Anwendung der Extremismusklausel bei grenzüberschreitenden Projekten?

Die Europaabgeordnete Dr. Cornelia Ernst fragte die Europäische Kommission ob die Unterzeichnung der Extremismusklausel auch für die Auszahlung von Fördermitteln in der Euroregion Elbe/ Labe, die sich aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung speisen, verlangt werden kann.

Die Kommission antwortete nun,  dass die Extremismusklausel, die eine in Deutschland erdachte und bundesweit und in Sachsen praktizierte Form der staatlichen Misstrauensbekundung gegenüber und Vorverurteilung von zivilgesellschaftlichen Akteuren ist, auf grenzüberschreitende Förderprogramme nur angewendet werden kann, wenn alle beteiligten Staaten damit einverstanden ist. Das heißt im konkreten Fall der Euroregion Elbe/ Labe, dass die tschechische Seite ihre Zustimmung geben müsste bzw. gegeben haben muss, diese Klausel anzuwenden. Ob dies geschehen ist, wird die Kommission nun in Erfahrung bringen.
Träger, die ein Problem mit der Extremismusklausel als Förderbedingung haben, können sich bei der EU-Kommission beschweren.
Seit Anfang des Jahres 2013 erhebt der Freistaat Sachsen die Forderung nach Anwendung der landeseigenen Extremismusklausel auch für Projekte, die im Rahmen der Euroregion Elbe/ Labe gefördert werden.

Bereits im Februar war es zu einem Eklat gekommen, als der Dresdner Verein für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit 1000 Euro an den Freistaat Sachsen zurückzahlen sollte. Der Verein hatte sich geweigert zwei hochrangigen Referenten aus der Tschechischen Republik die Extremismusklausel zur Unterzeichnung vorzulegen. Dies ist aber Voraussetzung der Förderung aus dem Programm „Weltoffenes Sachsen“. Auch im konkreten Fall blieb das Innenministerim hart und verlangte die Nachreichung der schriftlichen Zustimmung zur „freiheitlich demokratischen Grundordnung“ der BRD  durch die beiden Referenten, von denen einer Holocaus-Überlebender ist.
Absurd, peinlich und Ausdruck eines sehr deutschen Demokratieverständnisses.

Anfrage der Europaabgeordneten Cornelia Ernst zur schriftlichen Beantwortung P-003983/2013 an die Kommission

Die Euroregion Elbe/Labe wurde am 24. Juni 1992 gegründet. Sie bemüht sich, ein Netzwerk grenzüberschreitender Zusammenarbeit aufzubauen und zu entwickeln. Die Zusammenarbeit zwischen deutschen und tschechischen Regionen basiert auf den Prinzipien der Gleichberechtigung unter Beachtung des „Europäischen Rahmenübereinkommens über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den Gebietskörperschaften“ von 1980 des Europarats. Für die Förderung der Zusammenarbeit werden Mittel aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) bereitgestellt.

Seit dem Jahr 2013 verlangt der Freistaat Sachsen bei der Beantragung von Fördermitteln für die Euroregion Elbe/Labe die Unterschreibung der „Extremismusklausel“. Die Extremismusklausel ist eine schriftliche Einverständniserklärung, die ein Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung enthält und die Verpflichtung, „dafür Sorge zu tragen, dass die als Partner ausgewählten Organisationen, Referenten etc. sich ebenfalls zu den Zielen des Grundgesetzes verpflichten“.

– Wie verträgt sich die Anforderung, diese Klausel zu unterschreiben, mit Artikel 16 der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006, der vorschreibt, dass die Mitgliedstaaten und die Kommission die erforderlichen Maßnahmen gegen jede Form der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse oder ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung bei der Durchführung der Fondstätigkeit treffen?

– Wie ist es mit den Zielen der Kohäsionspolitik und insbesondere der territorialen Zusammenarbeit zu vereinbaren, wenn im Rahmen der Extremismusklausel von tschechischen Projektpartnern ein Bekenntnis zum Grundgesetz verlangt wird?

 

Antwort der Kommission:

DE P-003983/2013. Antwort von Herrn Hahn im Namen der Kommission

(14.5.2013)

Die Verwaltungsbehörde eines ETZ1-Programms ist dafür zuständig sicherzustellen, dass Projekte in Übereinstimmung mit den Auswahlkriterien des Programms ausgewählt werden und dass sie den Vorschriften auf EU- und nationaler Ebene entsprechen.

Gemäß den Vorschriften für die Kohäsionspolitik2 treffen die Mitgliedstaaten und die Kommission während der Programmdurchführung und insbesondere in Bezug auf den Zugang zu den Fonds die erforderlichen Maßnahmen gegen jede Form der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse oder ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung. Darüber hinaus sind kohäsionspolitische Verordnungen unter vollständiger Einhaltung des Artikels 18 AEUV3 durchzuführen.

Im vorliegenden Fall ist die Projektauswahl an die Unterzeichnung einer Klausel gebunden, der zufolge ein „Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung“ sowie die Verpflichtung „zu den Zielen des Grundgesetzes“ erforderlich sind.4 Diese Anforderung fällt jedoch nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 16, da keine Diskriminierung aufgrund der in diesem Artikel festgelegten Elemente vorzuliegen scheint. Im Rahmen eines ETZ-Programms sollten sich die teilnehmenden Länder auf die einschlägigen nationalen Vorschriften einigen, auf deren Grundlage die Förderfähigkeit von Ausgaben festgelegt wird, es sei denn, es gelten EU-Rechtsvorschriften. Zur Festlegung der Förderfähigkeit im Rahmen von ETZ-Programmen sollten Anforderungen an die Projektauswahl, die mehr als einen Mitgliedstaat betreffen, und an die erforderliche Zustimmung aller teilnehmenden Mitgliedstaaten berücksichtigt werden. Die Kommission prüft gemeinsam mit der Verwaltungsbehörde, ob in dieser Hinsicht eine Einigung erzielt wurde.

Personen, die der Ansicht sind, die Anforderung bezüglich der Einhaltung dieser Klausel stelle für sie einen Nachteil gegenüber anderen Personen dar, haben die Möglichkeit, bei der Kommission eine Beschwerde einzureichen.

1 Europäische territoriale Zusammenarbeit.

2 Artikel 16 der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006.

3 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union.

4 Grundgesetz.

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