… Kommunen und Landkreis bei der Kitafinanzierung entlasten und Situation des Betreuungspersonals verbessern: Der Freistaat muss Konsequenzen aus Ländermonitor „Frühkindliche Bildung“ ziehen
Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung werden Kinder in sächsischen Kindertagesstätten besonders lange betreut. 81 Prozent aller Kita-Kinder in Sachsen verbringen täglich mehr als sieben Stunden in einer Einrichtung. Darüber hinaus ermittelte der Ländermonitor, dass ErzieherInnen in Sachsen über sehr gute Qualifikationen verfügen. Allerdings führt die Studie auch bekannte Nachteile vor Augen: der Altersdurchschnitt des Betreuungspersonals liegt hier überdurchschnittlich hoch.
„Die Ergebnisse des Ländermonitorings verweisen auf die hohe Bedeutung einer gut ausgebauten Kindertagesstätteninfrastruktur. Die ostdeutschen Bundesländer können sich hierbei mit einer hohen Betreuungsquote sehen lassen. Nicht zuletzt sind die mit der Bertelsmannstudie vorgelegten Ergebnisse in Bezug auf Betreuungszeiten ein klares Signal für Ganztagsplätze als Standardangebot. In Leipzig kam vor kurzem die Überlegung auf, die Betreuungszeiten in Kita für alle Kinder auf sechs Stunden abzusenken und 9-Stunden-Plätze nur noch Eltern mit Vollzeitjob, in Ausbildung und für Kinder mit besonderem Förderbedarf vorzuhalten. Von dem wichtigen Angebot der frühkindlichen Bildung wären dann Kinder von Eltern mit Teilzeit- oder ohne Job ausgeschlossen. Die Linksfraktion spricht sich weiterhin klar gegen diese Einschränkung des Betreuungsangebotes aufgrund der sozialen Situation aus. Kita-Betreuung darf nicht von der sozialen Situation der Eltern abhängen!
Um einen uneingeschränkten Zugang zur Kita-Ganztagsbetreuung und auch den ab 2013 geltenden Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz zu gewährleisten, bedarf es allerdings großer finanzieller Anstrengungen. Gerade in Leipzig wird der kommunale Haushalt durch den stetig wachsenden Betreuungsbedarf enorm belastet. Zwischen Finanzzuweisung des Landes pro Kita-Kind und tatsächlichen Ausgaben klafft eine immer größere Lücke, die nicht zuletzt durch die Steigerung der Betriebskosten (Sach- und Personalkosten) verursacht ist.
Die Linksfraktion fordert die sächsische Landesregierung in diesem Zusammenhang ein weiteres Mal dazu auf, die Kitapauschale um mindestens 600 Euro pro Kind und Jahr zu erhöhen. Wenn diese längst überfällige Anpassung der Refinanzierung kommunaler Ausgaben gewährleistet wäre, müssten Debatten über die Beschränkung von Betreuungszeiten, Erhöhung von Elternbeiträgen und Belastung von freien Trägern von Kita in Leipzig nicht geführt werden.
Die Bertelsmannstudie lenkt den Blick darüber hinaus auf das Betreuungspersonal in den Kita und kommt für Sachsen zu dem erfreulichen Ergebnis, dass ErzieherInnen über sehr gute Qualifikationen verfügen. Dieser Zustand kann sich in den nächsten Jahren jedoch drastisch verändern, da Teile des bestehenden Personals altersbedingt wegfallen werden. Um den damit entstehenden Fachkräftemangel zu kompensieren bedarf es
a) ausreichend öffentlich geförderter Ausbildungsmöglichkeiten,
b) einer besseren Vergütung von ErzieherInnen und
c) besserer Arbeitsbedingungen durch einen verbesserten Betreuungsschlüssel.
Diese Anforderungen sind allesamt in Sachsen nicht gegeben: es mangelt an kostenfreien öffentlichen Ausbildungsplätzen, so dass viele auf kostenpflichtige Angebote von privaten Bildungsträgern zurückgreifen müssen; Erzieherinnen und Erzieher sind finanziell niedriger eingestuft als andere pädagogische Berufsgruppen und die Gruppengröße in sächsischen Kita, die sich am gesetzlich festgelegten Betreuungsschlüssel festmacht, gehört bundesweit zu den höchsten.
Der Freistaat Sachsen muss den Ländermonitor „Frühkindliche Bildungssysteme“ der Bertelsmann-Stiftung ernst nehmen und endlich gesetzliche Weichen für die Verbesserung der Kitafinanzierung in den Kommunen und Landkreisen und für die Verbesserung von Ausbildung, Arbeitsbedingungen und Vergütung des ErzieherInnenpersonals stellen. Dies alles würde vor allem den Kindern zugute kommen, um die es in der Debatte schließlich zuallererst geht!
Juliane Nagel, Sprecherin für Kinder- und Jugendpolitik, 7. Juni 2011