Clubkultur & Wohnen zusammendenken. Die Stadt gehört uns und nicht den Investor*innen

Am 15. September 2018 fand in Leipzig eine Demonstration für den Erhalt von Freiräumen und den Schutz der Clubkultur statt. Ich habe dort gesprochen und dokumentiere hier mein Redeskript:

Vor kurzem haben wir mit der Abschaffung der Sperrstunde mit eurem support einen guten Erfolg erreicht. Ab jetzt heißt es grenzenlos feiern. Das ist gut so.

Doch wir dürfen uns nichts vormachen. Dieser Schritt war und ist nur eine kleine Hürde. Die Abschaffung der Sperrstunde hilft nicht nur den Clubs und Einrichtungen, denen ihr euch verbunden fühlt, sie passt nur zu gut in das Marketingkonzept der Gastro-Wirtschaft und der Stadt Leipzig. Sie ist ein Standortfaktor, wie es die Stadt selbst auf ihren Websites vor der Provinzposse um das Institut für Zukunft beworben hatte

Komplizierter wird es wenn es darum geht die Clubkultur bzw Freiräume gegen große Player zu verteidigen. Wie es beim So und So auf dem Areal Freiladebahnhof Eutritzsch, bei der Distillery auf dem Areal Bayerischer Bahnhof und auch andere Kultureinrichtungen war und ist.

Immobilien sind weiterhin das lukrativste Modell Gewinne zu erzielen. Oft stören die Investor*innen dabei Bestandsmieter*innen und nutzer*innen, Zb die Kulturräume im Westwerk oder aktuell die Mieter*innen des Wohnhauses Thierbacher Straße 6. Und nicht nur das: An jeder Ecke der Stadt werden Freiflächen zugebaut. Wie zum Beispiel der Leopoldpark in Connewitz, der über viele Jahre von Bewohner*innen als grüne Oase genutzt wurde. Wie die Nachbarschaftsgärten in Lindenau, die nach über 10 Jahren Zwischennutzung zu 80 % durch Eigentumswohnungen zugebaut wurden. Oder der Freisitz des Black label und der viele_Arten-Garten Vagabund in Connewitz, die nun der Bebauung weichen müssen. Klar: Wir brauchen Wohnbebauung. Aber brauchen wir sie zu Mieten von 10 Euro aufwärts? Brauchen wir sie auf Flächen, die gemeinnützig oder kulturell genutzt werden? Ich meine: NEIN: Wir müssen es schaffen, den verschiedenen Bedürfnissen Rechnung zu tragen, gegen die, die nur Kohle machen wollen. Eine Stadt kann nicht nur aus Beton bestehen. Das heißt: Erhalt von Freiräumen ob in Form von Grünflächen, Gärten, Kulturprojekten oder Clubs! Das heisst aber auch: Wohnungen, die auch Menschen mit geringen und mittleren Einkommen bezahlen können statt Luxusbuden und behutsame Instandssetzungen statt teure Modernisierung zulasten von Mieter*innen. Wir brauchen in dieser Stadt ein Konzept und starke Instrumente und einen starken politischen Willen für eine ausgewogene Stadtentwicklung, die den vielfältigen Interessen der hier lebenden und tätigen Menschen gerecht wird.

Doch zurück zum Thema Clubkultur:

Im Eindruck der Debatte um die Distillery im Jahr 2013, die ebenso wie das So und So durch die Pläne der Schaffung eines neuen Stadtviertels bedroht war und dies latent auch noch ist, reichte meine Fraktion im Stadtrat einen Antrag ein. Dieser besagte, dass im Zuge von B-Plan-Verfahren und beim Verkauf kommunaler Liegenschaften immer die Belange einer ausgewogenen Stadtentwicklung unter besonderer Berücksichtigung der Kultur-, Medien- und Kreativwirtschaft geprüft werden sollen. Bestandsnutzungen sollten also gegenüber Investor*innen ein stärkeres Gewicht bekommen.

Ehrlicherweise hatte diese Stadtratsinitiative wenig Durchschlagskraft, genau wie es die Ergebnisse der Beteiligungsverfahren in Sachen Distillery oder So und So und Co hatten, in denen ja handfest auf die Existenz hingewiesen und für den Erhalt der Einrichtungen plädiert wurde.

Darum brauchen wir stärkere Instrumente um Clubs und Kulturräume, aber auch Mieter*innen von Wohnhäusern vor Verdrängung zu schützen.

Zuerst braucht es Sensibilität, auf Seiten der Stadt und der Investor*innen. Vielmehr aber braucht es handfeste gesetzliche Instrumente, wie das auch von der Musiklivekomm auf Bundesebene geforderte Agent of Change-Prinzip im Städtebau: D.h. dass Heranrückende Neubebauung für erforderlichen Lärmschutz selbst sorgen muss oder aber: Die Kategorisierung von Schallemissionen durch Clubs und Festivals als Freizeitlärm. Und ja, ihr schreibt es in der Petition Freiräume erhalten selbst: Mehr Mut gegenüber Investor*innen. Der gemeinsame Antrag von SPD, Grünen und LINKER zur Rückübertragung von Flächen auf dem Areal Freifladebahnhof an die Stadt – übrigens nicht nur zur Sicherung von So&So und TV-Club, sondern auch für Schulen, Kitas, kooperative Wohnbebauung und andere öffentliche Nutzungen, ist sicher ein erster wichtiger Schritt. Zu erwarten ist aber, dass es in der Auseinandersetzung mit dem Investor CG Gruppe noch andere, ja härtere Bandagen braucht. Gerade aus Berlin wird immer wieder über das eigenmächtige Vorgehen des Immobilienunternehmens zum Nachteil der öffentlichen Hand berichtet. Das was wir in Leipzig also erleben, ist wenig überraschend.

In diesem Sinne: Nehmen wir es in die Hand: Denn: Die Stadt gehört uns!

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