Einige aus der Ukraine geflohene Kriegsopfer sind ab September von der Abschiebung bedroht!

Ab dem 1. September ist ein Teil der aus der Ukraine geflohenen Kriegsopfer von Abschiebung bedroht. Wer vor mehr als 90 Tagen einreiste und noch keinen Aufenthaltstitel in Deutschland beantragt hat, rutscht laut der „Ukraine-Aufenthalts-Übergangs-Verordnung“ in die Ausreisepflicht. Betroffen sind Drittstaatsangehörige mit befristetem Aufenthalt, also jene, die ohne dortige Staatsbürgerschaft in der Ukraine gelebt, gearbeitet oder studiert hatten. Bis zum 16. Mai 2022 waren in Sachsen 893 Menschen in dieser Personengruppe registriert, 834 hatten eine Aufenthaltserlaubnis beantragt (Drucksache 7/9702). Der Anteil derer, die keinen Antrag gestellt haben, könnte seit Mai gestiegen sein – aktuelle Zahlen schuldet die Staatsregierung (Drucksache 7/10458). Mein Statement mit meiner Kollegin Anna Gorskih:

„Der russische Angriffskrieg unterscheidet nicht nach Herkunft und Aufenthaltsstatus: Auch Menschen aus Nigeria, Vietnam oder Marokko, die in der Ukraine gelebt hatten, mussten vor den Raketen fliehen. Obwohl etwa Studierendenvertretungen auf das kommende Problem hingewiesen haben, hat die Staatsregierung nichts unternommen. Das Mindeste wäre es, die in Berlin gefundene Lösung per Erlass zu etablieren: Dort bekommen alle ukrainischen Kriegsopfer per Fiktionsbescheinigung ein vorläufiges Aufenthaltsrecht für sechs Monate. Tatsächlich ist dies längst Praxis bei einigen Kommunen in Sachsen, etwa in Leipzig oder Mittelsachsen. Damit einher gehen die Beschäftigungserlaubnis, der Jobcenter-Bezug und die Möglichkeit, eine Wohnung zu mieten.

Schlimmer sind Schilderungen, die mich etwa aus dem Erzgebirge erreichten, wo Anfang August 64 Menschen aus Drittstaaten registriert waren: keine Information über das Prozedere, kein ordentliches Aufenthaltsdokument, schleppende Prozesse, verzögerter Sozialleistungsbezug – und viele Betroffene kennen ihre Ansprüche und Rechte nicht. Die Kommunikation haben erneut Ehrenamtliche übernommen. Nur die öffentlichen Stellen können aber für gerechte Verfahren sorgen. Wir wollen keinen institutionellen Rassismus per Gesetz durch den Bund, auch keinen per Verwaltungshandeln durch Land und Kommunen. Wir fordern temporären Schutz nach § 24 Aufenthaltsgesetz oder wenigstens pauschal humanitäre Aufenthaltserlaubnisse wie nach § 25 Absatz 4 Aufenthaltsgesetz für Drittstaatsangehörige!“

Die hochschulpolitische Sprecherin Anna Gorskih fügt hinzu:

„Im Mai haben wir die Staatsregierung aufgefordert (Drucksache 7/9374), Drittstaatsangehörigen die Fortsetzung ihres Studiums und einen legalen Aufenthalt über den 1. September hinaus zu ermöglichen. Alle anderen Fraktionen haben das abgelehnt. Die auf 90 Tage begrenzte Dauer des visumsfreien legalen Aufenthalts für aus der Ukraine geflohene Drittstaatangehörige mit Studieninteresse reicht aber erfahrungsgemäß weder für die Immatrikulation an einer Hochschule noch für einen Aufenthaltstitel zum Zweck des Studiums gemäß §16b AufenthG. Darauf hat die Konferenz Sächsischer Studierendenschaften in einem offenen Brief an Innenminister Armin Schuster eindringlich hingewiesen.

Obwohl sie vor dem gleichen Krieg geflohen sind wie alle anderen Kriegsopfer, können geflohene Studierende aus Drittstaaten im Gegensatz zu Studierenden mit ukrainischem Pass ihr in der Ukraine begonnenes Studium in Deutschland nicht ohne Weiteres fortsetzen und müssen nachweisen, dass sie nicht sicher und dauerhaft in ihr Herkunftsland zurückkehren können. Ob sie im Herkunftsland ihr Studium beenden können, steht völlig offen. Hier zeigen sich die doppelten Maßstäbe der Regierung und eine rassistische Zwei-Klassen-Politik im Umgang mit Geflüchteten.“

PM 30. August 2022

Bild: Seebrücke auf Twitter

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