Weltnest hat nachgefragt: Im Internet wird via einer linken Plattform dazu aufgerufen, Anschläge auf mehrere Dutzend Ziele in Leipzig zu verüben. Die linke Landtagsabgeordnete und Stadträtin Juliane Nagel ist gut vernetzt. Wie schätzt sie die Gefahr ein, dass die Gewalt in Leipzig eskaliert?
Am 16. Dezember erscheint auf dem Internetportal Indymedia Linksunten ein Aufruf, 50 konkrete Ziele in Leipzig zum Jahreswechsel zu beschädigen. Die Liste mit den Adressen beinhaltet Burschenschaften, Staatsorgane, Immobilienfirmen, Parteizentralen sowie Privatadressen von NPD Kadern. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Anschlägen kommt?
Zunächst: Eine Prognose abzugeben, wäre verrückt. Ich kenne die Verfasser*innen des Aufrufs nicht und werde mich nicht in die Rolle eines „alternativen Verfassungsschutzes“ begeben.
Aber vielleicht eines nach dem anderen:
Der Aufruf, der auf linksuntenindymedia veröffentlicht ist, ist ja durchaus interessant. Der Kritik an gesellschaftlichen Zuständen kann ich folgen, nur ist die Konsequenz – der Aufruf zu Gewalt in Form von Sachbeschädigungen – aus meiner Sicht falsch.
Inhaltlich geht es um eine Kritik der kapitalistischen Wirtschaftsweise, die zu Lasten der Menschen vor allem des globalen Nordens geht, die zu Not und Zerstörung von Lebensgrundlagen führt, zu politischer Instabilität und in diesem Schlepptau Verfolgung und Vertreibung von Menschen. Es geht darum, dass die Krisen-Bewältigungs-Politik auch hier im reichen Westen zunehmend zu Lasten von Menschen geht. Darum, dass sich dieser reiche Westen vor Menschen auf der Flucht abschirmt, deren Fluchtursachen er mitverursacht hat.
In Reaktion auf diese Entwicklungen werden europaweit chauvinistische Akteure gestärkt, die Hass und Angst schüren und Ausgrenzung forcieren.
Diese Entwicklungen sind zum Schreien. Genau dieses Schreien und die Umwandlung der Wut in politisches Handeln ziehe ich der Gewalt klar vor.
Und hier formuliere ich einen klaren Dissenz zu dem Aufruf.
Gewaltförmiges Handeln, wie es die Verfasser*innen herausfordern, führt in die Sackgasse und in die Isolation.
Mein Ansatz ist es dagegen, Menschen von den Missständen zu überzeugen. Subversive Aktionen und auch kollektiver Ungehorsam gegen fiese Vermieter*innen – zum Beispiel durch die Verhinderung von Zwangsräumungen – oder kalte Behörden – zum Beispiel Protest gegen Abschiebungen – klar! Damit öffnet sich auch ein Fenster für die Diskussion über die Ursachen von gesellschaftlichen Missverhältnissen.
Klar sind Abschiebungen von Menschen, Entmietungen, Kündigungen, Sanktionen gegen Sozialleistungsbezieher*innen, rassistische Polizeikontrollen faktisch gewaltsame Handlungen, mindestens auf der psychischen Ebene. Dagegen muss aber Solidarität gesetzt werden. Kollektiver Protest und Meinungsbildung.
Insofern: Der Aufruf will Aufmerksamkeit erzeugen. Hat er offensichtlich auch, aber eben wegen des Gewaltaufrufs und nicht wegen der inhaltlichen Kritik. Die Konsequenz wird sein, dass die 50 Objekte geschützt und bewacht werden. Dessen sollten sich die, die sich vom Aufruf angesprochen fühlen, bewusst sein und ihre Energie lieber in politische Arbeit in legalen Formen stecken.
Die einzige große Partei deren Parteizentrale nicht angegriffen werden soll, ist die Linkspartei. Befürchten Sie einen Imageschaden für Ihre Partei?
Interessant, dass DIE LINKE nicht Angriffsziel ist. Soweit ist es dann mit der grundsätzlichen Kritik am Staat und Parlament nicht. Aber das kann der LINKEN kaum zum Vorwurf gemacht werden. Ein bisschen skurril und einfach scheint es schon CDU, AfD, SPD und die Grünen in eine Reihe zu stellen.
Inwieweit beeinflussen solche Aufrufe linkes Engagement?
Ich denke, dass solche Aufrufe schon einen Einfluss haben, möglicherweise aber weniger, als gedacht wird. Die Leute, mit denen ich politisch zusammenarbeite, haben zumeist eine Meinung zur Frage der Gewalt als politisches Mittel. Die sind da durchaus souverän sich eine eigene Meinung zu bilden. Wichtig ist es meines Erachtens – jenseits der Kriminalisierung – eine Plattform für eine Auseinandersetzung über Formen der Politik zu schaffen.
Trotzdem bleibt ein fader Beigeschmack: solche Aufrufe bestärken Ressentiments und Kriminalisierung linken Engagements, was in Sachsen ja sowieso ausgeprägt ist.
Vielen Dank für das Gespräch.
Hat sich mal jemand gefragt ob das nicht eine Flinte ist um einfach dann die Aktionen dem linken Flügel in die Schuhe zu schieben …es gibt viele Bsp.aus der Geschichte wo darauf hin die Linke und ihre Struktur fälschlich dafür verantwortlich gemacht wurde um sie in den Verfassungschutz noch tiefer zu integrieren.
Die Polizeikontrolle und Maßnahmen vor aller Volkshysterie zu rechtfertigen kommt ja der Legida ganz recht …