Am 9. Oktober veranstalten Politiker*innen aller Couleur in Leipzig ein großes Schaulaufen und feiern die so genannte friedliche Revolution. Und ja: Vor mehr als 30 Jahren war ein besonderer Moment, vor mehr als 30 Jahren nahmen Menschen ihre Geschicke selbst in die Hand, trotzdem sie Repressionen krassester Art zu befürchten hatten. Es ging zunächst um Demokratisierung eines autoritären, verfilzten Staates, der seine Bevölkerung klein hielt und bespitzelte, einsperrte und drangsalierte und der mit sozialistischen Ideen nichts mehr zu tun hatte.
Als es am 7. und 8. Oktober 1989, dem 40. Jahrestag der DDR, zu massiven Protesten kam, wurden diese mit harter Hand bekämpft. 1200 Menschen wurden allein in Berlin inhaftiert.
Wir wissen, dass die politische Wende in den nächsten Tagen eingeläutet wurde, mit Massendemonstrationen und Wortmeldungen von wichtigen Persönlichkeiten, die für Grundrechte wie das auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit, für Dialog und Reformen ihre Stimme erhoben. Wir wissen aber auch was aus den Demokratisierungsbestrebungen wurde: Sie wurden sukzessive überrollt durch nationalistische Töne. Aus der Demokratisierung des sozialistischen Versuchs wurde eine Einordnung des Osten in die Bundesrepublik. Die ökonomischen Strukturen der DDR wurden platt gemacht, Millionen wurden in den Folgejahren arbeitslos, in der Umbruchszeit von unten aufgebaute Strukturen wurden von Strukturen aus dem Westen geschluckt.
Viele Wunden dieser Zeit sind heute noch offen. Dies betrifft vor allem auch die soziale Lage, die weitere Benachteiligung der Lebensleistungen im Osten. Dies betrifft den Kahlschlag dessen, was Menschen auch unter widrigen Umständen vierzig Jahre lang aufgebaut haben.
Ja, der in der DDR fehlte es an Demokratie und basisdemokratischen Umbrüchen wie 1968 im Westen. Ganz sicher gab und gibt es einen immensen Nachholebedarf an nicht-hierarchisch organisierten Prozessen, die die Menschen selbst und angstfrei in die Hand hätten nehmen können. Der ursprüngliche Ruf nach Freiheit der Demokratisierungsbewegung trug diese Sehnsucht tief in sich. Doch was ist daraus geworden?
Freiheit steht mehr denn je unter Beschuss der heute politisch Verantwortlichen. Verbriefte Grundrechte wie das auf informationelle Selbstbestimmung, die Freiheit der Person, die Versammlungsfreiheit oder das Postgeheimnis werden sukzessive ausgehöhlt. Die Polizeigesetze der Länder, das BKA-Gesetz auf Bundesebene, die geheimdienstliche Praxis und die Praxis der Polizei im Umgang mit Demonstrationen, die Durchleuchtung von Menschen, die Sozialleistungen beziehen und der menschenrechtswidrige Umgang mit Geflüchteten: all das hat mit Blick auf die staatssozialistische Vergangenheit einen bitteren Beigeschmack. Eine einfach Gleichung zwischen DDR und dem jetzt zu ziehen verbietet sich. Doch die Tendenzen zum autoritären Staat sind unübersehbar und werden vor allem durch die Akteure der großen Koalition exekutiert, Politiker*innen, die am 9. Oktober 2019 ein Hohelied auf die Freiheit und die so genannte friedliche Revolution singen werden.
Gleichzeitig neigt ein großer Teil insbesondere der ostdeutschen Bevölkerung zu autoritären Ideen und gibt ihre Stimme bei den Wahlen einer faschistischen Partei, die Freiheit noch weiter beschneiden will und den Anspruch auf soziale Gleichheit ganz und gar beerdigt.
Um so wichtiger ist es gerade dieser Tage die Ideale und Ziele der menschenrechtsorientierten Gruppen der DDR hochzuhalten und zu verteidigen.
Es gilt weiter: Geschichte gehört nicht ins Museum, der Kampf um emanzipatorische Errungenschaften muss lebendig gehalten und weiter geführt werden.
Freiheit durch Sozialismus bedeutet Freiheit, Gleichheit, Solidarität!