Unsozialer Neubauoverkill in Leipzig-Connewitz

337 neue Wohnungen sind in Connewitz geplant bzw. im Entstehen.
Zusammen mit den Thalysia-Höfen am Connewitzer Kreuz also weit über 550 Wohnungen für den Stadtteil. Eine Zahl, die aufgrund des Bevölkerungswachstums zunächst hoffnungsvoll klingt. Eine Zahl, die aber aufgrund der aufgerufenen Preise Angst macht und grundlegende Veränderungen für den Stadtteil bedeuten wird.

In den Thalysia-Höfen finden sich weiterhin freie Wohnungen mit Preisen von 13 Euro/ qm warm. In der Mühlholzgasse entstehen 26 Eigentumswohnungen. Durchschnittlich kostet eine Eigentumswohnung dort 3.300 Euro/ qm, auf der Website des Anbieters DIMA findet sich eine Reservierte für 658.829,00 Euro. Ähnlich ist die Preislage bei den ebenfalls von DIMA-Immobilien angebotenen Eigentumswohnungen in der Hildebrandtstraße.
Drei Hauskomplexe entstehen zudem in Verantwortung des Projektentwicklers „Wassermühle Immobilien“ auf dem Areal Wolfgang-Heinze-Straße Ecke Basedowstraße. Dafür mussten der Freisitz der Kneipe Black label sowie der urbane Garten VAGaBUND weichen. Auch hier liegen die Preise bei ab 3950,00 Euro/ qm.
Unweit findet sich mit dem Bauprojekt am Leopoldpark ein Vorhaben, das in der Vergangenheit viel Protest auf sich zog. 110 Wohnungen sollen dort entstehen, wo einst Connewitzer*innen chillten, Tischtennis spielten und zusammentrafen. Überschwenglich wird das Bauprojekt unter dem Titel „La vida – bella vista“ angepriesen. Die preislichen Vorstellungen lassen sich nur erahnen.
Der Baureigen wird mit dem „Mikroapartement“-Haus in der Bornaischen Straße neben der Wiederbachpassage rund gemacht. Hier entstehen überteuerte Student*innenbuden, wie wir sie vom staytoo an der HTWK kennen. 136 Wohnungen zum Preis von 350 – 400 Wohnungen sollen hier entstehen. Einer der Investoren war der durch Entmietung u.a. der Holbeinstraße 28a bekannte Immobilienplayer KSW.
Unter den neu entstehenden Wohnungen findet sich nicht eine Sozialwohnung. Daran haben die Investor*innen offensichtlich kein Interesse. Denn selbstverständlich hätten sie freiwillig das Förderprogramm des Freistaates Sachsen, mit dem seit 2017 jährlich zirka 10 Millionen Euro für Leipzig zur Verfügung gestellt werden, in Anspruch nehmen können. Eine Beauflagung durch die Stadt Leipzig ist in Bezug auf die oben genannten Bauprojekte eher schwierig. Es handelt sich bei den Vorhaben um so genannte Nachverdichtungen im unbeplanten Innenbereich nach § 34 Baugesetzbuch. Die Eingriffsmöglichkeiten durch den Staat sind hier gering. In Antwort auf meine Anfrage zur Bebauung der Bornaischen Str 10 bis 16 und Wolfgang-Heinze-Straße/ Basedowstraße antwortete die Stadtverwaltung im Mai 2018: „Die Implementierung eines Anteils von Sozialwohnungen kann demnach nicht Gegenstand einer Auflage zur Baugenehmigung sein. Grundsätzlich ist mit § 9 Abs. 1 Nr. 7 Baugesetzbuch die Ermächtigungsgrundlage zur Festsetzung von sozialem Wohnungsbau über einen Bebauungsplan gegeben. Die mit einem Bebauungsplan geplanten Zielstellungen können aber erst umgesetzt werden, wenn dieser in Kraft getreten ist bzw. Planreife festgestellt wurde. Dem geht ein gesetzlich vorgeschriebenes Verfahren voraus, das an den dafür notwendigen Zeitraum gebunden ist. Durch den benötigten Planungsvorlauf ist der Bebauungsplan für das Thema sozialer Wohnungsbau für aktuelle Bauvorhaben, die spontan für Baulücken und Brachflächen zum Genehmigungsverfahren eingereicht werden und nach § 34 BauGB beurteilbar sind, kein geeignetes Steuerungselement.“

Grundsätzlich können auch im unbeplanten Innenbereich Bebauungspläne als Steuerungsinstrument, mit denen auch ein Anteil von Sozialwohnungen festgesetzt werden kann, zum Zuge kommen. Dies ist ein anspruchsvolles Unterfangen und könnte zu Klagen der Investor*innen führen. Könnte.

Fakt ist, dass die Neubauten in Connewitz das Viertel verändern werden, nicht allein kulturell sondern vor allem im Hinblick auf die sozioökonomische Struktur. Wer kann sich Mieten von 11 Euro aufwärts oder gar die Anschaffung einer Eigentumswohnung für mehr als einer halben Millionen Euro denn leisten? Die aktuelle Wohnbevölkerung, deren durchschnittliches Nettoeinkommen  2017 1300 Euro (persönlich) bzw. 1700 Euro (Haushalt) betrug, wohl kaum.

Zirka 10.700 Wohnungen gab es in Connewitz 2017. Das Mietnivau im Bestand lag im selben Jahr bei zirka 6 Euro kalt und 8 Euro warm und hat sich stetig nach oben entwickelt. Angebotsmieten im Neubau starten ab 10 Euro. Die Neubauten werden Auswirkungen auf den Mietspiegel haben, denn dieser bildet nicht etwa die Bestandsmieten ab, sondern gemäß § 558 Abs. 2 BGB nur Wohnungen, bei denen die Miete in den letzten vier Jahren neu vereinbart oder geändert wurde. Ergo: Das abgebildete Mietniveau, an dem sich auch Eigentümer*innen von Bestandswohnungen bei ihren Mieterhöhungsbegehren orientieren, wird nach oben getrieben. Der Mietspiegel wird von Kritiker*innen darum auch „Mieterhöhungsspiegel“ genannt.

Die politischen und rechtlichen Spielräume gegen die teure Neubebauung vorzugehen sind begrenzt. Insbesondere für Vermietungen im Neubau fehlt es an wirksamen Regulationsmechanismen. Auch der durchaus radikale Entwurf eines Mietendeckels in Berlin klammert Neubauten ab 2014 als Ausnahme aus.
Zumindest gibt es für Mieterhöhung im Bestand infolge von Modernisierungen inzwischen eine recht wirksame Handhabe. Auf Antrag meiner Fraktion wird zudem derzeit von der Stadtverwaltung geprüft, ob Connewitz ein Milieuschutzgebiet wird. Das hätte zur Folge, dass u.a. Luxussanierungen inklusive Grundrissänderungen oder aber die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen untersagt werden können.
Nötig ist zudem, dass mehr Bewegung in die Situation der LWB-Häuser im Süden kommt. Während deren baulicher Zustand sich stetig verschlechtert, Wohnungen nicht mehr vermietet werden oder gerade aktuell versucht wird die Häuser leer zu bekommen, explodiert das Wohnungssegment, das sich Menschen nicht mehr leisten können. Absurd. Es braucht bezahlbaren Wohnraum des öffentlichen Wohnungsunternehmens oder von gemeinwohlorientierten Akteuren gerade jetzt als Gegengewicht.

Auch wenn es für die aktuelle Situation in Connewitz wenig nutzt: Fürs Wohnen helfen nur radikale Lösungen. Da wären Enteignungen und die „neue Gemeinnützigkeit“, mit der die Schaffung von leistbarem Wohnraum steuerlich belohnt wird, mit dem Ziel einen stabilen gemeinwohlorientierten Wohnungssektor zu schaffen, zu nennen. Um kurzfristig auf Problemlagen hinzuweisen, sind auch aktionistische Formen, wie Besetzungen oder gezielter Druck auf Wohnungsunternehmen geeignete Instrumente. Der Markt wird es nicht richten. Wohnen bleibt ein Menschenrecht, keine Ware.

Bild: Graffiti am Wohnhaus Biedermannstraße/ Leopoldstraße

5 Gedanken zu „Unsozialer Neubauoverkill in Leipzig-Connewitz“

  1. „Über Preise schweigt sich der Projektentwickler „Wassermühle Immobilien“ aus“… die Buden im Südcarré werden inzwischen auf einschlägigen Immoseiten zum Kauf angeboten. Kosten so 5000 Eur/m2

  2. Ich bin ja leider nicht aus Connewitz, aber oft dort zu Besuch und sehe, was da läuft. Ich freue mich über jeden Wohnungsbau. Leipzig wächst jedes Jahr um 15000 Menschen, heißt es. ich finde das einfach wunderbar, in 10 Jahren 150000 dazu, das wird super.

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