In einem ersten Teil habe ich bereits auf meine Schwerpunkte im Stadtrat in der laufenden Wahlperiode – Kinder- und Jugendpolitik & Migration, Asyl, Rassismus – zurückgeblickt. Hier folgt ein zweiter Teil zu den Themen Freiräume, Jugend/Clubkultur und Wagenplätze.
Ich möchte an dieser Stelle die Stadtratsarbeit der letzten viereinhalb Jahre Revue passieren lassen. Dieser Überblick erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und umfasst vor allem die Dinge, die ich selbst angestoßen und bestritten habe. Die Arbeit meiner Stadtratsfraktion war in Gänze umfang- und oft erfolgreich (siehe aktuelle „Leipzig konkret“).
Ich habe ab 2014 weiter als kinder- und jugendpolitische Sprecherin fungiert und habe auch die Verantwortung für Migrationspolitik übernommen, mich für eine soziale Wohnungspolitik, alternative Freiräume, für ausgegrenzte Menschen und natürlich für Belange des Leipziger Südens eingesetzt.
Bereits in der vergangenen Wahlperiode, im März 2014, ist es uns gelungen den bis dahin einseitig repressiv ausgerichteten Kurs der Stadtverwaltung im Umgang mit Graffiti umzukehren. Seinerzeit wurde unser Antrag zur Einrichtung einer Koordinierungsstelle Graffiti beschlossen, die von einem freien Träger betrieben und mit einem akzeptierenden Ansatz arbeiten soll. Die Stelle wurde zum November 2015 durch eine Kooperation von Graffiti-Verein und urban souls e.V. besetzt. Diese formulierte in kurzer Zeit ein Konzept für ihre Arbeit. Doch es haperte an der mangelnden finanziellen Ausstattung, die die Stelle in die Lage versetzt hätte Projekte anzuschieben. Erst im Jahr 2017 und damit kurz vor Auslaufen der 2-jährigen Rahmenvereinbarung wurde dem Stadtrat Konzept und Finanzbedarf vorgelegt. Die LINKE fordert in dem Zusammenhang eine Zusage zur Verlängerung und Nachbesserung der Rahmenvereinbarung damit die Koordinierungsstelle Planungssicherheit hat sowie eine angemessene Ausfinanzierung der Projekte bzw. Sachkosten. Dieser Antrag wurde zunächst angenommen, die Rahmenvereinbarung verlängert, unser Haushaltsantrag zur langfristigen besseren Ausstattung der Koordinierungsstelle wurde allerdings von einer Stadtratsmehrheit abgelehnt. Die Koordinierungsstelle hat bis dato eine neue Wall-of-Fame an der Antonienbrücke eröffnet und betreut diese, macht Projekte, sensibilisiert für Graffiti als Form der Kunst- und Jugendkultur.
Die Linksfraktion macht sich ebenfalls schon länger für eine gute Skate-Infrastruktur stark. Auf unseren Antrag hin beschloss der Stadtrat im Juli 2014 die bestehenden Skate-Anlagen in der Stadt zu erhalten und für deren Wartung und notwendige Reparaturen zu sorgen sowie die Errichtung eines großflächigeren Skateparks.
Entgegen dieser auch vom Stadtrat bestätigen Ziele wurden in der Folgezeit vor allem in Leipzig Südwest und Altwest Anlagen deinstalliert bzw. vernachlässigt.
Bereits im April 2015 war eine Skate-Anlage im Henriettenpark in Neulindenau abgebaut und nach Grünau verlagert worden. Zwei weitere Anlagen im Südwesten sind desolat und werden aufgrund von Bebauungen verschwinden.
Nachdem im Sommer 2017 ein kleiner dyi-Skatepark am Jahrtausendfeld vom Liegenschaftsamt der Stadt Leipzig zerstört wurde – obwohl bereits Verständigungen über eine anwohner*innenfreundliche Nutzung liefen – beantragte die Linksfraktion die Errichtung einer neuen Skateanlage in den Stadtbezirken Altwest oder Südwest unter Einbeziehung der potentiellen Nutzer*innen. Der Antrag wurde Ende Januar 2018 vom Stadtrat befürwortet. Getan hat sich seitdem wenig. In der April-Stadtratssitzung habe ich dazu erneut nachgefragt. Währenddessen wurden Anfang April 2019 ein selbst errichteter Skate-Spot auf dem ungenutzten Radweg am Jahrtausendfeld erneut zerstört. Sinnlos! Wir bleiben dran!
Auch kulturelle Orte sind Freiräume: Nachdem wir 2013 den Erhalt der Distillery und 2018 des So&So sowie Schutz von Kulturorten in Bebauungsplanverfahren gefordert haben und politisch auch Stadtratsmehrheiten dafür gewinnen konnten ist die Bilanz trübe. Clubs müssen in Leipzig trotz widerstrebendem politischen Willen millionenschweren Neubauprojekten weichen. Weniger im Fokus sind soziale Träger wie der Verein zur Rehabilitation Abhängigkeitskranker, der durch die Bebauung auf dem Areal des Parkkrankenhauses in Dösen seinen Standort verliert. In diesem Fall haben wir der Stadt ins Stammbuch geschrieben, dass für den Verein, der ab Mitte 2019 in der ehemaligen Asyl-Unterkunft in der Bornaischen Straße Ecke Leinestraße ein Interimsdomizil bezieht, eine dauerhafte Lösung gefunden wird. Klar ist: Je aggressiver die Investor*innen agieren, wie insbesondere die Stadtbau AG, die die Stadt mit Ankäufen von Grundstücken, die für die Stadtentwicklung essentiell sind, in die Enge treibt, desto klarer müssen Verwaltung und Stadtrat agieren. Mit wenigen Fraktionskolleg*innen habe ich weder der Vorlage zum Städtebaulichen Vertrag für das Areal Bayerischer Bahnhof noch dem Masterplan für den Freiladebahnhof Eutritzsch zugestimmt. Das ist keine Lösung, aber eine Haltung. Die Stadtverwaltung haben wir schon lange beauftragt Grundstücke für soziale Infrastruktur (von Wohnen über Kita, Schule und Sport) zu akquirieren, Verkäufe zu stoppen und Vorkaufsrechte zu sichern. Langsam aber sicher ist diesbezüglich ein Umsteuern zu konstatieren. So machen wir als Fraktion Druck für den Ankauf von Grundstücken der Bundesanstalt für Immobilienangelegenheiten. Die SPD hat sich hier wahlkampfträchtig nur eines von 61 Grundstücken in Connewitz rausgepickt. Wir meinen: jedes Grundstück, das die Stadt – noch dazu mit Bindung für soziale Zwecke – an sich binden kann, ist gut.
Apropos Clubs: Im Jahresverlauf 2018 rief das IfZ um support. Das Ordnungsamt hatte die Aufforderung versendet, dass von nun an die Sperrstunde einzuhalten sei. Hieße in der Konsequenz zwischen 5 und 6 Uhr: Licht an, Musik aus, Gäste raus.
Hintergrund der Gängelung des IfZ waren angebliche Beschwerden von Anwohner*innen, die nach näheren Untersuchungen des Ordnungsamtes nicht qualifiziert oder annähernd sinnvoll quantifiziert werden konnten.
An den verschiedensten Stellen warb die Stadt Leipzig in den letzten Jahren damit die Sperrstunde nicht mehr anzuwenden. Zum Beispiel in der Imagebroschüre „Leipzig lohnt sich“ oder im Wirtschaftsbericht 2016, 2015 und 2014. 2002 warb Ex-OBM Tiefensee im Zuge der Olympia-Bewerbung der Stadt Leipzig, dass in Leipzig die Sperrstunde nicht gelte.
Der in zahlreichen Publikationen verwendete Satz „Und das Beste: Das junge Leipziger Nachtleben kennt keine Sperrstunde.“ fand sich bis Juni 2017 auch auf der Tourismus- und Gastgewerbe-Seite der Stadt Leipzig, wurde aber ganz offensichtlich vor dem Hintergrund der Debatte um das IfZ getilgt. Die Stadtverwaltung tilgte also wirtschaftsfreundliche Aussagen, mit denen sie sich über Jahre hinweg schmückte. Wir initiierten einen fraktionsübergreifenden Antrag zur Abschaffung der Sperrstunde und der Stadtrat stimmt mit dicker Mehrheit und unterstützt durch eine breit getragene Petition und allerlei Partymusik vor dem Rathaus für die Abschaffung der Sperrstunde. Im August 2018 legte die Stadtverwaltung sodann auch die Rechtsverordnung für diesen Beschluss vor und machte die Sache fix. Fein!
Auf Basis der jahrelangen Vorarbeit der Global Space Odyssey hatte ich übrigens bereits 2012 mit einem Antrag im Stadtrat versucht die Schaffung von Freiflächen für nicht-kommerzielle Kulturveranstaltung unter freiem Himmel zu supporten. Dies fand keine Mehrheit im Stadtrat. Erneute Versuche von SPD und Jugendparlament in der laufenden Wahlperiode haben wir als LINKE unterstützt. Erst im März 2019 beschloss der Stadtrat, dass nun nach einer geeigneten Fläche gesucht wird.
Freiräume wurden in den vergangenen Jahren immer wieder durch Inbesitznahmen geschaffen. Wie beim Black triangle im Süden, das von bis 2019 besetzt war und das ich lange unterstützt habe, zuletzt bei den gescheiterten Bemühungen um Legalisierung, oder bei diversen Wagenplätzen. Bei 4 Inbesitznahmen durch Wagenplätze war ich in den vergangenen 4,5 Jahren dabei. Drei davon existieren noch auf ihrem Platz, nämlich Anna Ecke in der Alten Salzstraße Ecke Saarländer Straße mit Vertrag und Trailermoon und Rhizomia auf dem Areal Schulze-Delitzsch-Straße mit unklaren Perspektiven. Mora Riesa in Paunsdorf wurde geräumt, obwohl das betreffende Gelände eine örtlichen Sportvereins ungenutzt war und ist.
Wagenplätze sind mir als Form des Zusammenlebens und -wirkens überaus sympathisch. Sie können kleine Keimzellen für ein solidarisches Zusammenleben sein. Ich setzte und setze mich für akzeptable Lösungen für die sehr verschiedenen Wagenplatzkollektive in dieser Stadt ein, Lösungen die nicht unbedingt immer den bürokratischen Normen entsprechen müssen.
Im Stadtrat waren Wagenplätze mehrfach Thema. Zum einen wollte die CDU das Grundstück in der Fockestrasse 80, das seit fast 20 Jahren von einem Wagenplatz genutzt wird, für eine Schulbau umnutzen. Nichts anderes als eine Provokation, denn das Gelände dort ist dafür aus verschiedenen Gründen (Schnellstraße, Überschwemmungsgebiet, verkehrliche Anbindung) ungeeignet. Ich habe in Ergänzung des Antrages eine SPD-Kollegen gefordert, dass das Grundstück nicht nur langfristig mit einem Nutzungsvertrag für das Wagenkollektiv ausgestattet wird, sondern auch dass vom Liegenschaftsamt geplante Abrissarbeiten an den Bestandbauten eingestellt werden. Dies war ein langer Streitpunkt zwischen der Parteien. Der Antrag wurde btw. angenommen.
Überraschend war der Antrag der CDU-Fraktion im Jahr 2016, der auf den Abschluss von Mietverträgen mit Wagenplätzen auf städtischen Flächen abzielte. Nachdem die Fraktion immer wieder Stimmung gegen Wagenplätze gemacht hatte, gab sie damit vor für eine rechtssichere Lösung einzustehen. Wir ergänzten den Beschlussvorschlag mit der Forderung nach Schaffung eines klaren Ansprechpartners für die Belange von Wagenplätzen. Diese Rolle fällt nun dem Ordnungsdezernenten Heiko Rosenthal zu. Der CDU-Antrag wurde angenommen. Konsequenzen hat er faktisch keine, denn außer der Fockestraße waren alle Kollektive auf städtischen Flächen bis zu diesem Zeitpunkt mit Verträgen ausgestattet.
Das Grundsatz-Problem bleibt: Wagenplätze sind qua Bundesgesetzgebung in die Grauzone verbannt. Ob eine Legalisierung durch Definition im Flächennutzungsplan oder per Bebauungsplan eine Lösung ist, ist umstritten und unklar.
Aus meiner Sicht sollte die Stadt weiterhin liberal mit dieser Wohnform umgehen und unnötige Bürokratie vermeiden. Und nicht nur das: Wagenplätze, die auf unsicheren Standorte existieren, wie Trailermoon und Rhizomia im Osten, sollten endlich eine sichere Perspektive bekommen. Genau wie neue Wagenkollektive auch die Möglichkeit bekommen sollten städtische Flächen zu nutzen.
Teil 3 wird sich um die Themen Nutzung des öffentlichen Raumes vor allem am Hauptbahnhof, um Wohnungslosigkeit und Wohnen drehen.