„Die unerträgliche Lächerlichkeit einer Übergangslösung“. Zwischenstand zum Interim der ehemaligen BesetzerInnen für einen neuen Wagenplatz in Leipzig & Update: Interview
>>> Interview mit Anke & Felix im linksdrehenden radio/ Radio blau, 1.2.2013
Offener Brief, Ende Januar 2013
Sehr geehrte Mitarbeiter_Innen der Stadtverwaltungen,
Leipzig ist eine moderne Großstadt in der Menschen mit vielen verschiedenen Lebenskonzepten ihren Platz haben sollten. Allerdings nehmen Formen der konsumorientierten und hierarchischen Leistungsgesellschaft immer mehr Raum ein und verdrängen dadurch experimentelle Kollektivwohnformen und solidarisches Engagement. Zudem versuchen Markt und Politik bewaffnet mit Verwertungslogik alternative Ideen als Träumereien abzuwerten. Stattdessen wächst die Zahl der Menschen die solidarische Wohnformen anstreben immer weiter. Auch das Wagenleben gewinnt stetig an Zulauf, so wird es auch bei uns eng.
Aktueller Stand 29.Januar 2013
Seit dem 09.11.2012 stehen wir jetzt auf dem schmalen Streifen zwischen Jahrtausendfeld und Karl-Heine-Kanal. Diese Fläche wurde uns von ihnen als Übergangslösung für die Zeit der Verhandlungen um eine Fläche für einen Wagenplatz zugewiesen. Diese versprochenen Verhandlungen fanden in den letzten Wochen aber nicht statt.
Zuerst verwiesen ihre Mitarbeiter auf überfüllte Terminkalender der zuständigen Bürgermeister_Innen, nun ist die Position unserer Wägen das Problem. Mehrmals versuchten wir unsere Wägen neu auszurichten. Die nicht gekennzeichnete Grundstückgrenze zum Jahrtausendfeld wird jetzt nur noch von zwei Wägen um jeweils nicht mehr als 4m überschritten. Diese Bemühungen sorgten leider auch nicht für eine Wiederaufnahme der Verhandlungen.
Wir stehen dicht gedrängt auf einem etwa 10m breiten Streifen am Rande des Jahrtausendfeldes, einer 30.000 qm großen Freifläche. Diese liegt seit vielen Jahren brach und in näherer Zukunft ist auch keine dauerhafte Bebauung vorgesehen. Stattdessen wird eine Künstlergruppe anlässlich des Jahrestags der Völkerschlacht ein Feldlager auf dem Gelände inszenieren. Die Künstler_Innen werden dieses Camp ihrerseits mit Bau- und Zirkuswägen durchführen, und stören sich nicht an der Position unserer Wägen.
Aber vor allem ist uns nicht an einer Dauernutzung dieses schmalen Streifens gelegen. Daher empfinden wir die mangelnde Kooperation aufgrund der Grenzüberschreitung als unnötige Verzögerung.
Wir fühlen uns von ihnen hingehalten und nicht ernst genommen. Wir fordern die Wiederaufnahme der in Aussicht gestellten Verhandlungen um eine Wagenplatz-Fläche mit Zukunft. Dies ist auch angesichts der teils perspektivlosen Situation anderer Leipziger Wagenplätze anzustreben.
Unsere Vorstellungen einer Wagenplatzfläche:
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Um das Projekt nachhaltig gestalten zu können, streben wir eine Mindestnutzungsdauer von 10 Jahren an.
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Die Größe der Fläche sollte mindestens 3000qm betragen.
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Die Fläche sollte nicht am äußeren Rand von Leipzig liegen. Da auch wir ein Recht auf Leben in der Stadt einfordern.
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Da wir unsere Arbeit auf dem Wagenplatz ehrenamtlich und unkommerziell betreiben, wollen wir die Fläche mietfrei nutzen. .
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Wenn es um eine konkrete Fläche geht, würden wir über die anfallenden Nebenkosten gern in einem persönlichen Gespräch sprechen.
Wir fordern Toleranz für unsere Lebenskonzepte und wollen unsere Stadt mitgestalten. Wir wollen ein experimentelles, eigenständiges, Ressourcen schonendes und nachhaltiges Wohnen. Wir wollen politische und sozio-kulturelle Impulse durch beispielsweise verschiedene Werkstätten, Diskussionsrunden oder Nachbarschaftsgärten geben. Wir wollen uns von staatlichen und wirtschaftlichen Zwängen abgrenzen und von Konsumfetischismus loslösen. Wir wollen ein Ende der Diskussion um wenige Meter und fordern den versprochenen Dialog um eine geeignete Fläche.
Die Stadt sind wir alle.
Freundlichst
jetze Wagenplätze (jetzewagenplaetze@gmx.de)
Ein Gedanke zu „Dokumentiert: Ein offener Brief der Wagenbewohner_Innen am Karl-Heine-Kanal“