Am 8.11.2012 informierte die Stadt Leipzig über drei neue Standorte für die Unterbringung von Asylsuchenden in Leipzig. Damit wird das am 18.7. nach kontroverser Debatte durch den Stadtrat beschlossene Unterbringungskonzept fortgeschrieben.
Grundgedanke des Konzeptes ist die Verbesserung der Lebensbedingungen der nach Deutschland Geflüchteten. Ein Ansatz, der auch in Leipzig erkämpft werden musste und nur ein kleiner Beitrag zur Gleichstellung von Geflüchteten ist.
Perspektivisch soll das bestehende, marode Heim in der Torgauer St. 290 geschlossen und die dort lebenden über 200 Menschen in kleinteiligen Wohnhäusern im gesamten Stadtgebiet untergebracht werden. Auch die dezentrale Unterbringung wird parallel forciert. Dies hat u.a. auch den Hintergrund, dass derzeit zahlreiche Flüchtlinge nach Leipzig zugewiesen werden. Zwischen 200 und 400 Menschen werden bis Jahresende erwartet.
Um den Druck abzubauen wurden in der Spittastraße in Lindenau Gewährleistungswohnungen bereit gestellt, in denen nun insgesamt 42 Personen wohnen. Anfang Dezember soll zudem das Objekt in der Riebeckstr. 63 für ingesamt 115 Menschen in Betrieb genommen werden, ebenso die Eythstraße 17 für maxmial 28 Menschen mit „erhöhtem Betreuungsbedarf“.
Während in der Spittastr. explizit temporäre Notunterkünfte bereit gestellt werden, handelt es sich bei den drei neuen Objekten um vorerst dauerhafte, die in das Unterbringungskonzept implementiert werden. Durch die Reduzierung der Plätze in Wahren und Portitz und die steigende Zahl von Asylsuchenden hatte sich der Platzbedarf weiter erhöht. Mit einer sinkenden Zahl von Menschen,die aus ganz verschiedenen Gründen in Deutschland Asyl suchen ist zudem generell nicht zu rechnen.
Die neuen Objekte befinden sich in der Georg-Schwarz-Str. 31 in Lindenau (35-40 Personen), in der Georg-Schuhmann-Str. 121 in Gohlis Süd (35-40 Personen) und in der Theresienstraße 14 in Eutritzsch (ca. 45 Plätze). (siehe auch DS 2626)
Alle drei Objekte sind im Gegensatz zu den im Juli beschlossenen (mit Ausnahme der Eythstraße) in privater Hand.
Die Stadtverwaltung hat also ihre Hausaufgaben gemacht und Punkt 4. der Beschlussvorlage erfüllt, wonach weitere Objekte zu suchen und dabei auch private Immobilienanbieter einzubeziehen sind. Noch dazu hat die Verwaltung die im Frühsommer gebetsmühlenartige Kritik an der zu späten Einbeziehung von Stadtteilgremien aufgenommen und die Stadtbezirksbeiräte zuerst, noch vor dem Stadtrat involviert.
Und was passiert? Vertreter von CDU, FDP und Grünen mäckeln. Aber warum? Warum nur an einem so heiklen Thema, bei dem die Volksseele regelmäßig überbordet, Populismus gegen die Verwaltung betreiben? Warum nicht einfach mal zufrieden sein, dass die Verwaltung die Aufträge des Stadtrates recht schnell erfüllt und mit neuen akzeptabel erscheinenden Wohnorten und mit rudimentärer Basisbeteiligung aufwartet?
Natürlich hätten Akteure aus den Stadtteilen, die nicht unbedingt die StadtbezirksbeirätInnen sind, früher involviert, informiert und beteiligt werden können. Doch kann dieser Prozess nicht genau jetzt beginnen?
Die Leipziger Volkszeitung versucht derweil schon wieder Stimmung zu machen. Nicht nur, dass seit Wochen einseitige LeserInnenbriefe von u.a. Wahrener BürgerInnen veröffentlicht werden, in denen die Entscheidung über die Unterbringung von 36 Asylsuchenden in der Pittlerstraße, das verantwortliche Sozialdezernat der Stadt, antirassistisches Engagement und auch meine Person mehrfach scharf angegriffen wird, werden jetzt in Bezug auf den geplanten Standort in der Georg-Schumann-Straße wieder exponiert ressentimentsgeladene Aussagen abgebildet. Oder wie ist die Angst um die „Bemühungen um mehr Attraktivität der Georg-Schumann-Straße“ zu werten? Zerstören 40 Asylsuchende etwa prinzipiell die Attraktivität einer Straße? Ist nicht wiederum etwas mehr Empathie mit Menschen, die sonst kein Zuhause haben, angebracht? Geht es nicht darum allen Menschen ein würdiges Leben und Teilhabe zu ermöglichen? Interessiert eigentlich irgendwen was die Betroffenen, die in den Häusern leben sollen/ müssen, denken und wünschen?
Es ist von ganzem Herzen zu wünschen, dass die Debatte um die drei neuen Standorten nicht erneut auf Kosten der Flüchtlinge eskaliert.
PS. Die Linksfraktion hat für die Ratsversammlung am 22.11. eine umfängliche Anfrage zum Unterbringungskonzept eingereicht. Neben der Frage nach Erfüllung der Aufträge der am 18.7. beschlossenen Vorlage, geht es hier auch noch einmal explizit um die Rahmenbedingungen für eine echte dezentrale Unterbringung (= das selbstbestimmte Wohnen in Wohnungen, das für Flüchtlinge nur erschwert – auf Antrag und unter bestimmten Bedingungen – möglich ist).
Anfrage: Umsetzung des Konzepts “Wohnen für Berechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Leipzig” und zur dezentralen Unterbringung
Am 18.7.2012 beschloss der Stadtrat das Konzept „Wohnen für Berechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Leipzig”. Mit Übernahme des Änderungs- und Ergänzungsantrages der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE und SPD fiel ein geplantes Objekt in der Cradefelder Straße in Portitz weg, die Zahl der in der Pittlerstraße in Wahren unterzubringenden Flüchtlinge wurde von 70 auf 36 gesenkt. Mit dem Ergänzungsantrag V/EA 4 beauftragten genannte Fraktionen den Oberbürgermeister, weitere Standorte für gemeinschaftliches Wohnen von Asylbewerber/-innen und Geduldeten vorzuschlagen und sich gegenüber der Landesregierung für die Rücknahme des Erlasses des Sächsischen Staatsministeriums des Innern zur dezentralen Unterbringungen von Asylbewerbern/geduldeten Ausländern einzusetzen, um die prinzipielle Unterbringung von Asylsuchenden in Einzelwohnungen zu ermöglichen. Mit der Annahme eines Ergänzungsantrages des Migrantenbeirates wurde die Verwaltung beauftragt, die Betroffenen adäquat über das Konzept zu informieren.
Wir fragen in diesem Zusammenhang:
1. Welche zusätzlichen Standorte für gemeinschaftliches Wohnen von AsylbewerberInnen und Geduldeten wurden seit der Beschlussfassung des Unterbringungskonzeptes mit welchem Ergebnis geprüft (Beschlusspunkt 4 der Vorlage 1904)?
2. Wann und in welcher Form wurden die BewohnerInnen der Sammelunterkünfte Torgauer Straße 290 und Liliensteinstraße 15 a über das Konzept und daraus resultierenden Folgen informiert (Beschlusspunkt 13 der Vorlage 1904)?
3. Wie plant die Stadt Leipzig die Einbeziehung von Anwohnerinnen der neuen Standorte für gemeinschaftliches Wohnen von Asylsuchenden sowie von Vereinen und Initiativen zu gewährleisten? (Bitte Formen der Information und Beteiligung sowie zeitliche Abläufe aufführen.)
4. In welcher Form hat sich die Stadt Leipzig bei der Landesregierung für die Möglichkeit einer prinzipiellen Unterbringung in Wohnungen eingesetzt (Beschlusspunkt 12 der Vorlage 1904)? Welche Reaktion gab es seitens der Landesregierung?
5. Inwieweit nimmt die Landesregierung bzw. Landesdirektion praktisch Einfluss auf die Gewährung dezentraler Unterbringung auf Antrag von AsylbewerberInnen bzw. Geduldeten?
Werden die Einzefallentscheidungen des Sozialamtes durch die Landesbehörde systematisch kontrolliert? Wurden Entscheidungen der Kommune in der Vergangenheit durch die Landesbehörde bemängelt oder gerügt?
6. Was spricht aus Sicht der Stadt Leipzig dagegen, AsylbewerberInnen und Geduldete in noch stärkerem Maße dezentral unterzubringen und die vom Sozialamt in Zusammenarbeit mit dem Referat für Migration und Integration, dem Flüchtlingsrat Leipzig, der Vereinigung ausländischer Bürger und der Ausländerbehörde formulierten Kriterien zur dezentralen
Unterbringung zu erweitern (z. B. in der Form, dass dezentrale Unterbringung aus humanitärer Sicht prinzipiell zu bevorzugen ist)?
7. Wie hoch sind die durchschnittlichen Kosten pro Person für die
– die Unterbringung in den bestehenden Heimen
– die Unterbringung in den kleinteiligen Unterkünften entsprechend DS 1904
– die dezentrale Unterbringung?
(bitte vergleichbare Zahlen inkl. Kosten für Miete, Soziale Betreuung, Versorgung, Taschengeld angeben)
8. Wie viele Anträge auf dezentrale Unterbringung wurden seit dem 1.1.2012 gestellt, wie viele davon wurden bewilligt, wie viele wurden abgelehnt (bitte auch die Gründe der Ablehnung aufführen)?
Hallo Frau Nagel,
ich hoffe, dass Sie auf diese Fragen erschöpfendere Antworten erhalten, als die Anwohner, die diese Fragen bereits seit Monaten stellen. Vielen Dank hierfür.
Bezüglich des Punktes 6 ist zu hoffen, dass der Unterschied zwischen der in der Vorlage 1904 geplanten „dezentralen Unterbringung“ und des von Ihnen gemeinten „dezentralen Wohnen“ verstanden wird. Durch den Missbrauch des Begriffes „dezentral“ in der Vorlage 1904 wird dem Bürger suggeriert, dass es sich nicht um Heime handele, sondern um die, von vielen Flüchtlingsorganisationen geforderte, Wohnform des „dezentralen Wohnens“. Diese Art der Unterbringung würde ein selbstbestimmtes Wohnen in normalen Wohnungen ermöglichen.
Wo steht denn in der Vorlage „dezentrales Wohnen“ für die neuen kleinen Wohnformen?! Das wäre mir neu. aus meiner sicht wurde „dezentrales wohnen eigenen wohnungen“ und „dezentralisierung der unterbringung“ immer klar auseinander gehalten.
Ich will mit der Frage ausloten ob die Stadt nicht mutiger sein kann und die von der CDU/ FDP geführten Landesregierung bzw Bundesregierung festgeschriebene „Regelunterbringung in Gemeinschaftsunterkünfte“ nicht noch mehr ausgereizt werden kann.Final müssen aber die Gesetze (Asylverfahrensgesetz und Sächs Flüchtlingsaufnahmegesetz( geaendert werden.
Ansonsten hoffe ich auch auf klare Antworten.
Bez der Riebeckstrasse hat übrigens eine sehr positive Vernetzung mit AnliegerInnen und gesellschaftlichen Akteuren im Umfeld der Unterkunft dort begonnen. Das ist sehr beruhigend, dass sich eingelassen und nach vorn diskutiert wird.
Ich meine damit die Formulierungen, die Herr Fabian und Frau Kador-Probst bei diversen Veranstaltungen verwendet haben. „Dezentrale Heime“ „Dezentrale Unterbringung“ Damit wurde, meiner Meinung nach, bewusst getäuscht.
In dem ursprünglichen Forderungspapier, dass nach der Ablehnung des Projekts Wodanstrasse an das Dezernat 5 gegeben wurde, lautete der Auftrag ganz klar „dezentrales Wohnen“. Heraus gekommen ist aber nur eine neue Heimlösung.