Inmitten des Stadtbezirks Altwest soll bis Mitte des Jahres 2011 ein so genanntes Stadtteilzentrum entstehen. „Stadtteilzentrum“ meint dabei offensichtlich nicht, dass es um einen sozialen Anlaufpunkt geht. Die Planungen sehen die Errichtung eines Einkaufszentrums mit 3.800 Quadratmetern Verkaufsfläche vor.
Im Leipziger Süden waren im Jahr 2007 ähnliche Pläne öffentlich geworden. Die TLG wollte am Connewitzer Kreuz ein Einkaufszentrum mit rund 4.000 Quadratmetern Verkaufsfläche errichten. Daraufhin formierte sich breiter Widerstand, der das Projekt erst einmal zum Ruhen gebracht hat.
In Lindenau werden derzeit ähnliche Fragen aufgeworfen wie in der Debatte um das „Stadtteilzentrum“ am Connewitzer Kreuz: Gibt es überhaupt Bedarf für ein neues Einkaufszentrum, vor allem in dieser Größenordnung? Wie soll die damit verbundene erhebliche Verkehrsbelastung gemanagt werden? Passt sich das bis dato geplante „SB-Warenhaus“ überhaupt in die städtebauliche Gestaltung der Umgebung ein?
Im Umfeld des Lindenauer Marktes existieren eine Reihe von Lebensmittelmärkten, die auch der sozial prekären Situation von immerhin 30 % der BewohnerInnen des Stadtteils entsprechen. Es existiert eine Einzelhandels-Struktur, zweimal pro Woche wird der Lindenauer Markt durch einen Wochenmarkt belebt. Die Stadtverwaltung gesteht in der dem Stadtrat am 24.3.2010 zur Beschlussfassung vorliegenden Vorlage „Bebauungsplan Nr. 286 „Stadtteilzentrum Lindenauer Markt“ selbst ein, dass die Ansiedlung von Kaufland am Lindenauer Markt negative Auswirkungen auf das nahe liegende C-Zentrum Plagwitz (Elsterpassagen) haben wird. Nicht zuletzt muss bei Gewerbeneuansiedlungen auch auf Qualität für die Beschäftigten gesetzt werden. Diesem Anspruch wird Kaufland in keiner Weise gerecht: Kaufland hat in dieser Hinsicht in letzter Zeit negativ von sich hören lassen – so wurden in Filialen in Sachsen-Anhalt Spätzuschläge gestrichen und Nachtzuschläge reduziert. In zahlreichen Städten ist Kaufland auf 24-Stunden-Öffnungszeiten umgestiegen. Kaufland gehört neben Lidl zum Einzelhandels-Konzern „Schwarz-Gruppe“, der in der Vergangenheit schon mehrfach wegen der schlechten Behandlung seiner MitarbeiterInnenschaft gemahnt wurde. Die Stadt muss sich fragen lassen, ob sie mit dem Vorhaben Stadtteilzentrum Lindenau prekäre Beschäftigung und schlechte Arbeitsbedingungen subventionieren will.
Das Stadtteilzentrum würde eine erhebliche Verkehrs-Mehrbelastung für den Stadtteil nach sich ziehen. Die avisierte Lenkung des Verkehrs über die Hauptverkehrsstraßen Zschochersche Straße/ Lützner Straße erscheint angesichts bereits der bereits praktizierten Missachtung des Einfahrtverbotes ab Kuhturmstraße auf den Lindenauer Markt illusorisch. Das Tempo 30-Gebot in der Kuhturmstraße ist mit dem Stadtteilzentrum zum Scheitern verurteilt. Wir befürchten eine Erhöhung des Verkehrsaufkommens im Wohngebiet um das geplante Stadtteilzentrum zu Lasten der AnwohnerInnen.
Anstatt existente Bausubstanz zu nutzen, die in Lindenau mehr als ausreichen zur Verfügung stände, setzt die Stadt Leipzig im wahrsten Sinne des Wortes die Abrissbirne. Bereits jetzt wurden Häuser leer gezogen (Lindenauer Markt 2 und 4, Kuhturmstraße 1) bzw. abgerissen (Henricistraße 12).
Das überdimensionierte Kaufland-Mega-Projekte muss ad acta gelegt werden. Stattdessen gilt es Lindenau in seiner liebenswerten Kleinteiligkeit behutsam zu entwickeln. Vorstellbar wäre die gezielte Stimulierung von Einzelhandel am Lindenauer Markt, etwa an dieser Stelle oder auf der Brache Lindenauer Markt 15/17, oder die Errichtung eines Einkaufszentrums in den derzeit leerstehenden Kaufhaus-Bauten an der Merseburger Straße, wie es das Stadtforum Leipzig vorschlägt.
Der im Jahr 1999 beschlossene und 2009 fortgeschriebene Stadtentwicklungsplan (STEP) Zentren entspricht unter stadtentwicklungspolitischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten weder in Connewitz noch in Lindenau der Realität.
Ich wünsche mir, dass auch in Lindenau ein „Connewitz“-Effekt zum Tragen kommt. Die Bedenken und Einwände von BürgerInnen und von Gewerbetreibenden müssen ernst genommen und das Vorhaben „Stadtteilzentrum Lindenauer Markt“ zurückgenommen werden, ganz im Sinne des „Integrierten Stadtentwicklungskonzept Leipzig 2020“ (SeKo), das die kritische Prüfung der „Dimensionierung“ der Ansiedlung empfiehlt (Anlage 3 des Seko, B 7-9).
Juliane Nage, 15.3.2010