Zum 20. Mal antworten Politiker*innen auf die wöchentliche Weltnest-Frage – diesmal gehts um einen heftig umstrittenen Ratsbeschluss.
Martin fragt:
Der Stadtrat hat letzte Woche eine kostenlose Kinderbetreuung für Ratsmitglieder beschlossen. Ab September stehen zwei Kräfte zur Betreuung bereit. Ich glaube nicht, dass man sich an den Kosten von 5000 Euro im Jahr stören wird. Schon eher an der Privilegierung. Es ist schön, dass der Stadtrat etwas gegen das knappe Betreuungsangebot in Leipzig unternimmt, aber muss er dabei wirklich bei sich selbst anfangen?
Meine Antwort:
Nun ja, da wurde ja vom Weltnest sehr schön die Gegenpropaganda der CDU aufgenommen.
Was sind denn Privilegien? Dass Menschen, die sich neben ihrer Berufstätigkeit auch noch wöchentlich mindestens 10 Stunden ehrenamtlicher Stadtratstätigkeit geben, und ihre Kinder mal nicht bei Familie oder bezahlter Betreuung unterbekommen, eine unkomplizierte Möglichkeit für Kinderbetreuung fordern? Wohlgemerkt geht es hier nicht um einen Kitaplatz, sondern um eine temporäre Betreuung um ein öffentliches Mandat auszuüben. Die Kosten für die Stadt liegen bei maximal! 5000 Euro im Jahr! Der vormalige Vorschlag der Verwaltung sah eine Betreuung zum Preis von mindestens 30 Euro pro Sitzung vor. Bei einer Grundentschädigung von ca. 350 Euro plus Sitzungsgeld nicht unerheblich. Im Monat kostet ein 9-Stunden-Platz 207,52 (Krippe)/ 125 Euro (Kindergarten) bzw. 73 Euro (Hort). Privilegien sind ja wirklich etwas anderes. Zum Beispiel als StadträtIn auf eigenartigen Wegen bevorzugt einen echten Kitaplatz zu bekommen, kostenfrei den ÖPNV oder kostenlose, reservierte Parkplätze nutzen zu können. Ich stehe hinter dem Be chluss, zumal es nicht „nur“ um die StadträtInnen geht, sondern auch um Kinderbetreuung bei öffentlichen Veranstaltungen der Stadt Leipzig. Wir erreichen damit einen gesellschaftlichen Grundstandard, der von der sich selbst als „familienfreundlich“ nennenden Stadtverwaltung eher unterminiert wird. Zum Beispiel ist das Kinderbetreuungsangebot im Amt für Familie, Jugend und Bildung vor einiger Zeit einfach weggefallen, weil die Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ausgelaufen ist. Das regt keine CDU auf.
Ausschließlich Männer, die sicherlich ihre Frauen im Rücken haben, wenn sie ihrer Arbeit und ihrem Ehrenamt nachgehen, haben in der Stadtratssitzung ein weiteres Mal übelst vom Leder gezogen. Ich erinnere mich keine einzige Debatte, die so viele CDU-(Männer) zum Reden und zum vehementen Widerspruch bewegt hat. Allein das ist bezeichnend. Ebenso Kinder mit Katzen zu vergleichen, wie es der CDU-Stadtrat Karsten Albrecht getan hat. Vor über 2 Jahren warf sein Parteikollege Heinrich den damaligen AntragsstellerInnen von Grünen, Linker und SPD vor, dass sie ihr Leben nicht im Griff hätten.
CDU und FDP haben hier eine Scheindebatte vom Zaun gebrochen. Die Kritik an der akuten Unterfinanzierung der Kindertagesbetreuung durch das Land, das ja bekanntermaßen schwarz-gelb regiert wird, prallte an den Herren regelmässig ab. Wir dürfen zudem nicht vergessen, dass es die CDU-geführte Landesregierung ist die eine kostenfreie Kitabetreuung für alle verunmöglicht. Für DIE LINKE ist das ein wichtiges Zukunftsziel. Und auch nicht zu vergessen ist, dass alle Fraktionen ausser der LINKEN den zwei Gebührenerhöhungen für Kitabetreuung in den letzten fünf Jahren zugestimmt haben.
Ergo: viel Aufregung um einen echten Fortschritt, der nichts mit Privilegien zu tun hat, sondern vielmehr Eltern, die politisch Verantwortung übernehmen wollen, was ja überaus wünschenswert ist, ein kleines bisschen den Rücken freimachen kann.
Ein Gedanke zu „Für & Wider: Kostenlose Kinderbetreuung für StadträtInnen – Privilegierung oder Notwendigkeit?“