DIE LINKE Sachsen zollt dem Verein Akubiz, der die Auszeichnung mit dem Demokratiepreis zurückgewiesen hat, Respekt. Dazu erklären Jens Thöricht und Juliane Nagel, beide Mitglieder des Landesvorstandes der LINKEN Sachsen
„Akubiz hat eine wichtige Debatte ins Rollen gebracht. Diese schwelte bereits seit der Ankündigung von Bundesfamilienministerin Schröder, demokratiefördernde Projekte, die im Rahmen staatlicher Programme gefördert werden, einer Gewissensprüfung zu unterziehen, in zivilgesellschaftlichen Zusammenhängen. Dabei sollen die Projekte, die Fördermittel erhalten sogar eine Erklärung unterzeichnen, mit der sie bekunden, mit niemandem zu kooperieren, der im Visier des Verfassungsschutzes stehen könnte
Pressemitteilung, 10.11.2010
Hier zeigt sich, wie offizielle Stellen zu den Projekten stehen, die für den Staat einspringen und die Entwicklung lokaler demokratischer Strukturen vorantreiben bzw. vielerorts vielmehr Feuerwehrfunktion übernehmen, wenn Nazis das öffentliche Leben dominieren. Nicht Hochachtung, sondern Misstrauen wird jenen entgegengebracht. Dies betrachten wir als Armutszeugnis!
Wir laden Frau Ministerin Schröder ein nach Sachsen zu kommen und sich Regionen anzuschauen, in denen die NPD seit mehreren Jahren zweistellige Wahlergebnisses erringen kann, wie in der Sächsischen Schweiz; Regionen, in denen Neonazis tagtäglich Gewalt gegen die ausüben, die nicht in ihr Weltbild passen, wie in Limbach-Oberfrohna oder Colditz. Diese Initiativen, die sich hier durch prekär finanzierte Projektarbeit für Demokratie und Menschenrechte aufopfern, diese Enagierten, die nicht selten Bedrohungen bis in die Privatsphäre ertragen müssen, unter einen Generalverdacht zu stellen, weisen wir aufs Schärfste zurück. Ebenso wie den Extremismusbegriff. Dieser ist wissenschaftlich höchst umstritten, kategorisiert er doch politische Bewegungen anhand von Strukturmerkmalen und nicht hinsichtlich ihrer inhaltlichen Zielsetzungen. Zudem delegiert er das Problem menschenverachtender Einstellungen an so genannte extremistische Ränder der Gesellschaft und blendet aus, dass Diskriminierungsdenken gesamtgesellschaftlich weit verbreitet ist. Die jüngst erschienene Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung „Die Mitte in der Krise. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2010“ (Brähler/ Decker 2010) belegt dies mit erschreckenden Zahlen. Demnach sind 35 Prozent der Ostdeutschen ausländerfeindlich eingestellt und auch antisemitische, autoritäre und geschichtsrevisionistische Einstellungen nehmen zu.
Wir fordern, die so genannte „Extremismusprüfung“ zurückzunehmen. Darüber hinaus fordern wird die finanzielle Aufstockung der Förderprogramme für Demokratie und Vielfalt sowie die Verstetigung der Finanzierung von Projekten, die sich bewährt haben.“
Erklärung vom Alternativen Kultur- und Bildungszentrum Sächsische Schweiz zur Ablehnung des Demokratiepreises (9.11.2010, http://ablehnung.blogsport.de)Liebe Nominierte, werte Gäste, sehr geehrte Jury-Mitglieder,
heute wird hier der Sächsische Demokratiepreis 2010 verliehen. Wir sind Mitglieder und Unterstützer_innen des AKuBiZ e.V., eines Pirnaer Vereins, der für den Preis nominiert ist. Wir werden heute keinen der Preise annehmen und möchten erklären, warum wir uns dafür entschieden haben.
Vor wenigen Tagen forderten die Initiator_innen alle Nominierten auf, eine „antiextremistische“ Grundsatzerklärung(1) zu unterschreiben, deren Inhalt zweifelhaft und kritikwürdig ist. Wir haben dies, wie alle Anderen getan, sehen uns nun aber in der Verantwortung davon zurück zu treten und Stellung zu beziehen.
Im Schreiben heißt es, dass wir als Nominierte nicht den Anschein erwecken dürfen „extremistische Strukturen“ zu unterstützen. Aber ab wann erwecken wir den Anschein? Die jahrelange Unterstützung der Gegenaktivitäten zu Europas größtem Naziaufmarsch in Dresden erfüllt nach Ansicht der Behörden mit hoher Wahrscheinlichkeit diesen Punkt. Uns aber ist es ein Anliegen, dass Nazis nicht ungestört durch die Straßen laufen können, um ihre menschenverachtenden, mörderischen Ideologien zu verbreiten.
Weiterhin fordert die Grundsatzerklärung die Pflicht ein, dass wir als Nominierte alle unsere Partner_innen auf „Extremismus“ prüfen. Dafür schlagen die Verfasser_innen u.a. Nachfragen bei den Verfassungsschutzämtern vor.
Wir aber wählen seit Jahren unsere Partner_innen danach aus, ob sie humanistische Grundsätze teilen, sich gegen Diskriminierung und für gesellschaftliche Teilhabe einsetzen. Wir glauben dies auch besser einschätzen zu können, als der Verfassungsschutz, dem Gerichte wiederholt attestierten, fehleinzuschätzen.Nach der Definition von Bundesregierung und den Verfassungsschutzbehörden sind beispielsweise Organisationen, die eine sozialistische Gesellschaft anstreben als „extremistisch“ anzusehen. Danach wäre uns selbst eine Zusammenarbeit mit der SPD oder der LINKEN untersagt. Die intransparente Kategorisierung von Initiativen, die sich gegen Rechts engagieren, werden wir nicht mit einer unsolidarischen „Gesinnungsprüfung“ unterstützen. Die Aufforderung an uns, unsere Kooperationspartner_innen auszuleuchten, erinnert eher an Methoden der Stasi und nicht an die Grundlagen einer Demokratie.
Uns stellt sich die Frage, warum die nominierten Initiativen nicht unterschreiben sollten, dass sie sich den Menschenrechten verpflichtet fühlen und dass sie humanistische Grundsätze teilen. Da dem nicht so ist, muss angenommen werden, dass dies den Initiator_innen des Sächsischen Demokratiepreises nicht wichtig ist. Die Zustände in den Heimen für Asylsuchende untermauern diese Vermutung. Stattdessen wurden wir als antirassistische Initiative aufgefordert, die faktische Abschaffung des Grundrechts auf Asyl (Art. 16a GG) gut zu heißen, indem wir uns den Zielen des Grundgesetzes kritiklos verpflichten.
Seit neun Jahren arbeiten wir ehrenamtlich in der Region in Pirna für Menschenrechte und gegen rechtes Gedankengut. Bei mehr als 30 Veranstaltungen im Jahr leisten wir unseren Beitrag zur Demokratieentwicklung im ländlichen Raum. Für unser Engagement wurden wir angefeindet und Mitglieder unseres Vereins erfuhren Bedrohungen, Körperverletzungen und Sachbeschädigungen durch Brandanschläge.
Unsere vielfältigen Projekte haben die Jury dazu bewogen uns für den Sächsischen Demokratiepreis 2010 zu nominieren. Darüber haben wir uns sehr gefreut, war es doch eine Bestätigung unserer bisherigen Arbeit.
Wir stehen für Menschenrechte, Chancengleichheit und Antirassismus. Für diese Ziele werden wir uns auch in Zukunft gemeinsam mit allen, die unsere Grundsätze teilen, einsetzen. Deshalb lehnen wir diesen Preis ab, der uns viel bedeutet und unsere Arbeit gewürdigt hätte!
AKuBiZ e.V. Pirna, 09.11.2010 Dresden
(1) Von den Initiator_innen vorgelegte „Extremismusklausel“:
Hiermit bestätigen wir, dass wir
– uns zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennen
und
– eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit gewährleisten.Als Nominierte bzw. Preisträger des Sächsischen Förderpreises für Demokratie haben wir zudem im Rahmen unserer Möglichkeiten (Literatur, Kontakte zu anderen Vereinen/Trägern sowie Behörden, Referenzen, die jährlichen Verfassungsschutzberichte des Bundes und der Länder etc.) und auf eigene Verantwortung dafür Sorge zu tragen, dass die als Partner ausgewählten Organisationen, Referenten etc. sich ebenfalls den Zielen des Grundgesetzes verpflichten. Uns ist bewusst, dass keinesfalls der Anschein erweckt werden darf, dass eine Unterstützung extremistischer Strukturen durch die Gewährung materieller oder immaterieller Leistungen Vorschub geleistet wird.