Silvester am Kreuz: Staatliche Machtdemonstration einfach stecken lassen

Der Jahreswechsel naht. Mit Blick auf Leipzig-Connewitz steigt die Spannung. Was lassen sich Stadt und Polizei in diesem Jahr einfallen? Werden wir wieder einen Belagerungszustand erleben, der das Gefühl vermittelt sich inmitten eines  gefährlichen Brennpunktgebietes aufzuhalten? Eine Anwohner*inneninformation der Polizei verspricht auch für Silvester 2020 den Ausnahmezustand.

Ich persönlich erlebe Silvester am Connewitzer Kreuz seit fast 20 Jahren. Und unterm Strich ist es fast jedes Jahr dasselbe: Stadtverwaltung und vor allem Polizei vermitteln schon durch zahlreiche Maßnahmen (präventive „Entglasung“ von Haltestellen-Häuschen, Ausschankverbote auf die Straße, die Ermöglichung anlassloser Polizeikontrollen auf Basis der Einrichtung eines Kontrollbereichs, massive Polizeipräsenz. Wasserwerfern..) und Ankündigungen, dass Connewitz gefährlich ist und die traditionell am Connewitzer Kreuz feiernden Menschen potentiell Kriminelle. Zu den Jahreswechseln 2015/16, 2016/17 und 2017/18 hatte die Stadtverwaltung auf Grundlage von Lageeinschätzungen der Sicherheitsbehörden sogar pauschale Spontandemonstrationsverbote erlassen. Dies waren offenkundig Reaktionen auf das sich in den Vorjahren entwickelte Ritual vom Kreuz spontane Demonstrationen zu starten. Diese Verbote, erlassen mittels so genannter Allgemeinverfügungen, wurden durch Klagen der „Initiative für Versammlungsfreiheit“ vom Verwaltungsgericht Leipzig gekippt.

Immer wieder kam es bei den Silvesterfeierlichkeiten am Connewitzer Kreuz zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Zuletzt beim Jahreswechsel 2017/18 als der Polizei nichts besseres einfiel als einen brennenden Stuhl und Container, die auf der Kreuzung standen und von denen keine Gefahr für Menschen oder Häuser ausging, mit zwei Wasserwerfern(!) zu löschen. Bei den anschließenden Scharmützeln wurden auch unbeteiligte Feierende durch die Polizei verletzt. In den Vorjahren war es im Zusammenhang mit den spontanen Demonstrationen immer wieder zu Polizeigewalt und Ingewahrsamnahmen gekommen.

So alt die Angstmache von Behörden und Teilen der Presse in Bezug auf Silvester am Connewitzer Kreuz ist, so sehr drängt sich Jahr für Jahr die Frage auf inwieweit nicht die staatliche Sonderbehandlung des Stadtteils und die Präsenz von Polizeibeamt*innen in Kampfmontur die Eskalation erst heraufbeschwört, Und in der Tat gibt es wohl keinen anderen Ort in der Stadt, auf den solch gewichtiges Augenmerk gelegt wird und wo die Eingriffsschwelle staatlicher Organe so niedrig liegt. Dies kommt nicht von ungefähr und reiht sich in eine alte Linie der Kriminalisierung des Stadtteils und seiner heterogenen Bewohner*innenschaft ein, jüngst zu spüren an der Einrichtung der so genannten Soko Linx, dem (erfolglosen) Übermalens des No Cops – No Nazis – Antifa Area – Graffitis am Basketballplatz, Fußstreifen der Bereitschaftspolizei oder der Häufung politischer Äußerungen durch die Polizei gegen polizeikritische Meinungsäußerungen.
Auch der Polizeiposten, der 2014 eigens für den Stadtteil und klar aus politischen Gründen eingerichtet wurde, fristet mittlerweile ein fast unwidersprochenes Dasein. Der Posten wird hier weder gebraucht, noch richtete er etwas gegen das sowieso unterdurchschnittliche Kriminalitätsaufkommen in Connewitz aus.

Es bleibt die Forderung den Popanz, mit dem die Staatsmacht ihre Stärke zeigen will, einfach stecken zu lassen und Silvester in Connewitz einfach Silvester sein zu lassen, ohne Polizeipräsenz. Hier könnte der neue Polizeipräsident Thorsten Schultze Haltung beweisen, die bisher fehlt.

Ungeachtet dessen ist gewiss, dass Silvester genau so wenig unpolitisch ist, wie jeder andere Tag im Jahr.
Und im übrigen bleibe ich der Meinung, dass der Polizeiposten endlich geschlossen werden muss.

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