Am Ziel einer menschenwürdigen Unterbringung von Asylsuchenden festhalten

Rede zur Fortschreibung des Unterbringungskonzeptes für Asylsuchende in Leipzig: kleinteilige Unterbringung, Schließung der Torgauer Straße 290 & Forcierung dezentralen Wohnens in eigenen Wohungen

Vor nunmehr anderthalb Jahren haben wir in diesem Hause und nach langen, teilweise heftigen Debatten das Konzept „Wohnen für Berechtige nach Asylbewerberleistungsgesetz“ beschlossen und damit einen ambitionierten Weg hin zur Verbesserung der Lebenssituation und der Teilhabe von Asylsuchenden beschritten. Dass die Möglichkeiten der Kommune hierbei begrenzt sind, ist hinlänglich bekannt. Bundes- und Landesgesetzgeber schreiben neben dem Arbeitsverbot bzw. nachrangigem Zugang zum Arbeitsmarkt oder der Residenzpflicht auch den Vorrang der Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften vor. Damit wird die strukturelle Ausgrenzung von Asylsuchenden von grundauf zementiert. Die Spielräume, die die Gesetzgeber lassen, im Sinne der vor Krieg, Verfolgung und anderen Notlagen geflüchteten Menschen zu nutzen, darin waren wir uns einig.

Überraschend aber überfällig war die heute zur Abstimmung stehende Fortschreibung des Unterbringungskonzeptes, in der vor allem mit dem Problem fehlender Kapazitäten und dem Zuwachs an Asylsuchenden in Leipzig umgegangen wird.

Endlich wurde Transparenz geschaffen, Transparenz, die meine Fraktion mit regelmäßigen Anfragen zum Thema herzustellen versucht hat. Gerade weil das Thema so sensibel ist, würde ich mir in Zukunft mehr Kommunikation und Mitwirkungsmöglichkeiten wünschen.

Zur Vorlage: Im Kern geht es darum eine neue Struktur der Unterbringung auf den Weg zu bringen und notwendiges Personal sowohl für Koordination und Unterstützung als auch für die soziale Betreuung aufzustocken. Insbesondere die geringfügige Erhöhung des Personalschlüssels für die soziale Betreuung und das – auch durch Finanzen unterlegte – Bekenntnis zur Betreuung der bereits in Wohnungen lebenden Flüchtlingen ist unbedingt zu begrüßen. Inkonsequent wird dieser Ansatz jedoch mit Blick auf die Torgauer Straße – wo nach der Aufstockung um eine Stelle – ein Schlüssel von 1 SozialarbeiterIn zu ca. 120 Flüchtlingen realisiert wird. Das ist bei weitem nicht ausreichend.

Oberstes Ziel bleibt aus Sicht meiner Fraktion die Schließung der Torgauer Straße. Die Lebensbedingungen, die Größe und die Lage der Unterkunft widersprechen dem Anspruch einer menschenwürdigen Unterbringung. Der nun neu anvisierte Schließungstermin 2016 ist zu spät.

Die prioritäre Alternative benennt die Verwaltung in der Vorlage selbst: das Wohnen in eigenen Wohnungen. Selbst die Landesregierung, die diese Möglichkeit bis dato stark reglementiert, scheint sich in der aktuellen Situation dazu hinreißen zu lassen, die Spielräume zu vergrößern. Dies müssen wir nutzen, im Sinne der Asylsuchenden!

Initiativen und Vereine weisen immer wieder darauf hin, dass Flüchtlinge oft mangelnde Informationen über die Möglichkeit der Antragsstellung und der Antragswege für eine eigene Wohnung haben. Wir schlagen daher eine Informationsoffensive vor, mit der in verschiedenen Sprachen darüber informiert wird. Die notwendige Begleitung der bürokratischen Wege denkt die Vorlage mit der Aufstockung von Personal im Sozialamt und bei Trägern der Migrantenhilfe mit. Dies findet unsere Unterstützung.

Um den Problemen bei der Suche nach geeigneten Wohnungen beizukommen, schlagen wir in unserem Änderungsantrag vor den Abschluss eines Kooperationsvertrages bzw. -verträgen mit LWB, Wohnungsgenossenschaften sowie privaten Wohnungseigentümern zu prüfen. In Berlin wird über ein solches Vertragswerk seit 2011 geregelt, dass die städtischen Wohnungsunternehmen jährlich ein Kontingent von 275 Wohnungen in verschiedenen Segmenten für Flüchtlinge zur Verfügung stellen. Dies sollte auch in Leipzig machbar sein!

In unserem Antrag wollen wir zudem zwei weitere Punkte der Vorlage verändern.

1. Wollen wir an der im Juli vergangenen Jahres festgelegten Obergrenze von ca. 50 Personen in den kleinen Gemeinschaftsunterkünften festhalten. Die Verwaltung will hier auf eine Kapazität von 100 hochgehen.

2. Wollen wir die neuen Erstaufnahmeeinrichtungen, in denen neu in Leipzig ankommende Flüchtlinge ein halbes bis ein Jahr verbringen sollen, auf 100 bis maximal 150 Personen begrenzen. Die Verwaltung plant hier eine Kapazität von 200 Personen.

Je weniger Menschen gemeinschaftlich auf einem Fleck untergebracht werden, um so besser die Möglichkeiten negative Folgen der Flucht zu verarbeiten, um so positiver die Lebenssituation und das integrative Potential. Wir beziehen uns dabei auch auf die Aussagen des sächsischen Ausländerbeauftragen Martin Gillo, der sich für eine Größe von Unterkünften für 50 bis maximal 100 Personen ausspricht. So könnten die Menschen sich „wie normale Miteinwohner fühlen“, so der CDU-Politiker.

In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag und hoffe darüber hinaus, dass wir mit Diskussion und Beschlussfassung heute ein deutliches und positives Signal im Sinne einer Willkommenskultur für Flüchtlinge in Leipzig senden.

>>> Rede zur Vorlage: Überplanmäßige Aufwendungen 2013 gem. § 79 (1) SächsGemO und Eckwertbereinigung 2014 in der Budgeteinheit 50_313_ZW – Hilfen für Asylbewerber/ Fortschreibung des Konzeptes „Wohnen für Berechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Leipzig“: Beschreibung benötigter Unterbringungskapazitäten aufgrund gestiegener Zuweisungszahlen, Handlungsbedarf zur Sicherstellung der Unterbringung 2013 und 2014, Fertigstellung der Erhaltungsmaßnahmen am Standort Torgauer Str. 290 (hier klicken), RV 21.11.2013

>>> Der Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE (hier klicken) wurde in den Punkten 1,3 und 4 angenommen.

(Zusammenfassung der Debatte in der Stadtratssitzung folgt)

5 Gedanken zu „Am Ziel einer menschenwürdigen Unterbringung von Asylsuchenden festhalten“

  1. Hallo Frau Nagel,

    also doch wie erwartet…

    Diesem Punkt erhielt keine Zustimmung…

    „Die Plätze in den kleinen Gemeinschaftsunterkünften (Kategorie B) werden entsprechend
    Beschluss „Wohnen für Berechtigte nach Asylbewerberleistungsgesetz (RBV-1293/12) auf
    etwa 50 Plätze begrenzt.“

    Ich bin mal gespannt was da als nächstes kommt…

    Einen schönen Abend noch

  2. Das interessiert Sie wahrscheinl nur wegen ihrem eigenen Kiez, oder?
    Ansonsten kann mensch sich bei der SPD bedanken, sie hat die Beschlussvorschläge von Migrantenbeirat (max 50) und LINKE (etwa 50) aufgeweicht:

    „Die Platzanzahl für die Gemeinschaftsunterkünfte der Kategorie B wird in der Regel auf etwa 50 begrenzt.
    Bei größeren Abweichungen muss es sich um mehrere Gebäudeteile bzw. Gebäude oder ein Gebäude, das auf Grund seiner Gebäudestruktur, seiner stadträumlichen Lage und der umliegenden Infrastruktur im Sinne des Konzeptes besonders geeignet ist, handeln.“

    Die CDU wollte btw die Torgauer Straße zementieren und einen alten Standort am Stadtrand, die Wodanstrasse reanimieren.
    Dazu schreib ich noch was.

    Allerdings: endlich gibts den Mietvertrag zwischen LWB und Stadt zur Pittlerstraße.

  3. Ist es schlimm wenn ich mich für mein „Kiez“ interessiere???

    Die Formulierung: „Bei größeren Abweichungen muss es sich um mehrere Gebäudeteile bzw. Gebäude oder ein Gebäude, das auf Grund seiner Gebäudestruktur, seiner stadträumlichen Lage und der umliegenden Infrastruktur im Sinne des Konzeptes besonders geeignet ist, handeln.”

    Bedanken werden wir uns bei der LWB müssen. Ich habe noch immer das Gefühl, dass hier die Interessen der LWB im Vordergrund stehen.

  4. Nein Interesse fürs eigene Wohnumfeld zu haben, ist natürlich nix schlimmes.. Die Frage der Unterbringung von Flüchtlingen ist allerdings kein „Kiezthema“ sondern eine Aufgabe für die gesamte Stadt und Stadtgesellschaft.
    Mir scheint als wenn es in Wahren weiterhin darum geht das Bewohnen der Pittlerstr 5/ 7 durch Flüchtlinge zu verhindern. Wie erwartet hat das ja ihr CDU-Wahlkreisabgeordneter Rost – übrigens ohne Finanz-Begründungen o.ä. – vorgetragen.
    Und ein anderer bez Schönefeld. Wir können die Viertel sicher durchdeklinieren, und im Endeffet kommen dan wieder Gewerbegebiete oder Wohncontainer raus. Das ist nicht in meinem Interesse.
    Bez der 50er Grenze können Sie sich gern bei der SPD beschweren.

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