Wohnen ist ein soziales Menschenrecht.

Wohnungslosigkeit vorbeugen und Obdachlosigkeit bekämpfen! Der Leipziger Stadtrat diskutierte am 12. Dezember 2018 den neuen Fachplan Wohnungsnotfallhilfe. Verschiedene Vorschläge der Linksfraktion wurden aufgenommen. Hier dokumentiere ich meine Rede:

Jährlich legt die BAG Wohnungslosenhilfe ihre Statistik wohnungsloser Menschen vor. Und es ist keine Neuigkeit und überrascht niemanden im Saal, dass die Zahlen steigen.
420.000 Menschen lebten im Jahr 2016 ohne Wohnung, hinzu kommt in etwa dieselbe Zahl anerkannter Geflüchteter ohne eigene Wohnung. Für die Zukunft prognostizierte die BAGW einen Anstieg der Zahlen – auf zusammen 1,2 Millionen.
Auch in Leipzig erleben wir einen Anstieg. Laut Antwort der Verwaltung auf eine Anfrage meiner Fraktion wurden 720 Personen im Jahr 2015 und 818 Personen im Jahr 2016 in Notunterkünften bzw. Gewährleistungswohnungen untergebracht. Eine realitätsnahe Statistik von auf der Straßen lebenden Menschen gibt es in Leipzig nicht. Vor allem aber bleibt das Land Sachsen eine fundierte Berichterstattung über Wohnungslosigkeit schuldig.
Wohnungs- und Obdachlosigkeit ist auch in Leipzig sichtbar. Wer morgens zum Hauptbahnhof geht, sieht dort regelmäßig Menschen in Schlafsäcken schlafen. Auf dem Weg über den Lindenauer Markt oder in Sparkassen man Menschen, die dort Unterschlupf suchen. 
Die Bekämpfung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit und die Unterstützung an den Rand gedrängter Menschen ist keine Frage der Jahreszeit, auch wenn die Frage eines Dach über dem Kopfes im Winter existentiell, ja überlebensnotwendig ist. Wohnen ist ein soziales Menschenrecht. Und es ist an uns, dieses Recht auch in Leipzig zu realisieren. Das ist eine zutiefst sozial und auch wohnungspolitische Aufgabe, nicht etwa eine ordnungspolitische.

Der hier nun vorliegende Fachplan Wohnungsnotfallhilfe entwickelt das entsprechende Konzept von 2014 weiter. Das ist auch nötig weil sich Problemlagen verändert und verschärft haben und Hilfeangebote neu ausgerichtet werden müssen.
Im Fachplan sind einige Anregungen aufgenommen, die unter anderem bei der Strategiekonferenz im Mai von Trägern und Betroffenen artikuliert wurden. Es sollen vor allem im Bereich Notversorgung und Krisenintervention Stellschrauben gedreht werden. Angefangen bei der Verstetigung der wichtigen Arbeit der Erwachsenenstreetwork auch ohne EU-Mittel, der Schaffung von Notunterbringungen für Paare und Menschen mit Hunden, die Etablierung von Schließfächern und ganz besonders freue ich mich darüber, dass der von meiner Fraktion geforderte Kälte- bzw nun Hilfebus nun realisiert wird. Wir hoffen noch diesen Winter!

Der Kern des Konzeptes bzw. der Lösung liegt allerdings in der Wohnungsfrage. Wir brauchen mehr bezahlbaren Wohnraum bzw. solchen, den sich arme Menschen wirklich leisten können. Unser Hauptaugenmerk muss darauf den Wohnungsverlust zu vermeiden, frühzeitig ein Netz aufzuspannen.
Wir begrüßen, dass die LWB dem Sozialamt dafür ein festes Kontingent an Wohnungen zur Verfügung stellen soll. Die Zahl wollen wir erhöhen.

Ein Hauptaugenmerk muss darauf liegen, Notunterkunft“karrieren“ zu vermeiden und Menschen möglichst schnell wieder in eigenen Wohnraum zu bekommen und passgenaue Hilfen zur Seite zu stellen.
Und genau in diesem Bereich fehlt im Konzept der notwendige Paradigmenwechsel. Darum dreht sich einer unserer Änderungsanträge um die Etablierung eines „housing first“-Modellprojekts in Leipzig. Dass was die Stadtverwaltung in der Vorlage „housing first“ nennt, die Unterbringung von zwangsgeräumten Familien in Gewährleistungswohnungen oder generell ambulant betreutes Wohnen, hat mit dem aus den USA kommenden sozialpolitischen Ansatz wenig tun. Am ehsten hat das Modellprojekt der Boot gGmbH in der Dieskaustraße diese Bezeichnung verdient. Und um im Vorgriff bereits auf die Kritik des ehemaligen Geschäftsführers der BAGW Thomas Specht zu reagieren, dass „housing first“ nichts anderes wäre als die ambulanten Hilfen: Vieles ist richtig an diesem Befund, vor allem die Frage der fehlenden sozialpolitischen Begleitstrategie, wie sie in den USA nicht, hierzulande schon vorhanden ist. Ich frage aber: Wo werden denn in Leipzig bereits auf der Straße lebende bedingungslos in Wohnungen vermittelt? Wo können Menschen in prekären Lebensverhältnissen einen Schutzraum Wohnungen beziehen ohne dass diese verpflichtend an Hilfen gekoppelt sind? Wir wollen dass die Stadt Leipzig hier einen mutigen, innovativen Schritt tut. Wir wollen mit unserem Änderungsanträge einen ähnlichen Weg beschreiten, dafür zunächst dezentrale 10 Wohnungen zur Verfügung stellen und Konzeption und Umsetzung an einen Freien Träger übergeben. Im Zentrum des Ansatzes muss die eigene Wohnung stehen.

Ein zweiter unserer Schwerpunkte ist das Thema Hauptbahnhof. Wir sehen hier das Sozialdezernat in der Pflicht etwas gegen die dort so sichtbare Not, Armut und Wohnungslosigkeit zu unternehmen. Das darf keine ordnungspolitische Aufgabe sein, die vor allem auf Verdrängung und Kontrollen setzt. Wir schlagen vor bereits im vorliegenden Fachplan die Aufgabe zu verankern am Hauptbahnhof ein Angebot für wohnungslose Menschen zu schaffen. Ein Rückzugsort, wo Betroffene sich aufwärmen können, essen und trinken können, soziale Beratung erhalten und auch ein Kontingent an Notschlafplätzen existiert. Es reicht aus unserer Sicht auch perspektivisch nicht aus Menschen in die vorhandenen drei Übernachtungshäuser zu verweisen, wenn sie diese doch offenkundig nicht annehmen. Selbstorganisierte Projekte wie das der Punkwerkskammer, einem Verein wohnungsloser Menschen, die ein leer stehendes Haus an der Westseite des Hauptbahnhofs nutzten und kürzlich ein neues Domizil beziehen konnten, sollten zudem aus unserer Sicht durch die Stadt tatkräftig unterstützt werden. Es kann nichts wirksameres geben als dass sich Betroffene selbst ermächtigen und Wege aus ihrer prekären Situation suchen.

Die weiteren Vorschläge die wir machen, sind Anregungen von Akteuren der AG Recht auf Wohnen. Herausheben will ich hier insbesondere die Frage der weiteren Einbeziehung von in dem Bereich tätigen Akteuren, von Betroffenen und Politik. Wir wünschen uns dass die in diesem Jahr stattgefundene Strategiekonferenz von nun an jährlich stattfindet und die Umsetzung und Weiterentwicklung des Fachplans begleitet werden kann. Dies ist auch insofern wichtig, als dass zahlreiche Punkte in der Vorlage Prüfaufträge sind und die Ergebnisse dessen auch transparent zur Diskussion gestellt werden sollten.
Wir werden der Vorlage zustimmen und wünschen uns, dass wir vereint und mit aller Kraft daran arbeiten Wohnungslosigkeit in dieser Stadt vorzubeugen und zu bekämpfen.

Rede zum Fachplan Wohnungsnotfallhilfein Leipzig 2018 bis 2022

Insgesamt 5 Vorschläge der Linksfraktion (siehe hier und Punkt 2 hier) zum Fachplan wurden angenommen. Die Anträge zur Schaffung eines Angebots am Hauptbahnhof und zur Erhöhung der Zahl der Wohnungen für Menschen mit„Marktzugangsschwierigkeiten“ von der LWB wurden abgelehnt.

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