Öffentlichkeit und Protest bringen Ergebnisse: Das bewohnte Haus in der Bernhard-Göring-Straße 110 in der Leipziger Südvorstadt war seit Juli 2014 mit einer blickdichten Baufolie komplett eingehüllt.
Sanierungsmaßnahmen wurden zwar angekündigt, nichts wies allerdings darauf hin, dass es losgeht. Um die Ecke in der Scharnhorststraße 22 – wie die BGS 110 im Eigentum der GGH GmbH & Co.City Zweite KG – hat diese fragwürdige Methode den Auszug aller Mieter*innen beschleunigt.
Parallel dazu flattern in den letzten Wochen Kaufverträge mit veränderten Grundrißen ins Haus. Die MieterInnen können faktisch ihr Vorkaufsrecht ausüben. Leisten kann sich den Kauf für 3350 Euro/ Quadratmeter im Haus jedoch niemand.
Durch Öffenlichkeitsarbeit haben die Bewohner*innen nun einen Teilerfolg erzielt: die Plane wurde am 29.10.2014 zurückgebaut. Damit ist der Eigentümer einem Rechtsstreit aus dem Weg gegangen. In Berlin wehren sich Mieter*innen vor Gericht gegen die Einhüllung ihres Hauses, da dies psychische und physische Schäden auslöse. Die neuerlich eingereichte einstweilige Verfügung gegen die Einhausung wurde vom Amtsgericht Berlin Mitte Oktober zwar aus formalen Gründen abgewiesen. In der Sache ist jedoch nicht entschieden.
Besonders brisant: bei dem Objekt in der Bernhard-Göring-Straße 110 handelt es sich wie bei der Scharnhorststraße 22 um ein ehemaliges Objekt der LWB. (siehe: Späte, aber heftige Nachwehen von LWB-Verkäufen)
Die Bewohner*innen der Bernhard-Göring-Straße 110 laden nichts desto trotz für Sonntag, 2. November 2014, ab 16 Uhr zu einer Protestaktion gegen Gentrifizierung und Entmietung ein. Denn der Kampf ist längst nicht ausgestanden.
Reise ins Licht! am Sonntag, 2.11.2014 16:00 in der Bernhard-Göring-Straße 110
Liebe Freund*innen, Nachbar*innen und hochgeschätze Genoss*innen,
Am Sonntag den 2. November möchten wir euch einladen, an einer gemeinsamen Protestaktion gegen Verdrängungs-und Gentrifizierungsprozesse in Leipzig und überall teilzunehmen. Auf unsere prekäre Situation und die vieler anderer Häuser in akuten Bedrohungslagen möchten wir mit einem künstlerischen Programm, einem Chor, einem Häuserbau- und verpack Workshop für Kinder und einem Soli-Kuchenbasar und Tresen aufmerksam machen.
Das Spektakel soll ab 16 Uhr im Haus und Garten der Bernhard-Göring Str. 110 stattfinden.
*Offener Brief der Bewohnerinnen und Bewohner der Bernhard-Göring-Straße 110*
Uns, den Bewohner*innen der Bernhard-Göring-Straße 110, wurde das Licht ausgemacht. Was seit jeher eine beliebte Foltermethode in Gefängnissen und Anstalten gewesen ist, um Menschen mürbe zu machen, scheint nun auch ein probates Mittel zu sein, unliebsame Altlasten hochwertiger Immobilien zu entsorgen. Seit nunmehr drei Monaten ist unser Haus komplett eingerüstet und in blickdichte weiße Bauplane verpackt, die uns den Blick durch das Fenster, Tageslicht und ausreichend frische Luft verwehrt.
Hintergrund ist der Verkauf des ehemaligen LWB Hauses an einen privaten Eigentümer, der die von 20 Erwachsenen, 7 Kindern, 2 Wellensittichen und einem Hund bewohnten Wohnungen luxussanieren und als Eigentumswohnungen lukrativ weiterverkaufen möchte – ganz im Einklang mit dem schleichenden Gentrifizierungs- und Verwertungswahn, der die Räume für gemeinsames und preiswertes Wohnen und Arbeiten immer mehr schrumpfen lässt.
Wir Bewohner*innen möchten auf diese unmenschliche Form der Entmietung aufmerksam machen. Zu diesem Anlass planen wir am 02.11. ab 16 Uhr eine kulturelle Veranstaltung um die Christo-Adaption, die die Fassade der Bernhard-Göring-Straße 110 umhüllt.
Verschiedene Künstler*innen werden Räume im und am Haus bespielen, Lichter auf die Schattenseiten des Phänomens Hypezigs werfen und die durch das Gerüst und die Plane neugeschaffenen Blick- und Raumordnungen durchkreuzen, um damit unserer Minimalforderung nach Gesprächen mit dem Investor auf Augenhöhe Ausdruck zu verleihen und durchzusetzen, dass die Plane sofort abgehängt wird.