiligungsinstrumente.

Seit 2006 gibt es den Sächsischen Migrantenbeirat (SMB) als Selbstvertretung der in Sachsen lebenden Migrantinnen und Migranten. Auf den erst im März 2014 vorgebrachten Vorschlag der Sozialministerin Christine Clauß, einen Beirat für Migration und Integration zu schaffen, reagierte der Sächsische Migrantenbeirat verständlicherweise ablehnend. Den Regierungsplänen zufolge sollten die VertreterInnen von Vereinen und Verbänden durch die Sozialministerin ernannt und nicht durch die Migrantinnen und Migranten im Freistaat gewählt werden. Wir brauchen allerdings keine Vertretungen von Gnaden der Regierung, sondern kritische Stimmen, die von den Betroffenen selbst bestimmt werden!
DIE LINKE im Sächsischen Landtag schließt sich den Forderungen des Sächsischen Migrantenbeirats an, wonach Migrantenbeiräte in der Sächsischen Gemeindeordnung verbindlich verankert und direkt gewählt werden sollen. Dasselbe gilt für die Einrichtung eines demokratisch gewählten LandesmigrantInnenbeirates. Nicht zuletzt wird über die Einführung des Ausländerwahlrechts auf kommunaler und Landesebene zu diskutieren sein.

Hintergrund 

Die Einrichtung von Ausländer- oder Migrantenbeiräten ist auf Grundlage von § 47 der Sächsischen Gemeindeordnung (SächsGemO) freiwillig möglich. Die Beiräte werden von den Gemeinderäten berufen. Eine Direktwahl der Mitglieder ist nicht explizit vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlossen.

(PM Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag, 16.10.2014)

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Meine Rede zum Antrag des Migrantenbeirats (Antrag A 00196/14 „Direkte Wahl der Mitglieder des Migrantenbeirats“) in der Ratsversammlung am 15.10.2014

ntegration kann nur gelingen, wenn Migrantinnen und Migranten und ihre Organisationen an den sie betreffende Entscheidungen beteiligt werden. Politische Partizipation fördert die Identifikation mit und die Integration in die Gesellschaft.
Daher ist sie eine wesentliche Dimension des Integrationsprozesses.

So steht es im Gesamtkonzept für die Integration von Migrantinnen und Migranten geschrieben, dass wir vor knapp zwei Jahren nach einem breiten Beteiligungskonzept beschlossen haben. IM Konzept ist auch festgeschrieben dass die Verwaltung prüft inwieweit die 16 Nicht-Stadtrats-Mitglieder des Migrantenbeirates, das Gremium das den Stadtrat bei den entsprechenden, MigrantInnen betreffenden Themen berät, direkt von der durch ihn repräsentierten Bevölkerungsgruppe gewählt werden können. Das Ergebnis dieser Prüfung wurde uns im September 2013 vorgelegt. Der Tenor war ablehnend: sowohl die Sächsische Gemeindeordnung, die niedrige Wahlbeteiligung in anderen Städten als auch die Kosten für eine solche Wahl wurden dafür angebracht.
Wir freuen uns, dass der Migrantenbeirat diesen Argumenten trotzt und sich mit dem heute zur Abstimmung stehenden Antrag für eine demokratische Legitimation seiner Vertreterinnen und Vertreter ausspricht.

Schauen wir über den lokalen Tellerrand: In Dresden wurde der dortige Ausländerbeirat im Mai 2014 bereits zum 3. Mal direkt gewählt. Zwar sieht die Sächsische Gemeindeordnung die Direktwahl von Beiräten des Stadtrates nicht explizit vor, sie schließt diese Variante jedoch nicht aus. Die Satzung des Dresdner Ausländerbeirates baut eine Brücke, indem die Direktwahl mit der Bestätigung durch den Stadtrat verknüpft wird.
Wir schlagen mit unserem Änderungsantrag vor sich ein Beispiel an dieser Variante zu nehmen  und die Hauptsatzung entsprechend anzupassen. Statt auf die Zusammensetzung nach Gemeindeordnung, müsste in der Hauptsatzung dann ein Bezug zu einer eigenen Satzung des Migrantenbeirates verfasst werden.
Außerdem will die Linksfraktion die Stadt mit ihrem ergänzenden Antrag beauftragten alle wahlvorbereitenden Maßnahmen zügig in Gang zu setzen, um die Wahl des Migrantenbeirates innerhalb eines Jahres nach Beschlussfassung zu ermöglichen. Wir halten eine Neubesetzung durch das alte Bewerbungs- und Benennungsverfahren für überflüssig. Nicht zuletzt könnten die Vertreterinnen und Vertreter des bestehenden Beirates dann ihr Werk vollenden und die vorbereitenden Maßnahmen zur Direktwahl selbst treffen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit zirka 53.000 Menschen stellen Migrantinnen und Migranten bereits 10 % der Stadtbevölkerung. Tendenz steigend. Wir nähern uns also langsam, aber sicher der bundesdeutschen Realität an. Über die Hälfte der Migrantinnen und Migranten sind von Wahlen ausgeschlossen. Ein weiterer Teil darf nur an Kommunal- und Europawahlen teilnehmen.
Meine Fraktion positioniert sich für die maximalen Möglichkeiten politischer Teilhabe für alle jene, die hier ihren Lebensmittelpunkt haben, egal welcher Aufenthaltsstatus ihnen per Gesetz zugestanden wird. Also eigentlich ein Ausländerwahlrecht. Doch dies muss auf Bundes und Landesebene verhandelt werden und wird durch die dortige Mehrheitspartei abgelehnt.
Und so müssen wir die Möglichkeiten nutzen, die wir hier vor Ort in der Kommune haben.
Aus meiner Sicht ist die Direktwahl eine Chance – eine Chance die Arbeit des Migrantenbeirates aufzuwerten und ein Ansporn die Belange und Anliegen der Wahlberechtigten stärker aufzunehmen und in den politischen Prozess einzuspeisen.
An die Vertreterinnen und Vertreter der CDU richte ich an dieser Stelle den Appell sich bei ihrer Landespartei dafür einzusetzen Migrantenbeiräte als gewählte Vertretungen in der Gemeindeordnung zu verankern, wie es in einigen Bundesländern bereits gehandhabt wird. Beteiligungsmöglichkeiten müssen zur Normalität werden, und nicht das ob zum politischen Kampffeld.
In diesem Sinne: stimmen Sie mit uns für den Antrag des Migrantenbeitrates und lassen uns die 2. Stadt in Sachsen sein, die denen, die zum größeren Teil von den Wahlen ausgeschlossen sind, eine direkte Beteiligungsmöglichkeit einräumt.

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