Mit großer Mehrheit stimmte der Stadtrat in seiner Sitzung am 21.5.2014 der Vorlage zur Errichtung einer Asylunterkunft in der Stöckelstraße 62 in Leipzig-Schönefeld zu. Der Rat folgte außerdem dem Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE, nicht auf den Standort in der Bornaischen Straße 215 in Dölitz zu verzichten.
Der Standort muss noch einmal eingehend geprüft werden. Angesichts der hohen Zuweisungszahlen können wir schwer auf ihn verzichten. Uns überzeugt nicht, dass das Objekt des Städtischen Eigenbetriebes Behindertenhilfe aufgrund zu hoher Kosten durch Vandalismusschäden aus dem Rennen genommen werden soll.
Mit dem Standort Stöckelstraße 62 wird das 2012 beschlossene Unterbringungskonzept nun fortgeschrieben. Unsere Fraktion bekennt sich weiterhin zum eingeschlagenen Weg der kleinteiligen und auf das Stadtgebiet verteilten Unterbringung von Asylsuchenden. Die Wohnsituation der vor Verfolgung und Krieg geflüchteten Menschen hat sich mit diesem Konzept um ein Vielfaches verbessert. Und selbst dort, wo es heftige Proteste gab, haben Vernunft und die Fähigkeit, sich in die Situation anderer hineinzuversetzen, gesiegt.
Auch in Schönefeld ist trotz vereinzelter kritischer Stimmen viel Offenheit zu spüren.
Wir ermutigen auch den Mieter des Erdgeschosses, das Elektrofachgeschäft Dähn, das Angebot der Mietvertragsverlängerung zu annähernd denselben Konditionen anzunehmen. Dass eine Gemeinschaftsunterkunft mit Gewerbe durchaus vereinbar ist, zeigt das Beispiel der Georg-Schwarz-Straße 31 in Lindenau. Dort betreibt ein Orthopädieschuhmacher im Erdgeschoss der Gemeinschaftsunterkunft weiter sein Geschäft.
Für zukünftige Standorte fordert die Fraktion DIE LINKE von der Verwaltung, sich bei den Mietkosten stärker an die ortsüblichen Höhen zu halten. Die LWB als 100 %ige Tochter der Stadt ist zudem stärker in die Pflicht zu nehmen, neue Standorte zur Verfügung zu stellen.
In Antwort auf eine Anfrage unserer Fraktion kündigte die Verwaltung in der Ratsversammlung an, dem Stadtrat im 2. Halbjahr Verträge über die Bereitstellung von Wohnungskontingenten für Asylsuchende durch LWB, Genossenschaften und private Eigentümer vorzulegen Einen entsprechenden Auftrag hatte die Fraktion der Verwaltung im November 2013 erteilt. In Berlin wird über ein solches Vertragswerk seit 2011 geregelt, dass die städtischen Wohnungsunternehmen jährlich ein Kontingent von 275 Wohnungen in verschiedenen Segmenten für Flüchtlinge zur Verfügung stellen.
Pressemitteilung Juliane Nagel, 22.5.2014
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Rede in der Ratsversammlung am 21.5.2014
Die Unterbringung von Asylsuchenden ist wohl eines der in der laufenden Wahlperiode am intensivsten diskutierten Themen. Mit dem neuen Unterbringungskonzept von 2012 haben wir einen Paradigmenwechsel eingeleitet – weg vom „Abschieben“ der Menschen, die vor Krieg, Verfolgung in Deutschland Schutz suchen, in Massenunterkünfte am Stadtrand hin zum kleinteiligen, integrativen Wohnen übers Stadtgebiet verteilt.
In den letzten Wochen wurden vier Objekte in Lindenau, Gohlis, Plagwitz und Wahren bezogen. Der heute zur Diskussion stehende Standort Stöckelstraße 62 würde diesen Ansatz der Unterbringung von um die 50 Personen in einem Gebäude auf die Stadtteile verteilt weiterführen.
Und wir, die Linksfraktion, wollen diesen Weg weitergehen. Denn der Plan geht auf: die Wohnsituation ist in den kleinen Objekten um ein vielfaches besser als bspw. in Massenunterkünften wie der Torgauer Straße. Und selbst dort, wo es heftige Proteste gab, haben Vernunft und Empathie gesiegt.
Trotz einzelner negativer Stimmen und der irreführenden Berichterstattung einer Tageszeitung habe ich, als ich in der vergangenen Woche in Schönefeld unterwegs war, überwiegend Offenheit und Verständnis erlebt. Nicht zuletzt hat der Stadtbezirksbeirat letzte Woche ohne Gegenstimme für die Vorlage votiert.
Es ist an der NPD und einzelnen Akteuren aus dem Stadtteil, wiederum Horrorszenarien von Entwertung der Immobilienpreise, Kriminalität und Imageschäden zu beschwören.
Und ein weiteres Mal lässt sich entgegnen: diese Pseudoargumente entbehren jeder Grundlage. Weder aus der Riebeckstraße noch aus der Zeit der Notunterkunft in Schönefeld oder von den neuen Unterkünften sind derartige Effekte bekannt.
Liebe Kolleginnen und Kollen, es ist an uns, Verantwortung zu übernehmen und die kommende Gemeinschaftsunterkunft mit ihren BewohnerInnen als etwas ganz normales zu behandeln. Es ist die Verantwortung von Stadtteilakteuren, die sich zum Beispiel in der vergangenen Woche im Rahmen der Willkommensinitiative getroffen haben, es ist die Verantwortung der Stadträte und Stadträtinnen der demokratischen Parteien und auch der Medien.
Wenn die besagte Tageszeitung dann in gewohnt skandalisierender Manier und scheinbar gezielt verfälschte Informationen verbreitet, ist es an uns nachzufragen und richtig zu stellen. Konkret geht es um den Elektroladen im Erdgeschoss der Stöckelstraße. Auch sie, liebe Kollegen und Kolleginnen von der CDU haben sicher Kenntnis darüber, dass dem Inhaber nach Kündigung des Mietvertrages mit dem alten Hausbesitzer vom neuen Eigentümer eine Fortführung des Mietvertrages mit annähernd denselben Konditionen angeboten wurde. Dass Gewerbe mit einer Nutzung als Asylunterkunft zusammengeht, lässt sich am Beispiel der Georg-Schwarz-Straße 31 sehen, wo ein Orthopädieschuhmacher seinen Laden behalten hat. Und auch für die Stöckelstraße ist eine solche Nutzung weiter oder wieder möglich und sogar gewünscht.
Trotz unserer prinzipiellen Zustimmung zur Vorlage ein paar kritische Anmerkungen:
– Erstens liegt der Mietzins für das Objekt mit 7,72 Euro kalt doppelt so hoch wie die Durchschnittsmiete im Gebiet. Es handelt sich zudem um einen Indexmietvertrag, der einen für uns unkontrollierbaren Anstieg der Miete erwarten lässt. Uns ist dabei durchaus bewusst, dass sich hinter dem hohen Mietzins die Refinanzierung der Sanierungsmaßnahmen verbirgt, und dass die Anmietung eines ganzen Objektes finanziell anders ins Gewicht fällt, als die Vermietung von Einzelwohnungen. Wir sehen ebenfalls, dass es nicht einfach ist geeignete Objekte für die Nutzung als Gemeinschaftsunterkunft zu finden, möglicherweise auch aufgrund der negativen Konnotation. Wir erwarten allerdings, dass bei zukünftigen Objekten angestrebt wird, näher an den üblichen Konditionen für Sanierung und Miete zu bleiben. Und genau hier sehen wir die 100%ige Tochtergesellschaft der Stadt, die LWB, in der Pflicht.
– Zweitens sind wir mit der städtischen Informations- und Kommunikationsstrategie auch diesmal nicht wirklich zufrieden. Erst vor drei Wochen wurde die Öffentlichkeit – und noch dazu mitten im Wahlkampf – über das Vorhaben informiert. Die Sitzung des Stadtbezirksbeirates wurde eilig und außerplanmäßig anberaumt. Die Beschlussfähigkeit konnte nur mit Ach und Krach gehalten werden. Uns scheint, dass vor allem die ZweiflerInnen damit nicht erreicht werden konnten.
Wir hoffen, dass die nächsten Wochen für die unaufgeregte Verständigung genutzt werden und dass die Unterkunft nach Eröffnung ein Teil des Lebens in Schönefeld wird. Wir werden uns dafür engagieren!
Auf den Standort in der Bornaischen Straße wollen wir schlussendlich nicht verzichten. Es gab über mehrere Monate immer wieder widersprüchliche Informationen. Wir denken, dass wir den Standort brauchen werden, und nicht zuletzt ist der Süden offen für eine solche Unterkunft.
Lassen sie uns den eingeschlagenen Weg weitergehen – im Sinne einer menschenwürdigen Unterbringung für geflüchtete Menschen und im Sinne einer gelebten ‚Willkommenskultur!