Zur Debatte um neue Unterkünfte für Asylsuchende in Leipzig

Intensive Diskussionen um Ängste und Unsicherheiten sind notwendig, die Grenzen sind jedoch dort erreicht, wo die Würde von Menschen verletzt wird

Das von der Stadt Leipzig vorgelegte Unterbringungs- und Betreuungskonzept für Flüchtlinge, mit dem die Sammelunterkunft in der Torgauer Str. 290 zugunsten von kleinteiligen Wohnhäusern bis zum Herbst 2013 geschlossen werden soll, hat das Potential die Lebensbedingungen der betroffenen Menschen entscheidend handfest zu verbessern. Doch es bleiben vor allem bundes- und landespolitische Gesetzlichkeiten, die aus den Asylsuchenden Menschen zweiter Klasse machen. Hinzu kommen – wie verschiedene renommierte sozialwissenschaftliche Studien belegen – diskriminierende Einstellungen der deutschen Mehrheitsgesellschaft gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund.

Derzeit melden sich Gruppen von BürgerInnen aus Wahren und Portitz, wo nach dem städtischen Konzept einige Asylsuchende in Wohnhäusern untergebracht werden sollen, zu Wort. Die Zusammenschlüsse dieser BürgerInnen sowohl in Wahren als auch in Portitz fordern, dass die Stadt von den Standorten in ihren Vierteln Abstand nimmt.

So verständlich Unsicherheit und auch Kritik an der mangelnden frühzeitigen Kommunikation des Vorhabens durch die Stadt sind, so ernüchternd und erschreckend sind die Vorbehalte, die in einigen der Wortmeldungen gegen Flüchtlinge vorgebracht werden. In entsprechenden Schreiben und Meinungsäußerungen aus den benannten Stadtteilen werden Asylsuchende systematisch mit Kriminalität, Vermüllung, Drogen in Verbindung gebracht und als Unsicherheitsfaktor für Kinder dargestellt. Gleichzeitig wird keine Bereitschaft gezeigt, diese Vorurteile, die einer rationalen Grundlage entbehren (1), kritisch zu prüfen.
Hier zeigen sich grundlegende Vorstellungen der Ungleichwertigkeit von Menschen, denen es entgegenzutreten gilt.

Die verbleibenden Wochen bis zur Beschlussfassung des Konzeptes sollten zur intensiven Debatte genutzt werden: um mit den AnwohnerInnen der neuen Unterkünfte offene Fragen zu klären und Ängste zu beseitigen. Die Grenze der Debatte ist allerdings dort gezogen, wo Menschen stigmatisiert und diskriminiert werden.

Nicht zuletzt ist es an der Zeit die Menschen, über die so viel geredet wird, in die Debatte über die Zukunft der Wohnverhältnisse einzubeziehen. Denn die aktuelle Diskussion hat eine große Leerstelle: die Sicht der Flüchtlinge fehlt bisher fast gänzlich.

Anmerkung:

(1) Bei MigrantInnen ist weder eine erhöhte Kriminalitätsneigung zu verzeichnen (bereinigt man die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik um ausländerspezifische Delikte wie z.B. die Verletzung der Residenzpflicht oder illegale Einreise) noch haben sie eine größere „Neigung“ zu Drogenkonsum oder -handel als Menschen, die in Deutschland geboren wurden. Es gibt weder Belege für Bedrohung oder Gewalt gegen Kinder, die von Asylsuchenden ausgeht noch sind diese Menschen „dreckig“ und Müll verursachend.

4 Gedanken zu „Zur Debatte um neue Unterkünfte für Asylsuchende in Leipzig“

  1. Guten Tag Frau Nagel,

    auch wenn ich mich wiederhole.

    Das Resumee der Studie „Ausländerkriminalität“ – Vorurteile, Missverständnisse, Fakten der Uni Siegen lautet:

    Die kleine Minderheit der Asylbewerber stellt situationsbedingt durch ihre soziopsychische Notlage eine kriminalistische Problemgruppe dar. Es ist jedoch völlig unzulässig aus ihrem Verhalten allgemeine Rückschlüsse auf die Kriminalität von Migranten zu ziehen, denn es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass anerkannte Asylberechtigte, die aus der vorübergehenden Notsituation befreit wurden, kriminell stärker belastet sind als Arbeitsmigranten oder Deutsche.

    Sie werfen in Ihrer Argumentation verschiedene Gruppen bewusst in einen Topf. Warum können wir nicht mit offenen Karten spielen? Ich behaupte nicht, dass Ausländer kriminell und gefährlich sind. Diese Aussage ist schlicht falsch. Die Realität für Wahren in 2013 heisst: 70 junge Männer mit sehr niedrigen sozialökonimischen Status ohne Arbeit werden in einem Heim untergebracht sein. Dieser Zustand hat mit Dezentralem selbstbestimmten Wohnen nichts zu tun.
    Dies ist allerdings ihre Forderung aus Okt. 2010.
    Warum kämpfen Sie nicht für ihre Forderungen?

    Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.

  2. Sehr geehrte Frau Nagel,
    zuallererst:
    gut, dass Sie Ihre hanebüchenen Äußerungen
    ( ” rassistische Mobilisierung ” ) aus dem Text genommen haben; das macht es mir etwas leichter, den Versuch zu unternehmen, mich mit Ihren Ansichten auseinanderzusetzen.
    Also, erstes Problem: eventueller Wertverlust von Grundstücken bzw Immobilien.
    Frage :
    Stellen wir uns einmal vor, zwei völlig identische Häuser mit schönem Grundstück und absolut gleichem Preis stehen zum Verkauf.
    Eines davon liegt, sagen wir, 2 Kilometer von den vier Gebäuden mit 70 männlichen Asylbewerbern entfernt; das andere direkt daneben. Die Infrastruktur sonst ist gleich.
    Für welches Haus, glauben Sie, würden sich etwa
    99 % der Kaufinteressenten entscheiden ?
    Ich will damit sagen : auch wenn Ihnen zehnmal ” richtig schlecht bei der Vorstellung wird “und Sie hier schon wieder einigen Teilnehmern dieses Forums unterstellen, dass ihnen “scheinbar solche humanen Regungen fremd sind” :
    nehmen Sie als Stadträtin gefälligst mal die Realitäten wahr, ob Sie Ihnen nun schmecken oder nicht. Wir sind nicht bei Pippi Langstrumpf.
    Zweites Problem : Sicherheit sowohl der Asylbewerber wie der Anwohner.
    Frage:
    Wenn es in der Torgauer Strasse ganz offenbar nötig ist, Wachpersonal zu beschäftigen und einen Zaun um das Heim zu ziehen : wieso wäre es das in der Pittlerstrasse plötzlich nicht mehr ?
    Sind die Asylbewerber jetzt anders drauf ? Oder die
    Nachbarn ?
    Mit Grüßen
    Till

  3. Die aktuellen Zahlen, die den StadträtInnen dieser Tage zugereicht worden besagen dies:
    2011 sind 15 von 600 nicht dezentral lebenden Asylsuchenden straffällig geworden. Genauere Angaben zu den Tatvorwürfen und Ermittlungen kann ich noch nicht geben.
    Da haben sie ihre differenzierte Zah.l.

  4. Das ist doch ein guter Wert. Gibt es diesen auch für die dezentral Untergebrachten? Immerhin ist das ja das Ziel welches das Konzept verfolgt.

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