Gleichbehandlung von EU-AusländerInnen erstritten – Sozialleistungsausschluß rechtswidrig

Beschluss des Sozialgerichtes Leipzig bestätigt politische Kritik an Deutschlands Ausstieg aus dem Europäischen Fürsorgeabkommen

Pressemitteilung, 3.5.2012

Mit gleich lautenden Beschlüssen entschieden drei Sozialgerichte in Berlin bzw. Leipzig (1) Ende März 2012, dass EU-AusländerInnen in Deutschland Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalt haben und widersprachen damit der Entscheidung der jeweiligen Jobcenter. Damit kommt auch ein in Leipzig lebender Grieche zu seinem Grundrecht auf soziale Absicherung.

Hintergrund der Klagen ist der von der Bundesrepublik Deutschland im Dezember 2011 erklärte Vorbehalt gegen das Europäische Fürsorgeabkommen. Diese Abkommen wurde 1953 von den Mitgliedern des Europarates, zu dessen Mitgliedsstaaten auch Deutschland gehört, unterzeichnet und sichert den Staatsangehörigen, die sich rechtmäßig im Gebiet eines anderen Unterzeichnerstaates aufhalten, Fürsorgeleistungen zu.

„Dass Deutschland das Europäische Fürsorgeabkommen de facto aufgekündigt hat, ist aus menschenrechtlicher und sozialstaatlicher Perspektive ein Skandal. Scheinbar will die BRD sich gegen die Leidtragenden der europäischen Finanz- und Wirtschaftskrise abschotten.
Die Zulässigkeit dieser Aufkündigung wird unter JuristInnen kritisch diskutiert. (2) Die deutschen Jobcenter verwehren infolge des Vorbehalts Folge des Vorbehalts fast allen EU-AusländerInnen, die sich zur Arbeitssuche in der Deutschland aufhalten, Leistungen nach Sozialgesetzbuch II und schließen diese damit de facto aus der Gesellschaft aus. Zur alltäglichen gesellschaftlichen Diskriminierung, der Menschen mit Migrationshintergrund ausgesetzt sind, kommt also auch noch die staatliche soziale Deklassierung.“ kritisiert Juliane Nagel, Stadträtin in Leipzig.

Das Sozialgericht Leipzig kommt in seinem Beschluss vom 28.3.2012 in Abwägung der Argumente zu dem Schluss, dass die drohende Mittellosigkeit des Klägers nicht vertretbar sei.

„Die Entscheidung des Sozialgerichtes Leipzig, mit dem dem Kläger aus Griechenland gegen die Auffassung des Jobcenters Leipzig die Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zugesprochen wird, ist ein Erfolg; ein Erfolg für das akut bedrohte und langsam erodierende Sozialstaatsprinzip in Deutschland und ein Teil-Erfolg im Kampf gegen staatlichen Rassismus.

Alle betroffenen EU-AusländerInnen sollten es dem Beispiel der drei KlägerInnen in Leipzig bzw. Berlin gleich tun und juristisch gegen die Streichung von Leistungen vorgehen. Dieser Weg scheint momentan einzig gangbare um Erfolg zu erzielen. Das politische Ziel bleiben letztendlich die Rücknahme des Vorbehalts gegen das Europäische Fürsorgeabkommen und die Durchsetzung gleicher Rechte für alle.“ so Juliane Nagel abschließend.

(1) Sozialgericht Berlin Aktenzeichen S 96 AS 6145/12 ER (http://fsn-recht.de/img/S_96_AS_6145_12_ER.pdf) und S 110 AS 28262/11 (http://fsn-recht.de/img/S_110_AS_28262_11.pdf) sowie Sozialgericht Leipzig, Aktenzeichen S 20 AS 852/12 ER (http://fsn-recht.de/dokumente/S_20_AS_852_12_ER.pdf)

(2) siehe auch „Rechtliche Stellungnahme zur Frage des Leistungsausschlusses von EU-Ausländern im Bereich des SGB II“, fsn-Rechtsanwäte 29.4.2012
http://fsn-recht.de/dokumente/Rechtliche%20Stellungnahme%20SGB%20II%20und%20EFA.pdf

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