Ich habe am 4. April auf der Kundgebung von „Leipzig nimmt Platz“ gesprochen – über die Notwendigkeit zivilen Ungehorsams – nicht nur gegen Legida & Co. Die dokumentierte Rede:
ich möchte an dieser Stelle danke sagen. Danke für die großartige Unterstützung des Soliaufrufs in Reaktion auf die Aufhebung meiner Immunität. Über 3600 UnterzeichnerInnen haben sich damit nicht in erster Linie mit mir persönlich, sondern dem Anliegen des wichtigen Protestes gegen Legida und alle menschenfeindlichen, autoritären und völkischen Akteure solidarisiert und haben damit gleichzeitig deutlich gemacht, dass ziviler Ungehorsam legitim ist. Das nenne ich großartig und einen Applaus wert.
Ich will an dieser Stelle noch einmal unterstreichen: Die Kriminalisierung des Aufrufs zu zivilem Ungehorsam gegen Legida durch die sächsische Justiz ist nur ein Mosaiksteinchen eines Puzzles an repressiven Maßnahmen. Es sind zig Menschen, die wegen ihrer aufrechten Haltung Probleme mit Polizei und Staatsanwaltschaft bekommen haben. Erinnern wir uns an die Einschränkung der Versammlungsfreiheit durch das Vorenthalten von Demorouten, durch die Verhinderung von Zugangswegen zu angemeldeten Versammlungen, durch unverhältnismäßige Kontrollen, Identitätsfeststellungsmaßnahmen oder Polizei- Kessel, durch Videografie oder auch durch Gewalt durch die Polizei. Die Dimension der Repression ist längst nicht erfasst. Den Betroffenen sei die Unterstützung gewiss. Denn gemeint sind wir alle.
Ganz konkret habe ich am 19.1.2015 – also vor weit einem Jahr – mit diversen VertreterInnen der Zivilgesellschaft in Leipzig – Gewerkschaft, Universität, Kirche und Politik – anlässlich des zweiten Legida-Aufmarsches zu Protest und im Namen des Aktionsnetzwerks Leipzig nimmt Platz auch zu zivilem Ungehorsam aufgerufen.
Genau dies würde ich auch wieder tun.
Ziviler Ungehorsam ist nicht kriminell. Er hat eine lange Geschichte und ist nichts anderes als die kontrollierte und bewusste Regelübertretung, um ein empfundenes Unrecht zu beseitigen.
Ob Blockaden von Atommülltransporten oder Kriegseinsätzen, die Besetzung von leer stehenden Häusern um sie zu bewohnen, Generalstreiks, die Verhinderung von Abschiebungen oder eben Nazis nicht die Straßen zu überlassen – all dies gehört in das bunte Repertoire zivilen Ungehorsams.
Ziviler Ungehorsam ist eine Form der Partizipation, eine Form, mit der sich Menschen aktiv in die Gesellschaft einmischen und staatliche Entscheidungen aus ihrer Kraft heraus korrigieren.
Und was anderes ist die Hetze von Legida, Pegida OfF oder anderen Asyl-, Demokratie- und Menschenrechtsfeinden als Unrecht?
Auch Neurechte wie Götz Kubitschek, der in der Vergangenheit bereits Legida und Pegida Reden gehalten hat, und künftig die Alternative für Deutschland im Landtag von Sachsen-Anhalt beraten wird, rief im Oktober 2015 zu zivilem Ungehorsam auf. Tausenden rief er entgegen gegen die bestehende Ordnung vorzugehen, um den deutschen Staat vor seiner „Auflösung“ zu bewahren. Er meinte also den Schutz des deutschen Staates vor selbst nach Schutz suchenden Menschen, vor Migration, vor Veränderung. Er beschwor nichts anderes als eine nationalistische und rassistische Revolte.
Ich meine, dass ziviler Ungehorsam nicht rassistisch sein kann, sondern sich in den Dienst der Menschenrechte stellt. Wir können nicht anders als einige Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Denn: Der Staat selbst kommt seiner Aufgabe – dem Schutz der Menschenwürde – immer weniger nach. Dies wird nicht nur an einer menschenrechtswidrigen Asylpolitik deutlich, sondern auch auf der Straße. Erinnern wie uns an die Blockaden von Bussen mit asylsuchenden Menschen in Heidenau, die Dauerbelagerung der Erstaufnahmeeinrichtung in Chemnitz-Einsiedel samt Versuch den Einzug von Geflüchteten durch eine Blockade zu verhindern oder die Ereignisse in Clausnitz. Ja, an zahlreichen Orten konnte der Mob unbehelligt schalten und walten.
Wenn wir uns diese sächsische Realität vergegenwärtigen und vor diesem Hintergrund die Repression gegen die, die zu zivilem Ungehorsam gegen nationalistische, rassistische und antidemokratische Hetze aufrufen, oder diesen aktiv praktizieren, betrachten, kommt Wut hoch. Hier wird klar mit zweierlei Maß gemessen. Und dies kommt nicht von ungefähr. Markus Ulbig äußerte in Hochzeiten der aggressiven rassistischen Proteste und Blockaden im vergangenen Jahr „Auf Dauer kann man eine Politik gegen die Mehrheit der Bevölkerung auch nicht machen“ und gab damit denen Recht, die die Menschenwürde mit Füßen treten.
Liebe Leute – Zeit sich zurückzulehnen gibt es nicht. Das zeigt das Treiben auf den Straßen, das zeigen die Wahlergebnisse der rechtsaußen-Kräfte, das zeigt die Abschottung Europas und die Spirale immer weiterer Asylrechtsverschärfungen. In diesem Sinne: seid und bleibt ungehorsam. Gegen eine menschenrechtswidrige Politik und gegen die Hetze von Legida, OfD und Co.
Ich sehe in der nationalen und internationalen Berichterstattung, dass über Ausländerfeindlichkeit in Sachsen berichtet wird. Ich höre von Professoren in Dresden, dass es immer schwieriger wird Spitzenforscher aus der ganzen Welt nach Dresden zu holen. Aus der Staatskanzlei werden Töne laut, dass es schwer ist Investoren nach Sachsen zu holen, gar Arbeitsplätze in 1000’er Dimension, wie im Bereich der Halbleitertechnik, abgebaut werden und auch im Bereich der Automobil-Konzerne und Zulieferer, siehe Gläserne Fabrik, große Herausforderungen bestehen.
Der Ruf Sachsens leidet, die Wirtschaft läuft nicht mehr rund, die Bevölkerung ist gespalten in Links, Mitte, Rechts und „Mir doch egal“.
Die einen wollen mehr Flüchtlinge, die anderen wollen sie abschieben.
Gibt es effektive Sprachkurse für die Flüchtlinge? Gibt es eine Möglichkeit das der Großteil Arbeit finden kann oder dafür qualifiziert wird mit einer Ausbildung? Gibt es genügend Wohnraum für alle, für Einheimische und Flüchtlinge?
Es ist immer einfach dafür oder dagegen etwas zu sein. Man muss sich aber auch über die Folgen bewusst sein, was es auf Dauer heißt wenn Sachsen einen schlechten Ruf hat, wenn Flüchtlinge nicht zügig oder überhaupt integiert werden, wenn sie die Deutsche Sprache nicht ausreichend lernen oder wenn es zuwenig Wohnraum gibt und dadurch soziale Spannungen verschärft werden?
Es ist nicht nur so, dass Investoren und Wissenschaftler Sachsen meiden werden, Investoren aus der Welt genauso wie Deutsche und Europäische. Nein es ist so, dass dadurch Arbeitsplätze verloren gehen werden, die Arbeitslosigkeit in Sachsen wird steigen und damit die Unzufriedenheit vieler.
Doch das sollte nicht der Beweggrund sein sich wie auch immer zu verhalten, dazu gehört eine „Innere Einstellung“. Hier steht Leipzig mit einer überwältigenden Mehrheit für Weltoffenheit, Gastfreundschaft und Bereitschaft Flüchtlinge zu integrieren.
Diese Bereitschaft in der Leipziger Bürgerschaft kann sich auszahlen, in einem noch positiveren Image für die Stadt, bewusste Auswahl der Stadt durch internationale Investoren als Produktions- und Niederlassungsstandort und nicht zuletzt in einem besseren Miteinander, mit mehr Sicherheit für alle Bürger, einem Achtsamen Umgang, wo Ausländer genauso als Mensch mit einer Lebensgeschichte angesehen wird, wie jeder in Leipzig.
Leipzig wird wachsen, Kulturell in seiner Vielfalt, in seinem Reichtum und auch nominal in der Einwohneranzahl. Wer Leipzig kennt, kennt die freundlichen Menschen, die oft ein Lächeln auf den Lippen haben, das ist es Wert zu erhalten.
Als Kenner der Deutschen Gesichte kann ich mich dem Eindruck manchmal nicht erwehren, dass die Wunden der Bombardierung Dresdens und anderer Städte mit dem Verlust des einstigen Industrieherzens Deutschlands in der Region Chemnitz-Zwickau mit all seinem hart erarbeitetem Wohlstand, bis heute nachwirkt. Sicherlich ist dieser Verlust groß und die älteren Generationen erzählen darüber mit viel Herzensblut.
Der Fall war tief nach dem zweiten Weltkrieg, es macht aber keinen Sinn heute, über 70 Jahre später mit aller Macht in eine Richtung zu marschieren, die unrealistisch ist. Deutschland ist nuneinmal nicht mehr Souverän, sondern durch EU-Verträge und Völkerrecht wie die 2+4 Verhandlungen etc. gewissermaßen „gebunden“. Dazu gibt es eine starke Globalisierung der Wirtschaft. Es gibt viele Wege die zu Wohlstand führen können, es gibt die Schweiz, wo die Schweizer eher ihren eigenen „Club“ haben, es gibt aber auch Länder wie Kanada, die bunt gemischt sind und dennoch über einen hohen Wohlstand verfügen, jedoch größten Wert auf richtige Integration der Neuankömmlige legen.
Egal welches Modell jeder nach seinem Geschmack bevorzugt, Tatsache ist und bleibt, dass Deutschland auf der Landkarte mitten in Europa ist und sich die Kooperation mit den Nachbarländern statt Krieg, in den letzten Jahrzehnten eher ausgezahlt hat, als sie zu bereuhen wäre.
In beiden Weltkriegen kämpfen Franzosen und Deutsche gegeneinander, obwohl schon vor Tausenden von Jahren immer wieder in Frieden zusammengelebt wurde und es genug Kriege gab….heute sagt die Französische Regierung, dass sie einen militärischen Angriff auf Deutschland genauso wie einen Angriff auf Frankreich sehen würden. Wir haben also etwas von unseren französischen Freunden.
Vielleicht gelingt es beiden Ländern zusammen sogar eine europäische Allianz zu schmieden um die Kriesenherde, um Europa herum zu befrieden, damit die Flüchtlinge nicht mehr flüchten müssen. Das wäre ein Ziel und noch menschenwürdiger als Flüchtlingen in einem anderen Land Zuflucht zugewähren.
Doch kann Deutschland hier alleine etwas bewegen? Wenn ein Mitglied im UN-Sicherheitsrat sich gegen eine Friedensresolution für Syrien… sperrt? Sein Veto einreicht? Dann ist kein völkerrechtlich legitimes Handeln möglich….deshalb ist Europa darauf angewiesen mit allen UN-Sicherheitsratsmitgliedern wie China, Russland… zu kooperieren….
Doch daran scheiterte es in den letzten Jahren, wie wohl fast jeder weiß?
Es gibt längst einen neuen Konflikt zwischen dem Westen und Russland, teilweise auch mit China.
Dieser Konflikt ist mit ursächlich für die vielen Menschen die ihre Heimat verloren haben und nun um ihr Leben oder Nahrungsgrundlage flüchten….
Heute sind es Flüchtlinge, morgen ein Cyberkrieg oder der 3. Weltkrieg? Wer weiß? Doch Fakt ist, dass es so oder so auf den Rücken der einfachen Menschen ausgetragen werden wird.
Das Erstarken der AfD wie auch der Flüchtlingsströme ist Ergebnis eines globalen ausufernden Kapitalismus, der gegenwärtig mit neo-liberaler Propaganda für Weltoffenheit, Multikulti, Globalisierung die letzten national- staatlichen Schranken, die ihn ein wenig gezähmt haben, abschafft. Wenn die Schere zwischen den Armen und den Reichen immer weiter auseinander geht, muss sich niemand wundern, wenn die politischen Ansichten ähnlich radikal auseinander treiben.
Das Erstarken der AfD überwiegend durch bisherige Nichtwähler und Wähler aus der Unterschicht ist daraus zu erklären. Man kann nicht diejenigen moralisch als Rassisten verdammen, die den Wettkampf, bei dem die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden, nicht mehr mitmachen wollen.
Da die Linken nicht die moralische Verschleierung (wir schaffen das) der neo-liberalen merkelschen Politik begreifen, bleibt zu befürchten, dass eine rechte Revolte entsteht, weil die sozialistische Revolution ausgefallen ist.