Geplante Sanierung und Erweiterung der Massenunterkunft in der Torgauer Straße ist ein Schritt in die falsche Richtung
5,7 Millionen Euro will die Stadt Leipzig in die Erweiterung und Sanierung der Massenunterkunft in der Torgauer Straße 290 stecken. Über 500 asylsuchende Menschen sollen dort zukünftig untergebracht werden.
Stadträtin Juliane Nagel kritisiert diese Vorhaben:
Die Schließung der Massenunterkunft in der Torgauer Straße 290 war und ist ein Kernpunkt der Debatte um einen Paradigmenwechsel bei der Unterbringung von Asylsuchenden in Leipzig. Die Massenunterkunft im Leipziger Norden widerspricht dem von Zivilgesellschaft und Politik geforderten Ansatz der menschenwürdigen und integrativen Unterbringung. Neben den akuten baulichen Mängeln sind es vor allem die Lage im Gewerbegebiet am Stadtrand und die Ballung von mehreren Hundert Menschen an einem Ort, die auf Kritik stößt.
Auch der Sächsische Ausländerbeauftragte Martin Gillo forderte immer wieder den Vorrang der dezentralen Unterbringung in eigenen Wohnungen sowie kleinteilige Gemeinschaftsunterkünfte für 50 bis maximal 100 Menschen.
Das 2012 vom Stadtrat beschlossene Unterbringungskonzept wies den richtigen Weg hin zu Gemeinschaftsunterkünften für zirka 50 Menschen, die übers Stadtgebiet verteilt liegen. Davon gibt es inzwischen fünf, drei weitere sind in Planung. Darüber hinaus stieg die Zahl der Anträge auf eine eigene Wohnung seit 2012 massiv an, weil diese Möglichkeit unter den Betroffenen gezielt publik gemacht wurde und sich die Bewilligungspraxis des Sozialamtes verändert hat.
Die Antwort auf meine Kleine Anfrage an die Staatsregierung ergab, dass die Quote der dezentral, also in eigenen Wohnungen lebenden Asylsuchenden in Leipzig im Landesvergleich unterdurchschnittlich ist. In Dresden, Chemnitz, Nordsachsen oder der Sächsischen Schweiz liegt die Quote demnach weitaus höher als in Leipzig, wo 45 % der Asylsuchenden in Wohnungen untergebracht sind. (Drs. 6/199, MdL Juliane Nagel „Unterbringung von Asylsuchenden in Sachsen“ hier klicken)
Die Schaffung neuer kleinteiliger Unterkünfte sowie die dezentrale Unterbringung muss einen klaren Vorrang vor Massenunterkünften haben. Auch die gestiegene Zahl von nach Leipzig zugewiesenen Asylsuchenden – insgesamt sollen bis Jahresende 1245 Flüchtlinge nach Leipzig kommen und damit zirka 200 weniger als prognostiziert – darf nicht dazu führen, selbst gesteckte und vom Stadtrat legitimierte Standards zu unterlaufen.
Die Stadt ist in diesem Sinne aufgefordert, gemeinsam mit ihrer Wohnungsbaugesellschaft LWB und anderen VermieterInnen und ImmobilienbesitzerInnen zur Erweiterung der Torgauer Straße alternative Wohnmöglichkeiten für Asylsuchende zu finden. Die Fraktion DIE LINKE schlug bereits im November 2013 vor, gemeinsam mit dem städtischen Wohnungsunternehmen LWB, mit Genossenschaften und dem privaten Wohnungseigentümerverband Haus und Grund entsprechende Wohnungskontingente zu schaffen.
Eine langfristige Fortführung der Torgauer Straße als Asylunterkunft wird nicht auf Zustimmung der LINKEN stoßen.
PM, 3.12.2014
>>> Interview mit Radio Corax (6.12.2014)
Sehr geehrte Frau Nagel, so sehr ich persönlich Ihr Engagement zugunsten humanitärer und integrativer Lösungen bei der Unterbringung von Flüchtlingen schätze und im Ansatz unterstütze, stört mich persönlich, dass Sie bei der Suche nach Lösungswegen eher wenig integrativ argumentieren. Im Falle der Stadt Leipzig verschweigen Sie gewollt oder unbewusst, dass zwar hier durchaus der Anteil der dezentralen Unterbringung von Flüchtlingen gemessen an der Gesamtzahl der Unterbringungsvarianten mit 45 Prozent unterdurchschnittlich gegenüber dem sächsischen Mittel (47%) ist, aber in anderen Landkreisen noch viel niedriger ausfällt. Die Überschrift „Leipzig landesweit unterdurchschnittlich…“ stimmt demnach inhaltlich nicht. Ich betrachte derartige plakativen Losungen als politisch unschön und der Sache, der Sie sich zu Recht verpflichtet fühlen, nicht gerecht werdend. Eine Argumentation, die auf tönernden Füßen steht, zumindest was die Faktenlage anbelangt, ist nicht zielführend. Ähnlich verhält es sich mit dem Eindruck den Sie gewollt vermitteln möchten, dass die Stadt Leipzig einen besonders inhumanitären Umgang mit Flüchtlingen pflege, wenn Sie die Kommune in der oben beschriebenen Art und Weise mit anderen Kommunen und Landkreisen vergleichen. Sie verschweigen u. a. die Tatsache, dass sich das Problem der Flüchtlingsunterbringung in der Stadt Leipzig graduell sehr stark von dem in der Städten Chemnitz oder Dresden unterscheidet und zwar allein auf Grund der Tatsache, dass in der Stadt Leipzig am 31.10.2014 922 Flüchtlinge gezählt wurden. Dem gegenüber lebten in der Stadt Dresden bei etwa gleicher Einwohnerzahl 529 Flüchtlinge und in der Stadt Chemnitz mit halb so vielen Einwohnern 285 Flüchtlinge. Mit anderen Worten, in der Stadt Leipzig wurden am 31.10.2014 mehr Flüchtlinge gezählt als in den Städten Dresden und Chemnitz zusammen. Glauben Sie nicht, dass die Stadt Leipzig damit auch ein ungleich größeres Unterbringungsproblem als andere Kommunen haben, glauben Sie nicht, dass es sinnvoller wäre, diesen Umstand zu berücksichtigen und entsprechende gemeinsame Lösungswege zu finden, als provokant eine Kommune an den Pranger zu stellen und damit Menschen, die sich um Lösungsvarianten bemühen vor den Kopf zu stoßen? Ich hätte übrigens gedacht, dass Sie die Antworten auf Ihre Anfragen im Landtag auch lesen, denn alle vorgenannten Zahlen entstammen der Antwort von SM Ulbig. MfG Dr. Kling
Hallo Herr Kling.
ich reagiere mich meiner Erklärung auf die Erzaehlung der stadt vorn dabei zu sein in Sachen dezentraler Unterbringung. Die Bezeichung unterdurchschnittlich, in Ordnung, sehen sie dies als Mittel der Zuspitzung. Trotzdem leben in 7 von 13 Landkreise/ Kreisfreien Städten mehr Flüchtlingen in Wohnungen!
Bei der Frage der Vergleiche greifen sie leider daneben: in Dresden leben eben über 400 Flüchtlinge mehr, und trotzdme viel mehr in Wohnungen. Bei kleineren Städten müssen sie bitte auch berücksichtigen, dass jene viel weniger Platz haben.
Ich schätze die vielen positiven Aspekte der Asylpolitik in LEipzig, zb den guten Schlüssel für soziale Betreuung, die kostenlosen Sprachkurse, die kleinteilige Unterbringung. Aber vor allem der Paradigmenwechsel bei der Unterbringungsform wurde von der Zivilgesellschaft erkämpft. Die Torgauer Straße reisst uns weg von diesem Weg. Das werde ich weiterhin kritisieren.
Hallo Frau Nagel, Sie haben völlig Recht und ich die Zahlen von SM Ulbig der falschen Frage zugeordnet. Bei der Neubewertung wird klar, die Stadt Leipzig hat mehr Flüchtlinge in Massenunterkünften untergebracht als Dresden und Chemnitz zusammen. War mein Fehler und die Kommune gehört in die Pflicht genommen. Die Quersubventionierung funktioniert in Leipzig ja an anderen Stellen reibungslos, warum also nicht auch zwischen kommunalen Unternehmen und der Stadtspitze, wenn es um eine humanitäre i.e. dezentrale und der Integration allein förderliche Unterbringung von Flüchtlingen geht. In diesem Sinne Danke und machen Sie weiter so Frau Nagel. MfG S. Kling