Hungerstreik im Erstaufnahme-Interim in Böhlen (Landkreis Leipzig)

boehle-eaSeit Montag, 7. September 2015 befinden sich zwei Geflüchtete im Apart-Hotel in Böhlen, das zum Teil als Erstaufnahmeeinrichtung genutzt wird, im Hungerstreik. Sie kritisieren die Unterbringung und die lange Wartezeit im Rahmen ihres Asylverfahrens

Während in Sachsen tagtäglich neue, zum großen Teil fragwürdige Aufnahme-Interims entstehen, scheint die Situation der dort einquartierten Menschen aus dem Blick zu geraten. Neben den menschenunwürdigen Lebensumständen in Turnhallen, Baumärkten und Zeltlagern hapert es auch an der Verfahrenssicherheit.
Die Menschen werden zuerst von der Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) des Freistaates registriert. Im Anschluss erfolgen Registration inklusive ED-Behandlung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), erst später folgt die Anhörung zu den Asylgründen, auch als „Herzstück des Asylverfahrens“ bezeichnet. Diese Abläufe verzögern sich mehr und mehr.
Bereits im Sommer protestierten Geflüchtete vor der Erstaufnahme in Chemnitz für die schnellere Bearbeitung und Entscheidung ihrer Asylanträge. Viele von ihnen warteten bereits ein Jahr.
Auch die in Hungerstreik getretenen Geflüchteten in Böhlen warten auf ihre Entscheidung, bzw. sogar auf ihre Registrierung durch das BAMF. Zudem wurde einer von ihnen nicht über einen sein Asylverfahren betreffenden Termin informiert.

Er schreibt:
„Mein Leben hier beschränkt sich auf Essen, Trinken und Schlafen an einem Ort, an dem es selbst an den einfachsten Aspekten sozialen Lebens fehlt. Er ähnelt tatsächlich einem Gefängnis, oder sogar schlimmer: es ist ein Ort an dem das Leben still steht – keiner weiß wie lange. Ein Ort an dem die Zeit still steht und die Menschlichkeit einen sehr langsamen Tod stirbt.“

Die Situation in Böhlen steht nicht allein. Die zuständigen Behörden – die Zentrale Ausländerbehörde und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – sind, nicht erst seit diesem Jahr, nicht auf den Anstieg der Zahlen Geflüchteter vorbereitet. Bereits im vergangenen Jahr waren zirka 2000 Geflüchtete von der Erstaufnahme in Chemnitz ohne BAMF-Registrierung in die Kommunen zugewiesen worden.
Mit der Eröffnung von Aufnahme-Interims im gesamten Freistaat – in der vergangenen Woche waren es 27 in 12 Städten – spitzt sich die Situation weiter zu.  Die Verfahrenssicherheit ist nicht mehr gewährleistet. So fehlt in einigen  Aufnahmeeinrichtungen beispielsweise die Möglichkeit Post in Empfang zu nehmen.
Eine unabhängige Verfahrensberatung gibt es in Sachsen zudem nur auf ehrenamtlicher Basis, ein Zugang zu den EAE bleibt Initiativen offiziell verwehrt.

Es braucht auch im Hinblick auf ein rechtsstaatliches und faires Asylverfahren einen Paradigmenwechsel.
Die Erklärung von weiteren „sicheren Herkunftsstaaten“ oder die Einrichtung von Abschiebecamps sind dafür keine Lösung.

>>> Statement von F., der sich seit Montag im Hungerstreik befindet
>>> Interview mit einer Aktivistin zum Hungerstreik in Böhlen
>>> Pressemitteilung des Initiativkreis: Menschen.Würdig

 

2 Gedanken zu „Hungerstreik im Erstaufnahme-Interim in Böhlen (Landkreis Leipzig)“

  1. Die Massenunterbringung ist auf mehrere Monate auf jedem Fall menschenunwürdig.

    Der Bund kann sich auch nicht rausreden, dass es keine Container etc. gibt oder die zu teuer wären.

    Wenn Häuser oder notfalls Container gebraucht werden muss der Bund eben eine Firma gründen, die Häuser oder Container baut, das dauert nicht länger als 1 Monat um eine Produktionslinie für Blechcontainer aufzubauen, wahrscheinlich kosten die Container in eigenproduktion nicht die Hälfte als auf dem Markt, ein rießen Sparpotenzial.

    Besser wäre natürlich in jedemfall Sozialer Wohnungsbau!

  2. Es ist wichtig und positiv, dass an vielen Orten in Leipzig Leute auf Geflüchtete zugehen und bspw. wie in Connewitz beim Interim in der HTWK Sporthalle auch Angebote geschaffen haben, um den tristen Alltag etwas erträglicher zu gestalten. Leider scheint es mir, dass insbesondere die Geflüchteten in der Peripherie, also in den Landkreisen, allzu leicht aus dem Blickfeld geraten. Vielerorts besteht kein oder kaum Kontakt zu Menschen außerhalb der Unterkünfte und die Tage in unbekannter Umgebung ohne Perspektive sind trostlos. In Böhlen wurde ja selbst das Fußballspielen vor dem Gebäude verboten. Deutscher Rasen ist eben wichtiger als ein bisschen Ablenkung für Geflüchtete.

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