Umstrittener Innenminister Wöller bei polizeilichem Racial Profiling handlungsunwillig

In Deutschland wird wieder über Racial Profiling diskutiert, ausgelöst durch die „Black Lives Matter“-Proteste und das neue Antidiskriminierungsgesetz in Berlin. Ich habe das Innenministerium gefragt, wie in Sachsen Fälle von Racial Profiling erfasst werden und ob es im Polizeiapparat Vorbeugungsmaßnahmen in Form entsprechender Dienstanweisungen gibt (Drucksache 7/2735). Mein Statement:

Die Antworten des umstrittenen Innenministers Wöller sind ernüchternd. Die wenigen Beschwerden, die Betroffene wegen des Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 3 GG – also wegen einer Diskriminierung aufgrund der vermeintlichen ethnischen Herkunft – an die Polizei richteten, wurden bis auf eine Ausnahme als ,unbegründet‘ klassifiziert. Eine einzige Klage ist noch vor dem Verwaltungsgericht Dresden anhängig. Das Desinteresse des Innenministers an der Aufklärung rassistischer Polizeikontrollen zeigt sich auch im Zusammenhang mit dem Umzug der Polizei-Beschwerdestelle vom Innenministerium zur Staatskanzlei zum 1. Juni 2019: In deren Akten waren die Beschwerden wegen Diskriminierung aufgrund der vermeintlichen ethnischen Herkunft erst gar nicht kategorisiert worden. Somit ist das Beschwerdeaufkommen nicht mehr nachvollziehbar.

Eine Dienstanweisung, mithilfe derer Racial Profiling bei anlasslosen Kontrollen an ,gefährlichen Orten‘ gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 des Polizeivollzugsdienstgesetzes vermieden werden soll, existiert ebenfalls nicht. Dabei sind diese das zentrale Einfallstor für rassistisch motivierte Kontrollen, bei denen mögliche Vorurteilsstrukturen einzelner Beamtinnen und Beamten zum Tragen kommen können. Es ist nicht hinnehmbar, dass sich der Innenminister handlungsunwillig zeigt, während selbst Landespolizeipräsident Horst Kretzschmar für eine unabhängige Studie zu Racial Profiling in der sächsischen Polizei eintritt!

Gesetzliche Grundlagen polizeilicher Maßnahmen, die nicht wegen konkreter Verdachtsmomente oder Gefahren erfolgen, müssen abgeschafft oder durch klare Dienstanweisungen vor Missbrauch geschützt werden. Außerdem muss Sachsen endlich eine von Polizei und Staatsanwaltschaft unabhängige Beschwerdestelle für Betroffene diskriminierender Polizeipraxis schaffen, wie es die ,Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz‘ bereits 2007 forderte. Eine solche gehört zum Landtag und nicht in die Staatskanzlei.

PM 22. Juli 2020

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