Mein Redebeitrag auf der linken Anti-Kriegsdemo in Leipzig am 26. Februar 2022.
Es ist wieder Krieg in Europa. Zumindest ich habe das noch vor einer Woche nicht für möglich gehalten. So wie viele andere. Viele dachten Putins Säbelrasseln sei rein rhetorischer Natur und würde sich auf die ostukrainischen Gebiete im Donbass beschränken. Der Angriff Putins in der Nacht zum Donnerstag hat uns wachgerüttelt. Der nationalistische Autokrat ist scheinbar zu allem bereit um seine Allmachtsphantasien umzusetzen.
In der gesamten Ukraine sind russische Truppen am Einmarsch, im ganzen Land sind Beschüsse zu verzeichnen, es wurden bereits Zivilist*innen getötet.
Krieg geht immer auf die Kosten von Menschen. Und so stehe ich hier und will Solidarität mit den betroffenen Menschen zeigen. Nicht mit Staaten, Staatenverbünden oder Bündnissen. Unsere Solidarität gilt den Menschen in der Ukraine, die zu hunderttausenden auf der Flucht sind, aber auch den Menschen in Russland, die sich gegen Putins Krieg erheben, trotzdem sie Repressionen zu fürchten haben. Lassen wir uns nicht an nationalen Aufladungen und Nationalitäten spalten, weder hier vor Ort, noch irgendwo auf der Welt.
Ich will den Blick auf die Situation der aus der Ukraine Flüchtenden richten: Hunderttausende haben das Land in Richtung Westen bereits verlassen, auf der Flucht vor Putins Bomben. Viele sind in Rumänien, in der Slowakei und Polen angekommen und werden dort mit offenen Armen aufgenommen. Auch wir müssen uns vorbereiten. Wir haben Platz in Deutschland, Sachsen und Leipzig. Für die aus der Ukraine Flüchtenden, aber auch für die Menschen, die immer noch im Transit zum Beispiel an der Grenze zwischen Polen und Belarus festsitzen. Lasst uns die Doppelmoral der europäischen Staaten – allen voran Polens – nicht mittragen, Flüchtende Menschen in gut und böse zu differenzieren. Grenzen öffnen und unkomplizierte Aufnahme für alle, die in Bedrängnis sind jetzt!
Viele hier lebende Menschen sind derzeit in großer Sorge um ihre Liebsten in der Ukraine. Schon jetzt ist es für jene vergleichsweise leicht, in die EU zu gelangen – nicht nur wegen der geografischen Nähe, denn ukrainische Staatsangehörige können visafrei und für 90 Tage in die EU einreisen. Voraussetzung für die visafreie Einreise ist jedoch, dass ukrainische Staatsangehörige einen biometrischen Reisepass vorweisen. Den haben nur die wenigsten, nicht mal die Hälfte der etwa 44 Millionen ukrainischen Staatsangehörigen verfügen darüber. Die Passpflicht-Hürde muss fallen, das formale Hindernis darf aktuell Flucht nicht verhindern! Diejenigen, die ins Asylrecht rutschen, sollten schnell ihren Anspruch auf Schutz erfüllt bekommen und die, die mit einer Duldung bereits hier leben vor Abschiebungen geschützt werden. Es wäre ratsam, dass auf EU Ebene Gebrauch von den Regelungen des so genannten vorübergehenden Schutzes macht. Damit hätten die Betroffenen ohne Asylverfahren einen temporären Schutzstatus und soziale Teilhabe. Allerdings wurde von der betreffenden EU-RL seit Inkrafttreten vor 20 Jahren noch niemals Gebrauch gemacht.
Fakt ist: Wenn der politische Wille da ist, lassen sich juristisch Berge versetzen! Die betroffenen Menschen müssen ohne große Hürden und Wohnsitzauflagen zu Verwandten und Bekannten in anderen EU-Staaten Unterschlupf finden können. Die Bundesländer und Städten müssen zusätzlich menschenwürdige Aufnahmekapazitäten sowie Zugang zu medizinischer und Alltagsversorgung für alle ankommenden Schutzsuchenden vorhalten. Dabei können sie auf die tatkräftige Unterstützung der Zivilgesellschaft zurückgreifen. Lasst uns dafür auch praktisch aktiv werden!
Die Antwort auf Putins Angriffskrieg darf nicht die militärische Intervention sein. Denn damit würden Leid und Vertreibung vergrößert. Solidarität mit der internationalen Antikriegsbewegung, gerade in Russland! Offene Grenzen für alle Schutzsuchenden jetzt! Stop Putins War! Für das Leben!