„Wir wollen, das was hinter den Kulissen läuft auf eine offizielle Ebene heben, den Prozess beschleunigen und ein Signal auszusenden, dass Kultur/ und Party-Freiflächenveranstaltungen Bestandteil der kulturellen Praxis in dieser Stadt sind.“ – Rede zum Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Ratsversammlung am 21.3.13
Seit mehr als 10 Jahren gehen in Leipzig jeden Sommer zahlreiche Menschen auf die Strasse und demonstrieren für kulturpolitische Belange. Von einigen Hundert ist die Zahl der vorwiegend jungen Leute mittlerweile auf an die 5000 gestiegen. Organisatorin dieser Veranstaltung ist die Global Space Odyssey, die sich über die Jahre zum kulturpolitischen Netzwerk gemausert hat, das Belange von Clubs, DJS und VeranstalterInnen vor allem elektronischer Kulturveranstaltungen bündelt. Die jährliche Demonstration dient nicht dem Anliegen finanzielle Förderung einzufordern, sondern viel grundsätzlicher geht es um die Forderung nach er Anerkennung bestimmter zeitgenössischer kultureller Ausdrucksformen als Beitrag zum kulturellen Leben dieser Stadt und darum dass jenen auch Platz eingeräumt wird.
Um Platz geht es auch bei der Forderung nach der Quasi-Legalisierung von Kultur- und Tanzveranstaltungen unter Freiem Himmel, die seit einigen Jahren zum Schwerpunkthema der GSO gehört. Solche Veranstaltungen finden in den Sommermonaten regelmäßig statt – oftmals illegal.
Warum? Weil die Hürden für die Anmeldung immens hoch sind, die MacherInnen dies ehrenamtlich und mit nicht-kommerziellen Anspruch machen und weil es an offiziell freigegebenen Flächen, die natur- und lärmschutzrechtlich unbedenklich sind, mangelt.
Um dem Katz- und Maus-Spiel mit den Ordnungsbehörden, das in den Sommermonaten jedes Jahr von neuem beginnt und oft in der Auflösung von Veranstaltungen und Ordnungswidrigkeitsverfahren gipfelt, ein Ende zu setzen, setzte sich die GSO vor drei Jahren zusammen und formulierte ein Konzept, das der Stadt und ihren Ämtern ein Modell vorschlägt, mit dem diese Art von Veranstaltungen einfacher und vor allem legal stattfinden können.
Es ist maßgeblich der Offenheit und verwaltungsinternen Beharrlichkeit der Veranstaltungsstelle des Ordnungsamtes zu verdanken, dass das Konzept ernst genommen und mit der Prüfung von Flächen begonnen wurde. Dieser Prozess schleppt sich allerdings nun schon über zwei Sommer hinweg.
Unser Antrag will diesen Prozess nicht vereinnahmen, aber er will unterstützen.
Wir wollen eine politische Willensbekundung des Stadtrates erwirken, der dem Prozess zur Etablierung von legalen Freiflächen Drive verleiht und die Türen anderer Ämter öffnet. Es geht konkret um die Suche nach geeigneten Flächen – was sich im Rahmen der bisherigen Bemühungen als eher schwierig erweist, und es geht um die gemeinsame Erarbeitung von Regularien, die bei der Nutzung möglicher Flächen für Kultur- und Tanzveranstaltungen zu beachten sind.
Lassen sie mich einen Blick über den Tellerrand werfen:
Halle und Zürich sind zwei Beispiele für Kommunen, in denen in eine ähnliche Richtung gedacht wird: in Halle wurde im September letzten Jahres ein Antrag der dortigen SPD-Fraktion beschlossen, mit dem die Verwaltung beauftragt wird „geeignete Orte im Stadtgebiet vorzuschlagen, die zur dauerhaften Nutzung für Musik-Tanzveranstaltungen zur Verfügung gestellt werden“. Zudem formulierten die Hallenser SozialdemokratInnen den Auftrag Bestimmungen zu erarbeiten, die die Nutzung der Gelände regeln und dafür ggf betroffene Satzungen und Ordnungen anzupassen. Dem auch von mir erwähnten Problem hoher Hürden bei den Genehmigungsverfahren, soll mit dem Antrag ebenfalls beigekommen werden: diese sollen „bürgerInnenfreundlicher“ gestaltet werden.
In Zürich wurde nach einem modellhaften Versuch im Sommer 2012 die Möglichkeit von vereinfachten Genehmigungsverfahren für Outdoorparties in den Status einer dauerhaften Lösung gehoben. (siehe PM der Stadt Zürich) In Reaktion auf illegale Veranstaltungen und Konflikte bei deren Auflösung hat sich die Verwaltung mit dem dortigen Stadtrat nicht etwa repressive Schritte ausgedacht sondern den Weg der Legalisierung eingeschlagen. Demnach können junge Menschen, zwischen 18 und 25 Jahren, mindestens acht Tage vor dem gewünschten Termin ihre Outdoor-Veranstaltung unkompliziert anmelden. Von 33 Anträgen wurden im Sommer 2012 30 bewilligt und schliesslich 21 durchgeführt.
Leider waren die Debatten um die Realisierung ähnlicher Varianten in Leipzig müssig.
Einerseits hiess es, es bräuchte die offiziellen Freiflächen nicht, weil solche Veranstaltungen ja schon immer illegal laufen würden und genau dies ihren Reiz ausmachen würde, andererseits wurde beispielsweise eingewendet, dass dem Antrag nicht zuzustimmen sei, weil es ja auch sein kann, dass die Stadt keine Fläche findet.
Diese Argumente sind Scheinargumente. Denn einerseits hat ein relevantes Netzwerk signalisiert, dass es gemeinsam mit der Stadt den Schritt aus der Grauzone gehen will und konkrete Vorschläge aufgeboten, andererseits sind Anträge dazu da der Verwaltung Aufträge zu geben.
Schliesslich wurden wir auch aufgefordert uns mit dem Sachstandsbericht, der im Verwaltungsstandpunkt formuliert ist, zufrieden zu geben. Genau das wollen wir aber nicht. Wir wollen mehr als einen Abriss darüber, was in den letzten drei Jahren schleppend gelaufen ist, und das fast nur weil es im Ordnungsamt einen rührigen Mitarbeiter gibt.
Wir wollen, das was hinter den Kulissen läuft auf eine offizielle Ebene heben, den Prozess beschleunigen und ein Signal auszusenden, dass Kultur/ und Party-Freiflächenveranstaltungen Bestandteil der kulturellen Praxis in dieser Stadt sind.
Um das schleppende Verfahren nicht gänzlich zu stoppen werden wir den Antrag jedoch heute nicht zur Abstimung bringen. Scheinbar ist eine Mehrheit des Stadtrates nicht bereit gesellschaftliche Realitäten anzuerkennen und zu unterstützen. Anstelle einer Abstimmung des Antrages wollen wir den Ist-Stand ins Protokoll aufnehmen lassen:
- Der Lindenauer Hafen steht ggf. für 5 Veranstaltungen im Tagzeitraum zur Verfügung,
- es werden weitere Flächen geprüft,
- die Fragen nach Bedingungen zur Nutzung und Verwaltung möglicher Flächen wird die
Stadtverwaltung gemeinsam mit der GSO lösungsorientiert bearbeiten.
Zu guter Letzt möchte ich Sie einladen: machen sie sich ein Bild von der lebendigen Szene, über die ich gesprochen habe – eine Gelegenheit bietet sich am 13. Juli, wenn die kulturpolitische Demonstration der GSO wieder durch Leipzig zieht, diesmal mit dem Schwerpunktthema Stadtentwicklung.
Rede zum Antrag 338 der Fraktion DIE LINKE „Selbstorganisierte Kulturszene und Clubkultur stärken – soziokulturelle Vielfalt Leipzigs erhalten: Freiflächen für Kulturveranstaltungen“. Er wurde zurückgezogen und eine Protokollnotiz vereinbart.
Presse:
– Der Stadtrat tagt: Fraktion „Die Linke“ unterstützt Freiflächen für Clubveranstaltungen – Antrag aus Kalkül zurückgezogen (L-iz, 20.3.13)
– Freiflächen-Suche für Open-Air-Tanzpartys in Leipzig: Politisches Bekenntnis bleibt aus (LVZ-online, 20.3.13)